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Re: Nochmals Staatsmonopol und Cournot'scher Punkt

Geschrieben von dottore am 15. März 2006 15:11:05

Als Antwort auf: Re: Weder das eine, noch das andere! geschrieben von Theo Stuss am 14. M�rz 2006 09:28:58

Hi Theo,

voellig klar gebracht. Danke dafuer.

Der Staat ist Monopolist und steht auch seinerseits unter dem Gesetz des Debitismus und muss seine Vorfinanzierung wieder hereinholen.

Monopolisten in der Privatwirtschaft versuchen dabei, den Cournot'schen Punkt zu erwischen, vgl. ausfuehrlicher diese Ableitung dazu.

Man ersetze den Mineralwassermonopolisten durch Staat, den Umsatz durch Steuereingaenge und den Preis durch Steuersatz bzw. Steuersaetze. Wir hatten dies schon mal diskutiert.

Die Grafik nochmals gesondert:

Das Staatsproblem besteht darin, dass die Grenzkosten des Staates (Ausgaben - unten Parallele zur x-Achse) - im Gegensatz zu einem Mineralwassermonopolisten - niemals unter, sondern stets ueber seinem Grenzumsatz (zusaetzlichen Steuererloesen) liegen muessen, einzelne Ausnahmen koennen wir weglassen, da wir den Staat in seiner weltweiten Gesamtheit sehen muessen.

Nun steht die Frage nach dem "Kipp-Punkt" im Raum (anderer Ausdruck, wie hier gebraucht: der Staats-Kondratieff-Winterbeginn).

Dazu lassen wir die (blaue) Kostenkurve in der oberen der zweiten Darstellung zunaechst in Parallele zur Umsatz- alias Steuereingangskurve (rot) laufen, ohne sie zu schneiden (anders als in der Grafik). Die Differenz deckt die laufende Staatsverschuldung, die sich in dem Beispiel ab ca. 30 DM deutlich oeffnet, was sich mit der derzeitigen Realitaet deckt: die Verschuldung der Staaten nimmt in summa progressiv zu. Man kann sich auch die Kostenkurve als nicht linear, sondern nach links gekruemmt vorstellen, was der Staatsrealitaet entspricht: Je mehr Staat, desto teurer wird er relativ zu "weniger" Staat.

Hinzu kommt, dass der Staat Umsaetze fingiert, da er nicht nur Steuereingaenge, sondern auch das, was er sich als Vorausbezug auf diese am Kapitalmarkt "holt", unter "Erloese" (Staatseinnahmen) rechnet (Kameralistik). Jedes Unternehmen, das die von ihm aufgenommenen Kredite unter Umsaetze verbucht, waere schnell am Ende, wie die bekannten Gross-Pleiten (Enron, Worldcom u.a.) zeigten, wo letztlich vor allem Lieferungen auf Kredit als "bezahlt" ausgewiesen bzw. aktiviert wurden.

Die Erloeskurve ("Umsatz" = Steuereingaenge) hat den bekannten Scheitelpunkt (auf die "Lafferkurve" wurde auch in diesem Thread nochmals hingewiesen). Ob die Umsatzkurve mit Hilfe der Staatsverschuldung nach oben "gehoben" wird, spielt letztlich keine Rolle. Am Scheitelpunkt fuehrt kein Weg vorbei. Wir hatten dies anhand einer S&P-Studie zur Bonitaet der Staaten in den kommenden Jahren schon diskutiert.

Die "Gewinnkurve" (gruen) ist beim Staat eine Verlustkurve (unter Nulllinie) und faellt erst in leichter Schraeglage nach unten, beschleunigt diesen Fall ab dem Cournot'schen Punkt (C) stark, "explodiert" ab dem Scheitel und beginnt ab dem abnehmenden Umsatz (Steuererloese) immer mehr in "freien Fall" ueberzugehen.

