OT: Klemperer übernehmen Sie!

Albatros @, Lothringen, Donnerstag, 16.01.2020, 12:27 vor 1560 Tagen 3537 Views

Guten Tag

V. Klemperer-LTI-Notizbuch eines Philologen

Es ist auffällig, wie in die deutsche Sprache Formen eingezogen sind, die es so früher nicht gab.
Mit peinlicher Genauigkeit wird in insbesondere öffentlich rechtlichen
Publikationen sowie Funk und Fernsehen akribisch darauf geachtet, weibliche Wortformen zu (er)finden, die auch - wie selbstverständlich - von Interviewten übernommen werden.

Ein schönes Beispiel dieser Missgeburten hörte ich heute morgen in der Sendung
"Tag für Tag" vom DLF

Denkt man zunächst an den Namen einer finnischen Provinz, wenn man das Wort "Laiinnen" hört, ergibt sich die Bedeutung aus dem Satzzusammenhang als die weibliche Mehrzahlform des Substantivs Laie.

Es gibt sicher viele weitere Beispiele solcher Wortungetüme. Dabei sind auch Worte sprachlichen Veränderungen unterworfen, die vermutlich von der Sprachpolizei ausgegeben werden.

Mir erschliesst sich die Absicht nicht, welcher Zweck damit verfolgt wird, wenn z.B. aus den früheren Schurnalisten (von Journalist) sprachlich nun Tschurnalisten geworden sind. Ist das etwa eine aussprachliche Anbiederung an den (englischsprachigen) Internationalsozialismus?

Dabei ist doch die Herkunft o.g. Wortes französischen Ursprungs und unsere Aussprache war somit Jahrzehnte lang mit der französischen konform?

grüssend und dennoch fragend zurück bleibend,
der

--
Albatros

Kleine Grammatik – aus einem Roman von George Orwell

nereus @, Donnerstag, 16.01.2020, 13:00 vor 1560 Tagen @ Albatros 3554 Views

Hallo Albatros!

Du schreibst: Mir erschliesst sich die Absicht nicht, welcher Zweck damit verfolgt wird, wenn z.B. aus den früheren Schurnalisten (von Journalist) sprachlich nun Tschurnalisten geworden sind. Ist das etwa eine aussprachliche Anbiederung an den (englischsprachigen) Internationalsozialismus?

Es ist ggf. der erste Schritt dorthin, aber wohl eher schon der Zweite.
Möglicherweise erkennen hier einige Leser ganz zufällig Entwicklungen, die seit längerer Zeit aus „unerfindlichen“ Gründen in unseren Alltag einsickern.
Man wundert sich zwar, kann aber wenig damit anfangen, außer die Frage zu stellen: Sind DIE eigentlich alle verrückt geworden. [[hae]]

Nein, das sind sie nicht.
Und hier ist der Beweis.

Die Neusprache war die in Ozeanien eingeführte Amtssprache und zur Deckung der ideologischen Bedürfnisse des ENGSOZ - gemeint wurde damit der Englische Sozialismus - erfunden worden. Sie hatte nicht nur den Zweck, ein Ausdrucksmittel für die Weltanschauung und geistige Haltung zu sein, die den Anhängern des ENGSOZ allein angemessen war, sondern darüber hinaus jede Art anderen Denkens auszuschalten.

Wenn die Neusprache erst ein für allemal angenommen und die Altsprache vergessen worden war (etwa im Jahre 2050), sollte sich ein unorthodoxer – d. h. ein von den Grundsätzen des ENGSOZ abweichender Gedanke – buchstäblich nicht mehr denken lassen, wenigstens insoweit Denken eine Funktion der Sprache ist.

Der Wortschatz der Neusprache war so konstruiert, daß jeder Mitteilung, die ein Parteimitglied berechtigterweise machen wollte, eine genaue und oft mehr differenzierte Form verliehen werden konnte, während alle anderen Inhalte ausgeschlossen wurden, ebenso wie die Möglichkeit, etwa auf indirekte Weise das Gewünschte auszudrücken.
Das wurde als durch die Erfindung neuer, hauptsächlich aber durch die Ausmerzung unerwünsch¬ter Worte erreicht, und indem man die übriggebliebenen Worte so weitgehend wie möglich jeder unorthodoxen Nebenbedeutung entkleidete.

