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Revidierte Bronzezeit in Israel? Gewalt, Herrschaft, Staatsbildung, Tribute

Geschrieben von dottore am 13. Juni 2006 14:19:06


Hi,

ein weiteres Fort der sog. biblischen Geschichte wankt. Es geht um die sog. Edomiter, der Name "Edom" erscheint in der Bible 99mal. Das Volk, das suedlich/suedoestlich des Toten Meers zu lokalisieren ist, befand sich in kriegerischen Auseinandersetzungen mit den noerdlicheren Israeliten. Es wird aus "frueheisenzeitlich" (ca. 8. in Ansaetzen 11. Jh. BC, vgl. Griechenland in seinem "dunklen Zeitalter") bezeichnet und der ganze Komplex traditionell so abgehandelt:

EDOM

In der neuesten Ausgabe des Biblical Archaeological Review wird das traditionelle Bild aufgrund neuer Ausgrabungen umgekrempelt:

Demnach waren die Edomiter die Ersten und Juda die Zweiten. Die Edomiter waren einer der groessten Kupfer-Produzenten und unterhielten (offenbar mit den schon anderweitig im Schwange befindlichen Bronze-Waffen, CU-Zusatz: Zinn) eine entsprechend strukturierte Gesellschaft mit Macht-Hierarchien schon in der Voreisenzeit (12. Jh. BC), mittels derer es ueberhaupt moeglich war, Waffen in grossen Stil zu produzieren und noerdlich zu expandieren, also die dortigen judaeischen Staemme, die es noch nicht zur "Staatsbildung" geschafft hatten, zu unterwerfen.

Ueber Esau, den raetselhaften Zwilling Jakobs, heisst es (1 Mos 36), er habe "Edom" geheissen, sei "Edom" gewesen; ausserdem: "Die Koenige aber, die im Lande Edom regiert haben, bevor Israel Koenige hatte..."

Das Reich Edom ist bisher zwar erst in Ansaetzen in seiner Machtzentrale ausgegraben (ca. 240 mal 240 Fuss = ca. 5 ha). Ringsum ein Siedlungsraum von weiteren ca. 10 ha. Das Siedlungsgebiet heisst bis heute aus dem Arabischen uebersetzt "Ruinen von Kupfer" (khirbat en-Nahas) und grosse Cu-Produktionsanlagen sind inzwischen ausgegraben worden.

Wir koennten uns also erneut mit der historischen Tatsache anfreunden, dass "Staatsbildungen" und der Switch von Jagd- zu Mann/Mann-Waffen plus anschliessende Expansion ("Herrschaftsbildung") ein bronzezeitlicher Standard gewesen ist und die Weltgeschichte mit der Erfindung/Entwicklung dieses "Kunstmetalls" (Cu/Sn im schliesslich optimalen Mix von 8/10 : 1) eine entscheidende Wende zu Perma-Kriegszustaenden erfahren hat.

Vielleicht kann in diesem Kontext nochmals das Posting Oppenheimer ergaenzend herangezogen werden.

Dieser Prozess des challenge & response ist auch gut zunaechst auf Edom anzuwenden, als ehem. Vassallen- und Tributstaat des akkadischen Reichs unter Sargon (ca. 2300 BC), dessen Namen sich im "neuassyrischen Reich" (8. Jh.) als Sargon II. wiederfindet. Ob es sich hier um einen "Zeitensprung" handelt (von dem Heinsohn u.a. ausgehen) und wie die nahoestliche Chronologie letztlich zu rekonstruieren ist, muss derweil offen bleiben.

Jedenfalls scheinen die Edomiter nach den neuesten Forschungen ( Thomas E. Levy , UCSD, hatte damit schon vor zwei Jahren auf einer Konferenz in Oxford Aufsehen erregt) die challenger gewesen zu sein und die sich der daraufhin formierende "Juda-Staat" unter den "Koenigen" David und Salomon die response.

Irgendjemand muss schliesslich mit dem "Herrschen" (recte = Be-Herrschen anderer Populationen) angefangen haben. Das gilt nicht nur fuer den Ablauf, den wir ex "Innerasien" (Tadschikistan als "Ur-Quelle" der Bronze, vgl. die Forschungen, Lehrstuhl Prof. Pernicka, Freiberg; Pernicka selbst inzwischen Uni Tübingen)...

[Fruehester Bronzeabbau - 2650 m hoch - in Muschiston; das dortige Erz konnte (noch) ohne Sn-Zusatz im Feuer zu Bronze verarbeitet werden]

... Richtung fruchtbarer Halbmond - moeglicherweise via einer Nordschiene (Syrien, Tell Brak, Hamoukar) und einer Suedschiene (Irak mit Uruk usw.) - verorten koennen. Dazu hatte Science soeben einen lesenswerten Beitrag gebracht ("North vs. South, Mesopotamian Style", vol. 312, 9. Juni 2006, 1458-63, privater Hinweis @Popeye).

Die Richtung Industal und China bedarf noch zusaetzlicher Klaerungen. Auf sich fortsetzende Parallelen zu heute einzugehen, eruebrigt sich. Dass der origin of war (fuer Hamoukar wurde bereits vor einiger Zeit geschrieben) auch im steinzeitlichen Amerika (interessanterweise auch mit verschiendenen "Schienen" - einmal Pazifik entlang suedwaerts mit Ausstrahlungen in die Hochtaeler Oaxaca oder Tenotchtitlan und einmal im Mississippi-Tal) gang und gaebe waren, ist allgemein bekannt.

Noch ein Nachtrag: Im nordoestlichen Indien, an der Grenze zu Myanmar (Burma) lebt das Volk der Naga, was nicht nur einen Menschenkopf-Kult zelebriert (angeblich aus "Fruchbarkeitssicherungszwecken"), sondern auch Megalithbauten (-graeber) kennt, laesst sich ein Klan-Chef vernehmen: "24 Doerfer sind mir zu Tribut verpflichtet, und ich fuehre eine uralte Tradition fort, denn seit Jahrhunderten ist das Koenigsgeschlecht in unserer Familie geblieben..." (Peter von Ham, In den Bergen der Kopfjaeger, ISBN 3-89405-664-9).

Dynastisches, Fremdzwang, Gewalt, Herrschaft, "Staatenbildung", Megalithbau bis hin zu den vielgeruehmten fruehen "Hochkulturen" - die Zusammenhaenge erscheinen durchaus eine Form der ersten "Globalisierung" gewesen zu sein, was wieder auf die (verkuerzten) Gleichungen von Wolfgang Sofsky (Kultur = Gewalt, Gewalt = Kultur) hinfuehrt.

Das Dunkel lichtet sich mehr und mehr...

Gruss!