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Re: Infla/Defla, FRB und die Österreicher

Geschrieben von dottore am 15. April 2006 19:22:00

Als Antwort auf: Re: Wenn die Inflation kommt.../ keine Angst, die kommt nicht ..... geschrieben von thoughtful am 14. April 2006 15:29:48

Hi thoughtful,

das mit der Inflation ist schon ein Kreuz. Wir haben also zwei Aussagen:

1. Wird Inflation / Deflation nicht nach der Entwicklung bei assets gemessen sondern international praktiziert am CPI
2. Es besteht dann Inflation, wenn durch eine zu große Ausweitung der Geldmenge die Konsumenten-Preise auf BREITER Front steigen. Es besteht nur dann Deflation, wenn durch eine Kontraktion der Geldmenge die Konsumenten-Preise auf BREITER Front fallen.

Dabei ist mir nicht klar, wie das gemeint ist: Entweder besteht dann Inflation, wenn der CPI steigt (1). Oder es besteht – bzw. kommt? - dann Inflation, wenn die Ausweitung der „Geldmenge“ zu groß ist (2). Im Fall (1) wäre der CPI die Messlatte, im Fall (2) die „Geldmenge“.

Beim Fall (1) ist zu berücksichtigen, dass die Preiserhebung der Konsumgüter die Angebotspreise (also, wie sie in den Regalen ausgezeichnet sind) erhoben werden. Dass dies nichts über realisierte Preise aussagt und schon gar nichts über Preise mal Mengen, wurde schon des öfteren angesprochen. Dem Problem weicht die Statistik durch ständig neu zusammen gestellte Warenkörbe aus, deren Zusammenstellung den tatsächlichen Umständen um Jahre hinterherläuft. Beides, Erfassung von Angebotspreisen und Verbrauchs-„Gewohnheiten“ sind schon von der Erfassung her nicht kompatibel.

Außerdem fehlt bei der Erfassung der Angebotspreise der Anteil der administrierten Preise bzw. Preisteile. Wird die MWSt. erhöht, ergibt sich zweifelsfrei ein „inflationärer“ Effekt – man vergleiche die Preise Jan/2007 mit denen Dez/2006 -, der nichts mit einer „Mehrnachfrage“ zu tun hat, die auf ein gleiches oder gemindertes Warenangebot trifft und ergo die Preise in die Höhe treibt. Mit einer veränderten „Geldmenge“ hat dies absolut nichts zu tun – oder wird das Geld zur Entrichtung der höheren Steuer vorher an die Steuerpflichtigen ausgezahlt?

Kommen wir zum Fall (2), also zu dem, was auch in den Links aus „money supply“ bezeichnet wird. Dieser „supply“ kann (a) einen „Bestand“ bezeichnen, aber ebenso eine „Beschaffungsmöglichkeit“ (b), wobei letztere, wie wir wissen ein Vielfaches des ersten ausmacht. Dabei werden die Banken allerdings nicht selbst tätig („aktive Geldschöpfung“, vgl. die schöne Grafik von @ELLI dazu) , sondern nur aufgrund von Kreditwünschen des Publikums.

Bleiben wir beim „supply“ (a), also dem was an ZB-Noten, ZB-Konten der Banken, Münzen und Sichtguthaben des Publikums summiert wird, so lassen sich etwelche Kausalketten nicht festmachen.

Nach den Angaben der BIZ haben wir 2000/2004 in Japan einen Anstieg der Noten und Münzen „in circulation“ von 588 auf 795 Mrd. USD, also um 35 Prozent. Im gleichen Zeitraum ist der CPI um ca. 4 % gefallen. Andererseits sind die „transferable deposits held by non-banks“ von 1,8 auf 3,5 Bio. USD gestiegen, haben sich also in vier Jahren fast verdoppelt. Beides kann man mit Fug und Recht als eine „zu große Ausweitung der Geldmenge“ (so. oben) bezeichnen.

Die CPI-Deflation in Japan im selben Zeitraum ist bekannt, so dass sich der Satz „Es besteht nur dann Deflation, wenn durch eine Kontraktion der Geldmenge die Konsumenten-Preise auf BREITER Front fallen“ in seinem Sinn nicht erschließt, da von einer „Kontraktion der Geldmenge“ in keiner Weise gesprochen werden kann.

