Das japanische "umgekehrte Ich"

Falkenauge @, Donnerstag, 02.07.2020, 08:21 vor 1386 Tagen 2530 Views

Ähnlich wie das Koreanische hat auch das Japanische kein Wort, das dem deutschen Ich entsprechen würde. Das deutet darauf hin: Das eigene Wesen wird auch in Japan weniger individuell in sich selbst als vielmehr in den Beziehungen zu anderen und zur Welt, also im Gemeinschafts-Zusammenhang des "Wir" erlebt. Der Einzelne ist von der traditionellen Kultur her primär nicht in sich unabhängige Individualität, sondern Glied der Gemeinschaft, der er naturhaft eingeordnet ist.

Die ganz andersartigen Seelenverfassungen der ostasiatischen Völker zu kennen und zu verstehen, ist in der immer mehr zusammenwachsenden Menschheit für ein friedliches Zusammenleben von fundamentaler Bedeutung.
Siehe:

Das japanische umgekehrte Ich

Danke für Dein Bemühen, diese Kulturen überhaupt (ansatzweise) zu verstehen! (oT)

Das Alte Periskop, Scharf an der Nebelgrenze, Donnerstag, 02.07.2020, 08:56 vor 1386 Tagen @ Falkenauge 1206 Views

Die ganz andersartigen Seelenverfassungen der ostasiatischen Völker zu kennen und zu verstehen, ist in der immer mehr zusammenwachsenden Menschheit für ein friedliches Zusammenleben von fundamentaler Bedeutung.

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"Die glücklichen Sklaven sind die erbittersten Feinde der Freiheit" (Marie von Ebner-Eschenbach, 1830-1916)

Kleine Ergänzung

Revoluzzer @, Donnerstag, 02.07.2020, 09:37 vor 1386 Tagen @ Falkenauge 1638 Views

Prima Artikel, Falkenauge. Eines der Erlebnisse, die mir die Augen öffneten:

Ich machte in einer Klasse mit internationalen Studenten aus aller Welt eine Fallstudie. Er ging darum, aus drei Optionen, die alle schlecht waren (wer wird gekündigt, diese oder jene Person) eine auszuwählen. Der Fall war so geschrieben, dass der Student keine Möglichkeit hat, aus diesem, sagen wir, Negativszenario auszusteigen.

Alle anwesenden Studenten von praktisch allen Erdteilen haben mitgespielt, "es wird dieser oder jener rausgeworfen, aus den und den Gründen und man kann das so und so machen" - so weit so gut.

Dann kam irgendwann dieser Japaner. Und da sagte der doch, sinngemäß, "Nein, da kann man niemanden kündigen, ich trete von meinem Posten zurück."

Alle anderen waren bereit, einen Mitarbeiter zu opfern. Der Gedanke, sich selbst zu opfern, kam nicht einmal im Ansatz vor - auch bei mir nicht - alle haben brav im System mitgespielt.

Und dann kommt der Japaner und zeigt uns allen, inklusive mir, was Moral und Verantwortung eigentlich bedeutet: Bevor man einen Untergebenen opfert, opfert man sich selbst...

Revo

Eine Bitte

Falkenauge @, Donnerstag, 02.07.2020, 14:24 vor 1386 Tagen @ Revoluzzer 1123 Views

Das ist hochinteressant, Revoluzzer. Könntest Du mir diesen Fall zur Vermittlung an andere etwas genauer schildern? Das wäre sehr nett.

Der Japaner war also bereit, lieber die ganze Mannschaft zu opfern, weil er einen nicht opfern wollte? 0t

Mephistopheles, Donnerstag, 02.07.2020, 14:27 vor 1386 Tagen @ Revoluzzer 1075 Views

Kamikaze, ein Akt der Verantwortung?!

Oblomow, Donnerstag, 02.07.2020, 14:30 vor 1386 Tagen @ Revoluzzer 1173 Views

Ich hab' irgendwo gelesen, dass statistisch gesehen in Südkorea und Japan die Selbstmordrate besonders hoch ist. Opfern die sich also alle aus Verantwortung? Toll an Deiner Studentengeschichte finde ich auch, dass man das Spielchen einfach nicht mitspielt. Das kriegt kein angehender Nachuntentretennachobenkatzbuckelheini hin. Russland hat, erinnre ich mich, die höchste Selbstmordrate. Da hat es wohl eher was mit Alkohol und der sog. russische Seele zu tun. Kann mich ooch irren.

