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Re: ... und erklären endlich auch den 33 %-Zinssatz

Geschrieben von dottore am 17. August 2005 18:05:20


Als Antwort auf: Knotenschüre (= khipus) der Inkas dienten (auch) der Buchhaltung geschrieben von Popeye am 16. August 2005 15:33:40:

Hi @Popeye,

danke für den Hinweis. Auf den Science-Artikel hatte sich schon der SPIEGEL bezogen, auf den @Carpediem verwiesen hatte. Auch dafür Dank.

Nun ist die Sache so neu nicht. Schon Leland Locke hatte in den 20er Jahren auf den numerischen Charakter der Strippenschrift aufmerksam gemacht. Die Mühe hätte er sich sparen können, da das (leider wenig bekannte) Ms. (ca. 1530) des konvertierten Inka Guamán Poma de Ayala eine Abb. zeigt, wo ein Inka einen khipu hält und auf der selben Seite sind die im Westen bekannten calculi abgebildet, mit deren Hilfe zur selben Zeit diesseits des Ozeans gerechnet wurde.

Ich hatte (in Unkenntnis der Arbeit Lockes) dies in "Aufwärts ohne Ende" so beschrieben: "Rechts (neben der Abb. des "Rechenbüchlin" von Jakob Kölbel, Augsburg 1514) zeigt ein Buchhalter der Inka, was es mit der - bis heute `rätselhaften' - Strippenschrift (den 'Quippus') auf sich hat; es sind die gleichen 'Calculi', also Rechen-Hilfsmittel, wie in der Alten Welt..."

Der Zweck der Übung ist völlig klar: Es wurden die selben Vorgänge erfasst (Bevölkerungszahl, Abgabengut, Termin, usw.) wie in den mesopotamischen Tontafeln auch. Letztlich sind es SOLL/IST-Rechnungen wie jene, die wir bei Nissen et. al. finden.

Interessant ist der SPIEGEL/Science-Hinweis, dass gedrittelt wurde, d.h. ein Drittel für den Inka, eins für die Schwachen usw., eins zum Selbstbehalt. Damit ist endlich geklärt, was es mit dem rätselhaften Zinssatz von 33,3 % auf sich hat, mit dem das "Wirtschaften" im Nahen Osten startet. Es ist der Steuerzins. Er wird sofort als Schuld gebucht. Nicht erfüllte SOLLs werden mit demselben Satz weitergebucht. Die Diskussion darüber hatten wir ausführlich, nur war das mit dem Drittel nicht klar.

Das hat sich jetzt offenbar erledigt. Das zweite Drittel im Nahen Osten dürfte an die Tempel gegangen sein, deren Aufgabe es war, den Armen und Schwachen zu helfen. Die Setzung des SOLLs dürfte in der Alten und der Neuen Welt gemäß der Manpower erfolgt sein - daher auch "Volkszählung", "Arbeitsstundenzählung" o.ä. Daher vermutlich auch die Tag-Einteilung nicht nach dem Dezimal-, sondern eben dem Duodezimal-System.

Entsprechend dann das Gewichtssystem, wie beschrieben, mit der Basis von 180 Körnern als "Shekel" (man hätte sonst auch 100 nehmen können). Aus diesem wiederum, vgl. Hudson, wie ebenfalls ausführlich zitiert, dann der "Silberzinssatz", der sich notwendigerweise auf 20 % stellen musste, nachdem die Gewichtsparität Gerste/Silber zu Zwecken der Vereinfachung des Abgabensystems etabliert war.

Die Inka haben die Drittelung pro Abgabengut vorgenommen und sind nicht zum Metallgewicht vorgestoßen, obwohl sie Metall zur Verfügung hatten. Vielleicht hatte es (Gold!) auch nicht "gepasst", bzw. war als nicht-kurant (Inka-monopolisiert) dafür nicht zu nehmen (ähnlich Ägypten). Die im Nahen Osten haben zunächst nur das Basis-Lebensmittel genommen und danach auf dieses bezogene fest Preise (Gewichtsrelationen) festgelegt, wie wir aus Eshnunna usw. wissen.

Dass der "Zinssatz" aus der Abgabe stammt (die wiederum ein Macht-Derivat ist) und nicht aus irgendwelchen "Privatleihvorgängen" wie @Dimi nicht müde wird, zu behaupten (auf etwaige nachvollziehbare Beweise seinerseits warte ich noch immer) dürfte aufgrund des neuen Lichts, das jetzt aus einer ganz anderen Ecke der Welt auf die Sache geworfen wurde, m.E. nicht mehr ernsthaft bestritten werden.

>Peru's Ancient Bureaucrats Used Knotted-string Devices As Ledgers >Cambridge, Mass. - August 11, 2005 - Anthropologists at Harvard University have found evidence that ancient Inka accountants shared numbers across their sprawling bureaucratic hierarchy using khipu, aggregations of knotted strings that served to record information in the Andean empire. The finding sheds new light on the uses of khipu, used by Inkans in lieu of the two-dimensional writing favored by other ancient civilizations. >Mehr? > Peru's Ancient Bureaucrats Used Knotted-string Devices As Ledgers

Aus diesem Link wird leider wieder deutlich, dass sich der Harvard-mainstream, der solche "Zusammenfassungen" (noch dazu der Ergebnisse der Arbeit der eigenen Leute) fabuliert, nicht um den Kern der Sache kümmert - eben das 33er-Phänomen. Warum? Weil es den Leuten, denen es um (Macht- und Abgaben-)prae-existentes "freies Wirtschaften" geht, woraus sie ihre aktuelle, auf "privatem Eigentum" (lächerlich) basierende "marktwirtschaftliche" (völlig krause und falsche) Ideologie stricken, nicht in den Kram passt.

Und dass in Harvard die eine Hand (Inka-Forschung) nicht weiß, was die andere treibt (Mesopotamien-Forschung) und nicht von selbst auf das Drittel-Phänomen kommt, ist ein Skandal am Rande. Etwa so, als hätte man in Wall Street noch nie was vom Euribor gehört.

Der in Harvard so verhasste "Bureaucrat" (in allerschlimmster Form, nämlich als "Ancient Bureaucrat") ist nicht so was wie ein über die "freie" (lächerlich) Wirtschaft gekommenes Monstrum. Er ist Inbegriff des Machtvollzugs, von der Waffe nicht zu trennen (oder hat der Inka in sein Lama-Fall geheult, wenn er sein Drittel nicht bekriegt hat?). Die Waffe startet die Macht und diese alles Weitere; denn, wie es @Student so unübertrefflich formuliert hat: Sie zwingt uns ins Wirtschaften.

Harvard? Unredlich bis zum Abwinken! Dass sie in Harvard zu blöd sind, die paar Seiten ihrer eigenen Leute in Science zu lesen (Unraveling Khipu's Secrets, Science 2005, 309: 1008-1009) kann nicht ernsthaft behauptet werden.

Nochmals besten Dank + Gruß!