Ein Beispiel hierfür: Das Wort frei gab es zwar in der Neusprache noch, aber es konnte nur in Sätzen wie »Dieser Hund ist frei von Flöhen«, oder »Dieses Feld ist frei von Unkraut« angewandt werden.
In seinem alten Sinn von »politisch frei« oder »geistig frei« konnte es nicht gebraucht werden, da es diese politische oder geistige Freiheit nicht einmal mehr als Begriff gab und infolgedessen auch keine Bezeichnung dafür vorhanden war.
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Jedes Wort konnte durch Voranstellung von un- in sein Gegenteil umgewandelt oder durch die Voranstellung von plus-oder von doppelplus- gesteigert werden.
So bedeutete beispielsweise unkalt »warm«, während pluskalt oder doppelpluskalt »sehr kalt« oder »überaus kalt« bedeuteten. Auch war es möglich, die Bedeutung fast jeden Wortes durch die Voranstellung von vor-, nach-, ober-, unter- usw. abzuwandeln.
Diese Methode ermöglichte es, den Wortschatz ganz gewaltig zu vermindern.
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Das zweite hervorstechende Merkmal der Neusprach-Grammatik war ihre Regelmäßigkeit. Abgesehen von einigen nachfolgend erwähnten Ausnahmen folgten alle Beugungen derselben Regel. Bei allen Zeitwörtern waren das Imperfektum und das Partizip der Vergangenheit identisch und endeten auf -te. Das Imperfektum von stehlen war stehlte, von denken denkte usw., während alle Formen wie dachte, schwamm, brachte, sprach, nahm abgeschafft waren.
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Der Wortschatz B bestand aus Worten, die absichtlich zu politischen Zwecken gebildet worden waren, d. h. die nicht nur in jedem Fall auf einen politischen Sinn abzielten, sondern dazu bestimmt waren, den Benutzer in die gewünschte Geistesverfassung zu versetzen.
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Kein Wort des Wortschatzes B war ideologisch neutral. Eine ganze Anzahl hatte den Charakter reiner sprachlicher Tarnung und waren einfach Euphemismen. So bedeuteten zum Beispiel Worte wie Lustlager (= Zwangsarbeitslager) oder Minipax (= Friedensministerium – Kriegsministerium) fast das genaue Gegenteil von dem, was sie zu besagen schienen. Andererseits zeigten einige Worte ganz offen eine verächtliche Kenntnis der wahren Natur der ozeanischen Verhältnisse. Ein Beispiel dafür war Prolefutter, womit man die armseligen Lustbarkeiten und die verlogenen Nachrichten meinte, mit denen die Massen von der Partei abgespeist wurden.
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Im Wahrheitsministerium z.B. wurde die Registraturabteilung, in der Winston Smith beschäftigt war, Regab genannt, die Literatur-Abteilung Litab, die Televisor-Programm-Abteilung Telab usw. Das geschah nicht nur aus Gründen der Zeitersparnis.
Schon in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts waren solche zusammengezogenen Worte charakteristisches Merkmal der politischen Sache gewesen; wobei es sich gezeigt hatte, daß die Tendenz, solche Abkürzungen zu benutzen, in totalitären Ländern und bei totalitären Organisationen am ausgeprägtesten war (Nazi, Gestapo, Komintern, Agitprop). Zunächst war das Verfahren offenbar ganz unbewußt und zufällig in Gebrauch gekommen, in der Neusprache aber wurde es vorsätzlich angewandt. Man hatte erkannt, daß durch solche Abkürzungen die Bedeutung einer Bezeichnung eingeschränkt und unmerklich verändert wurde, indem sie die meisten der ihr sonst anhaftenden Gedankenverbindungen verlor.
Die Worte Kommunistische Internationale z. B. erweckten das Bild einer weltumspannenden Menschheitsverbrüderung, von roten Fahnen, Barrikaden, Karl Marx und der Pariser Kommune.
Das Wort Komintern dagegen läßt lediglich an eine eng zusammengeschlossene Organisation und eine deutlich umrissene Gruppe von Anhängern einer politischen Doktrin denken; es umreißt etwas, das fast so leicht zu erkennen und auf seinen Zweck zu beschränken ist wie ein Stuhl oder ein Tisch. Komintern ist ein Wort, das man fast gedankenlos gebrauchen kann, während man über die Bezeichnung Kommunistische Internationale schon einen Augenblick nachdenken muß.

Quelle: George Orwell, 1984 – ein utopischer Roman, Diana Verlag Zürich 1973, Seite 439 bis 446.

Nun könnte man meinen, daß mit den Laiinnen und Sternchen- oder Doppeltpunkt-Quark ging eher in die andere Richtung, doch man achte auf die bereits umgesetzten Teile des Orwell-Plans.
Ich sehe es als Vorstufe einer weiteren Sprachreform, nach dem Motto zwei Schritte nach vorn und einen zurück.

mfG
nereus

Das hat auch seinen Zweck...

Andudu, Freitag, 17.01.2020, 10:15 vor 1559 Tagen @ nereus 1005 Views

Nun könnte man meinen, daß mit den Laiinnen und Sternchen- oder
Doppeltpunkt-Quark ging eher in die andere Richtung

...der in 1984 dadurch erreicht wurde, dass man die Benutzung der Neusprache einfach vorgeschrieben hat. Da das heutzutage (noch) nicht (überall) so einfach funktioniert, hat man den Gessler-Hut Genderverhunzung vorgeschalten. Jeder der nicht wenigstens minimal politisch korrekt mitzieht, wird erkannt und aussortiert. Wird an einigen Unis m.W. ja bereits praktiziert.