Es kommt dabei natürlich nicht nur auf die „Geldmenge“ (hier Noten und Münzen) in toto an, sondern auf jene pro Einwohner, da dieser schließlich der „Käufer“ ist. Nach Japan (6.222 USD/Kopf) tut sich dabei die Schweiz hervor. Dort hält jeder Einwohner 4.936 USD (Steigerung gg. 2000 = 54 Prozent!), von einer Schweizer Inflation 2001/2004 kann ebenfalls keine Rede sei, die Infla-Raten lagen jeweils deutlich unter 1 Prozent.

Umso rätselhafter, als die Schweizer Depositen-Konti („Geldmenge giral“) 2000/2004 geradezu „explodiert“ sind: von 8.321 auf 18.414 USD pro Einwohner, also um 121 Prozent! Die CPI-Inflation 2004 lag mit 0,8 Prozent ganz woanders als man es nach der obigen Theorie hätte erwarten sollen.

Auch Hongkong ist bemerkenswert. Dort steigen Noten/Münzen 2000/2004 von 2.020 auf 2.858 USD pro Kopf (= plus 41 Prozent!), aber der HK-CPI entwickelte sich besonders negativ: Schon 2000 minus 3,75, dann minus 1,6, minus 3,04, minus 2,58 und minus 0,03 Prozent. Damit haben wir mehr als eine (aufgerechnet) zweistellige CPI-Deflation. Wie ist das bei diesem „money supply“ möglich?

Ein ganz anderes Bild zeigen dagegen die USA, die in der Infla-Rate der führenden Wirtschaftsländer 2000/2004 bekanntermaßen den Spitzenplatz einnahmen. Aber gerade dort stiegen die „Geldmengen“ pro Kopf am „sanftesten“: Noten/Münzen pro Ew. von 2.103 auf 2.568, also um 22 Prozent. Bei den US-Depositen pro Ew. haben wir gar nur einen Anstieg von 2.806 auf 3.106 USD , also um knapp 11 Prozent.

Das mit den Preisen (CPI) und dem „money supply“ (Geldmenge, bar und giral und pro Kopf) haut also vorn und hinten nicht hin. Die Preise sind, oft genug schon in extensis ausgeführt, kein Geld-, sondern ein Kredit-Derivat.

3. Sonstige Preisrückgänge sind gesund und können z. B. auf einem Produktivitätsfortschritt beruhen.
sh hierzu: http://www.mises.org/story/1298 und http://www.mises.org/story/1254

„Gesund“ ist wohl eher ein medizinisches und nicht ein ökonomisches Phänomen.

4. Ich stimme hier voll mit Herrn Prof. Dr. G. Reismann und Herrn Prof. Dr. J. Hülsmann überein.

Die beiden Herren sind durch die obigen Ausführungen eindeutig widerlegt.

5. Keynesianer mögen es vielleicht anders sehen, aber diese Lehre taugt auch nichts. sh: "Das Fiasko der Keynes'schen Wirtschaftslehre" Autor: Henry Hazlitt mit Unterstützung durch Überarbeitung des Stoffes durch Prof. Dr. Ludwig von Mises und zustimmend durch Prof. Dr. F.-A. von Hayek, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften.

Von Keynesianismus war in der bisherigen Diskussion m.W. noch nirgends die Rede. Er ist auch für diese Zwecke gänzlich belanglos.

6. Tja, man wird sich - wenn man mit mir diskutieren will - daran gewöhnen müssen, daß ich ein Anhänger der österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaften bin. Sollte man deswegen nicht mit mir diskutieren wollen - auch kein Problem für mich.

Die Österreicher haben große Verdienste, sind aber zum Kern des ökonomischen Problems nicht vorgestoßen.

Ebenso schöne Ostern wünschend!

P.S. Zu Fractional Reserve Banking knüpfe ich in wenigen Tagen oder Wochen an die Vordiskussion mit @dottore an, da er mich ja aufgefordert hat mit: ". . auf ein Neues". Es wird ein etwas längerer Beitrag werden. Eine meiner Sekretärinnen schreibt gerade daran mit Buchungsbeispielen auf T-Konten zu Lehrmaterial, verwendet an diversen Universitäten. Gerade die neueren Recherchen haben mich voll und ganz überzeugt, daß es Fractional Reserve Banking gibt. :-)

Auf diese Diskussion freue ich mich sehr. Wenn ich mir einen Vorschlag erlauben darf:

Bitte der Einfachheit halber mit einer Wirtschaft ohne Geld beginnen, das sich die Banken zunächst bei der ZB beschaffen müssen, bevor sie es – auf dem Kreditwege – ans Publikum weitergeben können. Da sich die Banken jederzeit jeden vom Publikum geforderten Betrag bei der ZB beschaffen können, kann selbstverständlich auch die Mindestreserve entfallen.

