zur Sammlungsübersicht

Real-Enzyklopädie (6): Metallgeld-Deflationen

Geschrieben von dottore am 15. Juli 2001 16:26:24


Guten Tag!

Das es auch bei einem voll funktionierenden Metallstandard Deflationen gegeben hat, ist wenig bekannt.

Wir sprechen hier nicht von der 1930er ff. Deflation, zu der in Bezug auf das Metallgeld bereits genug geschrieben wurde: Die Deflation kam nicht vom Gold, sondern aus den unbedienbar gewordenen Krediten plus Bankzusammenbrüchen usw., usw., ich stelle aber unten noch ein Mal zur Sicherheit den Friedman-Chart dazu.

Eine berühmte Deflation war jene, die die römische Republik hinweg gefegt hat. Sie ist in dieser Darstellung gut zu erkennen:



Der Gipfel liegt um -80, also zur Zeit des Dikators Sulla, der seine politischen Gegner, Klartext: die Gläubigerfraktion, mit Hilfe der bekannten "Proskriptionen" ermorden ließ.

Er konnte allerdings nur einen Teilerfolg erreichen. Die inzwischen aufgelaufenen Schulden waren schon viel zu hoch. Also begannen sofort wieder die sattsam bekannten Überschuldungsprobleme.

Der Name CATILINA steht für das sich abzeichnende Desaster. Lucius Sergius Catilina (-106 bis -62)war ein überschuldeter Senator, der verzweifelt nach "Novae tabulae" verlangte, also nach neuen (= gelöschten) (Wachs-)tafeln auf denen die Gläubiger ihre Forderungen - vom Schuldner gesiegelt und daher jederzeit vollstreckbar - verbucht hatten.

Catilina versuchte, nachdem er bei den Wahlen zum Konsul durchgefallen war, einen landesweiten Schuldneraufstand, dessen nähere Umstände in den vier Reden Ciceros gegen ihn geschildert werden ("Quousque tandem, Catilina..." - wie lange noch, Catilina...). In der ersten Rede bezieht sich Cicero ausdrücklich auf die Insolvenz Catilinas, und weist darauf hin, dass seine Wechsel an den nächsten Iden (= Monatsmitte, dann waren die römischen Wechsel spätestens fällig) platzen würden.

Catilina, den sicheren finanziellen Untergang vor Augen, zog mit seinem Heer gen Norden und wurde schließlich von regierungstreuen römischen Truppen bei Pistoria (Etrurien) im Jahr -62 bis auf den letzten Mann getötet. Sein Feldherr Manlius rief noch sinngemäß aus: Lieber hier aufrecht und ehrenvoll sterben als die Schande des Bankrotts.

Weitere Versuche verkrachter Existenzen wie Julius Cäsar, der bei der Abreise nach Gallien (nicht um dort römische Sitten und Religion einzuführen, sondern um zu einem Metall-Inkasso zu schreiten), von seinen Gläubigern beinahe vom Pferd geholt worden wäre und der auch bedenkenlos römische Tempelschätze mit Hilfe seiner Leibgarde plünderte, brachten nur vorübergehend Erleichterung, siehe den vorletzten Balken von links.

Cäsar rüstete daher bereits zu einem weiteren Inkasso-Feldzug (gegen die Parther, bei denen sich einst schon Alexander der Große bedient hatte). Doch bevor es dazu kommen konnte, wurde er von der Gläubigerfraktion im Senat erstochen. Dies war wiederum an den Iden, diesmal März (= großer Schuldtermin, da Jahresende, das römische Jahr endete mit dem Februar und die Schuldner hatten dann noch spätestens zwei Wochen Zeit, um glatt zu stellen).

Julius Cäsar, inzwischen Diktator auf Lebenszeit, wurde ermordet, weil er seine "Lex Julia de Bonis Cedendis" durchsetzen wollte, eine Gesetz, das vorsah, dass die Schuldner als Zahlung Güter (bona) abtreten konnten (cedere) - und zwar zu den Preisen, die zum Zeitpunkt der Schuldaufnahem gegolten hatten (in der langen Deflation waren sie immer weiter gefallen, was die Lage der Schuldner natürlich ausssichtslos machte).