Und wer sich bei sowas beugt, der schreibt dann auch nicht mehr "Neger", sieht keine Rassen mehr, betont alle Nase lang die schwerwiegende Benachteiligung von Frauen und Migranten, meidet Worte wie "Heimat" und "Volk" usw. -> Ziel erreicht: keine nennenswert einflußreichen Posten mit Leuten besetzt, die sowohl denken können, wie auch Rückgrat haben (und mit denen steht und fällt eine Zivilisation).

In sogenannten "Journalistenhandbüchern" werden die zu verbreitenden Wahrheiten und die Sprachregelungen vorgegeben. Siehe hier: (mL)

DT @, Donnerstag, 16.01.2020, 13:03 vor 1560 Tagen @ Albatros 2935 Views

Journalisten-Handbuch zum Thema Islam

https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Handbuch_Islam.pdf

https://ef-magazin.de/2016/11/10/10048-journalisten-handbuch-zum-thema-islam-gelenkte-m...

„Journalisten-Handbuch zum Thema Islam“

Gelenkte Meinungsfreiheit

Staatlich zertifizierte „Wahrheitsproduzenten“

Müssen aufpassen, was sie sagen: Islamkritiker

Damit jeder deutsche Journalist künftig genau weiß, wie und was er über den Islam und die Muslime berichten darf und soll, gibt es jetzt das praktische „Journalisten-Handbuch zum Thema Islam“. Staatsministerin Aydan ÖzoÄŸuz, Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, hat es vor wenigen Tagen vorgestellt. Dass die deutsche Regierung Journalisten ausgerechnet über den Islam und nicht etwa über Forstwirtschaft oder Städteplanung aufklärt, ist bezeichnend und aufschlussreich. Bei einem so sensiblen Thema muss man den Journalisten inhaltlich ein bisschen unter die Arme greifen. Mit dem neuen Handbuch braucht der deutsche Journalist nicht mehr lange und umständlich zu recherchieren, jetzt weiß er sofort, was er wissen muss und darf. In diesem Büchlein haben Regierung und Islamverbände ihre Vorgaben und Wünsche an die Journalisten formuliert und kurz zusammengefasst. Die Botschaft: Der Islam ist eine Religion des Friedens, eine Bereicherung für das Land, Muslime werden in Deutschland noch immer diskriminiert, und wer etwas anderes behauptet, ist ein widerlicher rechter Hetzer.

Dass die Regierung so einen plumpen Leitfaden überhaupt für notwendig erachtet, verwundert, zumal die zum Großteil linken Journalisten auch ganz ohne Ermahnungen und sanftem Druck stets wohlwollend über diese Politreligion und ihre Vertreter berichten. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekommen sogar vollverschleierte Islamistinnen gratis Sendezeit, um Werbung für den Heiligen Krieg in Syrien zu machen.

(...)

Sogar bei Wikipedia wunderbar erklärt (mL)

bürgermeister @, Donnerstag, 16.01.2020, 15:56 vor 1560 Tagen @ Albatros 2135 Views

Doppel-plus-guter Link zu Wikipedia

Neusprech


Um in Ozeanien INGSOC zu verwirklichen (English Socialism), entwickelt „die Partei“ Newspeak als semantisch und sprachtechnisch kontrollierte Ausdrucksform. Dieses sprachpolitische Instrument dient zur Erzeugung und Absicherung politisch korrekter Vorstellungen bei allen Mitgliedern der Bevölkerung.

Neusprech (englisch Newspeak) heißt die sprachpolitisch umgestaltete Sprache in George Orwells dystopischem Roman 1984. Durch Sprachplanung sollen sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten beschränkt und damit die Freiheit des Denkens aufgehoben werden. Der fiktive totalitäre Staat Ozeanien entwickelt diese Sprachform, um die Ideologie von „Ingsoc“ (English Socialism) im Unterbewusstsein der Menschen zu verankern.

Neusprech wird im übertragenen Sinne als Bezeichnung für Sprachformen oder sprachliche Mittel gebraucht, die durch Sprachmanipulation bewusst verändert werden, um Tatsachen zu verbergen und die Ziele oder Ideologien der Anwender zu verschleiern.

In der Kognitionswissenschaft wird experimentell erforscht, wie tief verwurzelte sprachlich-metaphorische Frames weitgehend unbewusst die politische Wahrnehmung, die semantische Einordnung und, davon abhängig, das politische Handeln bestimmen.


Gruß bm

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Die besten Q drops sind noch nicht gelutscht.

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