Dass dies nicht in "einem Rutsch" ablaeuft, ist klar. Der beruehmte Fitch-Outlook fuer Staats-Bonitaeten variiert und ist bei jenen Staaten sogar "stable" oder "positiv", solange sich die Differenz Staatskosten/Staatserloes gleich haelt oder voruebergehend sogar verkleinern laesst (z.B. durch "Reformen" = Kostensenkungen im oeffentlichen Sektor, Erloese aus Verkaeufen von Staatseigenum [Tafelsilber] = "Privatisierung" oder auch zusaetzliche Verschuldungsbereitschaft in einer - moeglichst wachsenden - Bevoelkerung = weitere BIP-Zuwachsraten in toto).

Lassen sich aber weder die Kostenkurve (nach rechts = Staat ---> min!) noch die Umsatzkurve (nach links = BIP- und Steuerzunahmen ---> max!) weiter verschieben, und sind zudem noch die "neuen Global Players" (China, Indien) "ausgereizt" [was logisch ist, da die Wachstumsraten von einer immer hoeheren BIP-Basis aus gerechnet werden] beginnt sich die Differenz endgueltig und zwar ziemlich rasch auszuweiten.

Der Scheitel waere also dann erreicht, wenn sich - vgl. auch die "Bankrottformeln" dazu - das Substrat der Umsatz-Fingierung, naemlich zusaetzliche, in der Zukunft ueberhaupt zu erwartende Steuererloese ("gezahlte") auf Dauer unterhalb der zu zahlenden (!) Kosten der bereits "fingierten" Erloese darstellen, was im Endzustand eben in cash zu zahlende Zinsen > (groesser als) in cash eintreibbare Steuern bedeutet.

Ab wann Bonitaeten abschmieren und vice versa die Renditen (und damit die Zinssaetze fuer neu zu begebende Staatstitel) in die Hoehe schnellen und in welcher Reihenfolge des Staatenkartells untereinander, laesst sich freilich nicht sagen. Dazu ist auch viel zu viel Psychologie im Rennen ("full faith and credit of government"!).

Auch sind besondere Stabilisatoren nicht zu verachten: Je haeufiger Kreditkrisen "bewaeltigt" werden (Notenbanken!), umso "unverwundbarer" wird das Gesamtsystem eingeschaetzt.

Insofern ist dieser Dein Satz eine zentrale Aussage:

"Der Knock-Out ergibt sich schlussweise aus der Einstufung der Staatstitel am Markt."

Noch eine kleine Anmerkung zu Deinem klaren und exzellenten Posting, dem ich mich zur Gaenze anschliesse:

>Einziger Ausweg waere die Externalisierung dieser Schulden, wie es die USA tun, aber nur sie haben dieses Privileg.

Das funktioniert, solange die USD-Zinssaetze und vor allem die USD-Rendite- und Zinssatz-Erwartungen (oder hat jemand im Ernst geglaubt, die Greenspan'sche Zinstreppe nach unten wuerde "auf ewig" unten bleiben und sich nie mehr "umkehren"?) ueber jenen in allen anderen Waehrungsraeumen liegen. Das "Privileg" kann sich auch verfluechtigen - oder was geschaehe, falls die Zinskurven (alle Fristen) im Euro- und Yen-Beritt jene des USD-Raumes auf breiter Front ueberschritten? Dann wird's richtig spannend.

Zumal unter dem Aspekt einer "Flucht aus dem Dollar", die jedoch ihrerseits das Abladen von USD-Titeln mit entsprechendem Kurs-Verfall (demnach Rendite- und wiederum Zins-Anstieg) verbunden waere. Das ganze Grosse Spiel laeuft also in der Tat auf die USA hinaus und deren letztlich staatlicher Verschuldungsfaehigkeit (wer waere "zinsrobuster" als US Gov mit seinem, zudem mit Weltmacht-Monopolstatus und - relativ zum BIP noch niedriger Verschuldungsquote - unterlegten AAA?).

Irgendwie kommt einem das Ganze vor wie die Maer vom Hexenmeister oder der Mythos von Midas: Zuerst ist's toll, dann allmaehlich genug, zum Schluss dann eben zu viel.

Nochmals besten Dank + Gruss!