Herzlich
Oblomow

Danke für den Augenöffner! (owT)

hanno @, Donnerstag, 02.07.2020, 10:10 vor 1386 Tagen @ Falkenauge 1115 Views

Danke für den Augenöffner!

Es ist ein Irrtum, zu glauben, man hätte das Andere verstanden, indem man ihm das Eigene überstülpt

Mephistopheles, Donnerstag, 02.07.2020, 14:18 vor 1386 Tagen @ Falkenauge 1203 Views

bearbeitet von Mephistopheles, Donnerstag, 02.07.2020, 14:29

Ähnlich wie das Koreanische hat auch das Japanische kein Wort, das dem deutschen Ich entsprechen würde. Das deutet darauf hin: Das eigene Wesen wird auch in Japan weniger individuell in sich selbst als vielmehr in den Beziehungen zu anderen und zur Welt, also im Gemeinschafts-Zusammenhang des "Wir" erlebt. Der Einzelne ist von der traditionellen Kultur her primär nicht in sich unabhängige Individualität, sondern Glied der Gemeinschaft, der er naturhaft eingeordnet ist.

Die ganz andersartigen Seelenverfassungen der ostasiatischen Völker zu kennen und zu verstehen, ist in der immer mehr zusammenwachsenden Menschheit für ein friedliches Zusammenleben von fundamentaler Bedeutung.
Siehe:

Das japanische umgekehrte Ich

Das ist eine typische Westliche Überstülpung. Wir definieren - die Spanier unter Franzisko Pizarro verfuhren mit den Indianern nicht anders (bis auf den heutigen Tag!) - die Japaner dadurch, wo sie nicht sind wie wir. Eben als negatives Abziehbild.
Und meinen dadurch - fälschlicherweise - dass wir sie verstanden hätten. Der erste, dem das auffiel, war Oswald Spengler, der das Axiom aufstellte, dass Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen unmöglich ist. Deswegen kann ein Zusammenwachsen der Menschheit nur mit dem Tod der einen Kultur enden.

In Wirklichkeit können unterschiedliche Kulturen einander überhaupt nicht verstehen. Ein friedliches Miteinander ist nur möglich, wenn zumindest einer der beiden tot ist. Wer soll denn deiner Meinung nach sterben, damit endlich Frieden einkehrt? (Was wiederum, ebenfalls nach Oswald Spengler, nicht geschehen wird. Die Kriege werden dann eben von anderen geführt.)

Gruß Mephistopheles

Überstülpung

Falkenauge @, Donnerstag, 02.07.2020, 21:58 vor 1386 Tagen @ Mephistopheles 991 Views

Es ist ein Irrtum zu glauben, man hätte den Artikel verstanden, obwohl man ihn nicht gelesen hat.
Der Artikel beruht nämlich auf dem Vortrag eines Japaners, der in Japan aufgewachen ist, dort studiert hat, dann nach Deutschland gekommen ist, hier studiert hat und seitdem hier lebt. Er kennt sich also in beiden Kulturen und Sprachen genau aus.
Es handelt sich daher nicht um eine typische westliche Überstülpung.

Es ist schon ein Kreuz mit den Vorurteilen.

Japan - das Land der fünf Elemente- Arte Doku

Manuel H. @, Sonntag, 05.07.2020, 19:20 vor 1383 Tagen @ Falkenauge 844 Views

Die "abendländische Hochkultur" hatte, bis auf wenige Ausnahmen, immer Probleme mit der Vorstellung einer "beseelten Natur" und schaffte sie allmählich ab. Christentum, Aufklärung und aufkommende Naturwissenschaft waren dabei die Hauptakteure. Ganz anders die jahrhundertelange Kultur Japans, die in buddhistischer oder shintoistischer Form dieser Idee geradezu huldigte: mit Ritualen, Bräuchen, Mythen, Kunstformen von überwältigender Kraft und Schönheit. Gestern abend führte die phantastisch fotografierte arte-Doku "Japan - Land der fünf Elemente" etwas davon vor. Anhand der Bereiche "Feuer", "Erde", "Wasser", "Luft" und - man höre und staune - "Geist", wurde mit vielen Beispielen gezeigt, wie "heilig" diese Elemente den Japanern immer noch sind und wie andächtig und kreativ Bauern, Töpfer, Schmiede, Taucher, Mönche und Künstler damit umgehen. Umwerfend und inspirierend:

https://www.arte.tv/de/videos/080959-000-A/japan-land-der-fuenf-elemente/

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Deutschland das neue Troja?
http://www.trojaeinst.wordpress.com

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