Target2 kurz erklärt

Orlando ⌂, Mittwoch, 11.10.2017, 10:29 (vor 2389 Tagen) @ peterpan3161 Views
bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 11.10.2017, 10:38

1. Das Euro-System ist keine reinrassige Währungsunion. Es gibt neben der EZB noch die nationalen Zentralbanken (ZB).

2. Die Target2 Salden, sofern positiv, sind keine "unbezahlten Rechnungen", sondern im Gegenteil das Ergebnis des Bezahlens von Rechnungen und des sonstigen Übertrags von Bankguthaben von einem Land des Euro-Systems zu einem anderen.

3. Die Target2 Salden sind nicht "ungedeckt". Wenn in der Bundesbankbilanz bspw. gegenüber Italien ein Target2 Guthaben bei den Aktiven steht, so findet sich in der Bilanz der italienischen ZB eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe auf der Passivseite. Dieser Verbindlichkeit stehen in der italienischen ZB-Bilanz entsprechende Aktiven gegenüber. Das sind neben Gold hauptsächlich italienische Staatsanleihen und sonstige Schuldverschreibungen.

4. Die Regeln, nach denen eine Zentralbank Schuldverschreibungen auf die Bilanz nehmen und dafür ZB-Geld ausgeben darf, sind für alle Zentralbanken im Euro-System gleich. D.h., die Qualität dieser Aktiven ist im Euro-System die gleiche, unabhängig davon, welche ZB sie hält.

5. Das Risiko eines positiven Target2 Saldos für die Bundesbank besteht darin, dass dieser durch ausländische Schuldverschreibungen gedeckt ist. Sollte der Euro wieder abgeschafft werden, unterlägen diese Anleihen einem Währungsrisiko. Außerdem hätte der deutsche Staat natürlich kein direktes Zugriffsrecht auf irgendwelche dingliche Pfänder, sollten diese Anleihen nicht bedient werden. Ungefähr so, wie es bei amerikanischen Staatsanleihen ist und immer schon war. Von diesen amerikanischen Papieren befanden sich VOR dem Euro übrigens vergleichbare Mengen auf der Buba-Bilanz, damals hat das aber niemanden gestört.

6. Zu diesen Salden ist es einerseits gekommen, weil zB Griechen aus Angst vor Bankenpleiten ihre Konten lieber bei einer deutschen Bank führen (frag mal @Gaby, wo sie ihr Konto hat und wo sie ihr in GR verdientes Geld hinbringt), und andererseits die Deutschen nicht genug Fiats, Seats und Citroens/Renaults kaufen, sondern lieber Wagen aus einheimischer Produktion und im Gegenzug Franzosen und Italiener viel zu viele deutsche SUVs kaufen statt ihrer einheimischen Kisten.

Es ist allerdings eine Illusion, dass die deutsche Wirtschaft OHNE diesen Mechanismus die Mengen an Waren in die anderen Euroländer hätte exportieren können, die sie exportiert hat. Es hätte also viel höhere Arbeitslosigkeit und viel niedrigeres Gesamteinkommen in Deutschland in den letzten Jahren gegeben.

Darüber schweigen allerdings die Professor Unsinns und die Müllers bei ihrer oberflächlichen Kritik, die sowieso mehr aufs Gefühl setzt.

Und als Letztes, ein Land, das permanent deutlich mehr exportiert als importiert kann gar nichts anderes machen, als Guthaben im Ausland aufzubauen.


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