Erst durch einen weiteren großen Gläubigermord, den das zweite Triumvirat (Agustus, Marc Anton, Lepidus), nach dem Tode Cäsars initiierte, konnte die Deflation fürs erste gestoppt werden, da die Leute, die Schulden hätten eintreiben können in Form ihrer abgeschlagenen Köpfe auf dem Forum Romanum zu besichtigen waren. Die deflationäre Depression brach unter Tiberius wieder auf und endete im Mega-Crash des Jahres +33 mit einer erneuten Komplettenteignung der Gläubiger.

Ausführlich dazu: Guglielmo Ferrero, "Größe und Niedergang Roms", 1908. In den "modernen Geschichtsbüchern" werden diese Dinge fast immer unterschlagen.

Die Deflation, die den Untergang der römischen Republik herbeiführte, war nun nicht etwa, wie aufgrund der ersten Grafik vorschnell geschlossen werden könnte, eine geldinduzierte Deflation, sondern eine schuldeninduzierte. Nicht das Verschwinden der Denare löste die Deflation aus, sondern im Gegenteil: Die Deflation löste das Verschwinden der Denare aus.

Da die Preise allgemein fielen (und zwar wegen des verzweifelten Versuches der Schuldner, durch Notverkäufe noch an Geld zu kommen) wurde das Geld immer teurer ("steigender Geldwert") und über das Geld natürlich das Metall, das in fester Parität zum Geld stand (Denar = knapp 4 g Silber). Es lohnte sich also Münzen aus dem Verkehr zu ziehen und das Metall teurer zu verkaufen.

Dies ist der übliche Teufelskreis, der sich bei Metallgeld immer zeigt, nachdem (!) eine schuldeninduzierte Deflation erst einmal eingesetzt hat.

Die können wir auch sehr schön an dieser etwas "moderneren" Tabelle beobachten, die zeigt, wie sich der Goldmünzenbestand im deutschen Kaiserreich entwickelt hat:



Auch da sehen wir ganz deutlich die Folgen der sog. "Depression der Bismarckzeit", die nach dem Höhenflug (kreditfinanziert, was denn sonst!) der "Gründerjahre" ab 1880 eisern zu greifen begann. Die Summe der vorhandenen Goldmünzen verminderte sich von 1 226 auf 788 Mio Mark im Jahre 1888, dem Tiefpunkt der Krise.

Die Krise war nicht so schwer und staatserschütternd wie die einstige römische. Aber sie führte doch zum Hochkommen revolutionärer Ideen, nämlich der Sozialdemokratie mit klassisch marxistischem Programm, die sich dann 1918/19 endgültig austoben durfte.

Es ist also immer das selbe, sogar unter Metall-Standards. Beginnt eine Deflation, weil die Schuldner endlich doch Liquidität zeigen müssen, setzt wenig später auch ein Verschwinden des Metallgeldes ein. Das Heft des Geschehens hat dann die Deflation in der Hand und nicht etwa irgendein Geld.

Wären in den 1890er Jahren nicht die großen Goldfunde gemacht worden, die den Preis des Metalls rasch senkten, wäre möglicherweise das Kaiserreich noch früher verschwunden als es dann verschwand. Es waren nämlich durchaus noch nicht alle damaligen Schulden verchwunden, aber da mit den Preisen auch die Löhne fielen (damalige Flexibilität der Löhne nach unten trotz Streikbewegungen und in Auswanderungn mündend), half dies mit, das Schlimmste zu verhindern.

Wir beobachten interessanterweise auch heute - Jahr 2001! - bereits wieder Lohnsenkungen in Deutschland, z.B. bei Hewlett-Packard und Krupp-Betrieben.

Es ist also immer das gleiche.

Nur diesmal wird es erheblich bitterer, da wir einen Kreditexzess hinter uns haben (bitte nochmals Richebächer dazu lesen, steht in JüKüs Forumsangebot), wie ihn die Geschichte noch nicht erlebt hat, vermutlich nicht einmal das "alte Rom".

Zum Schluss noch der bereits bekannte Friedman-Chart:



Wir sehen auch dort, dass der "monetäre Gold Stock" nach unten wandert. Aber selbstverständlich erst, nachdem (!) Krise, Deflation und Bankencrashs bereits eingesetzt hatten, ab 1931 also.

Wer andere Zusammenhänge konstruiert oder gar dem völlig unschuldigen Metall die Verursachung (!) von Krisen unterschieben will, verwechselt Ursache und Wirkung, kurzum: Er redet wirres Zeugs.

Gruß

d.