Zum Beispiel: A möchte von seiner Bank X 1000. Bank X beschafft diese bei der ZB und verleiht sie an A (täglich fällig). A zahlt die 1000 bei Bank Y ein (täglich fällig). Bank Y verleiht die 1000 an B (täglich fällig). B zahlt die 1000 an Bank Z ein (täglich fällig). Bank Z verleiht die 1000 an C (täglich fällig), usw. usw. Zinssatz durchgehend 10 % p.a.

Frage 1: Wie viel Geld kann so „geschaffen“ werden?

Frage 2: Falls weniger als unendlich viel – warum?

Frage 3: Wer „schafft“ das Geld? ZB, Banken oder Publikum?

Frage 4: Was passiert, wenn das Publikum keine täglich fälligen Verbindlichkeiten gegen sich buchen lassen möchte?

Frage 5: Wie hoch sind die Summen, die das Publikum ununterbrochen mit sich herumtragen müsste, um etwaigen Fälligstellungen (täglich möglich) durch die Banken Genüge leisten zu können?

Frage 6: Falls 100 %, wie kann das Publikum die auf es jederzeit wartende Abforderung des in seiner Tasche liegenden Geldes bei einer Bank einzahlen, wo es das Geld seinerseits erst bei einer zweiten abholen müsste, um die erste Bank zu befriedigen. Was passiert, wenn die ursprünglichen 1000 durch FRB über Hunderttausende von Konten gewandert ist (Achtung: Die Japaner unterhalten 532.658 Konten! Die Engländer 142.216, die Deutschen sogar noch 85.163 Depositenkonten – da müssten die täglichen Fälligkeiten lange Wege gehen... Von einem Run des Publikums auf die Banken wird bei täglichen Fälligkeiten gern gesprochen – aber was ist mit einem, das FRB logischerweise definierenden [täglich fällig!] Run der Banken auf das Publikum?).

Frage 7: Falls weniger als 100 % - wie kann das Publikum wissen, dass nicht jederzeit doch 100 % von der Bank zurückverlangt werden? Banken sind bekanntlich erheblich nervöser als das Publikum, siehe jeweilige Konkursquoten).

Frage 8: Wo kommt überhaupt das Geld her, um die Zinsen zu bezahlen?
Als besonderes Schmankerl würde mich dieses Modell interessieren: Es existieren nur Scheidemünzen, also Geld ohne Fälligkeit.*) Um der Mindestreservepflicht zu genügen reichen die Banken, bei denen dieses „Nettogeld“ eingezahlt wird, den vollen Betrag an die ZB weiter (von wo sie es jederzeit abholen können, um etwaigen Auszahlungs- alias Wiedergabewünschen nachzukommen).

*) [Auf solches Geld ohne Fälligkeit, also letztlich Metallmünzen, hebt die ganze österreichische Schule, noch früheren Währungssystemen verhaftet, ab; ihre Vertreter sind in einer anderen Zeit groß geworden, die es heute nicht mehr gibt].

Die Mindestreserven werden – so ist es heute im EZB-System der Fall – zum sog. „Leitzins“ vergütet. Die ZB verbucht die eingereichten Münzen zum Nennwert (erscheinen in der ZB unter „Kasse“), muss die ihr eingereichten Münzen aber verzinsen. Wo nimmt die ZB das Geld zur Verzinsung her?

Die Banken hätten leichtes Spiel: Alle Scheidemünzen an die ZB einzahlen (100 % MR) und eine Marge in Höhe des Leitsatzes kassieren. Die sonstigen Geschäfte könnten die Banken einstellen und sich als Ein-Mann-Betriebe mit einer opulenten „Zinsmarge“ zufrieden geben. Das Kapital würde der Einfachheit halber ebenfalls in Scheidemünzen eingezahlt, die sowohl Banken als auch die NZBs (im Gegensatz zum Verkehr des Publikums untereinander) in jeder Höhe anzunehmen verpflichtet sind.

Let’s knack!