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Zu Eigentums-Debatte: Was war "pecunia" (röm. "Geld") wirklich?

Geschrieben von dottore am 08. August 2004 16:07:52


Hi,

von Prof. Richard E. Mitchell stammt eine Reihe hervorragender Arbeiten zur frühe römischen Geschichte, wobei ich mir erlaubt habe, seine Deutung des Pecunia-Problems herauszupicken.

Pecunia gilt allgemein als Wort für "Geld" und wird von pecus (Vieh) abgeleitet. Dabei wird der Bogen zu frühen römischen Münzbildern geschlagen (Aes Grave = "Schwergeld", wog bis zu 8oo g pro Stück,; hier schon diskutiert), was aber nicht so Recht einleuchtet, da auf diesen Münzbildern niemals "Nutzvieh" zu sehen ist, sondern alles Mögliche bis hin zu Ebern und Elefanten, auch Stiere sind darunter, aber eben keine "Milchkühe", um die es eigentlich hätte gehen müssen.

Das Wort "Vieh" (André hatte es schon geschrieben) lässt sich mit der fee (Gebühr) zusammenbringen, ähnlich auch scata (= Schatz, urspr. = Rindvieh). Bei "pecunia" fehlt nun irgendwie der "Geldbezug"; denn dass Vieh selbst (auch Hinweise auf das germanische "Viehgeld" waren hier zu lesen) als "Geld" gedient hätte, macht keinen Sinn (Standardisierung, zu große "Einheit", Unteilbarkeit usw.). Also wonach suchen wir?

Im römischen Recht (sog. "XII Tafeln", die Mitchell übrigens nicht als Einmal-Legislative, sondern als laufende Gesetzessetzungen betrachtet) haben wir zunächst zwei Arten des mobilen Eigentums: familia und pecunia.

Familia als abgeleitet vom oskischen "famel" ("Sklave") ist demnach bewegliches Eigentum an Menschen (daher auch der paterfamilias als mit unbeschränkten Rechten über die Seinen ausgestattet), pecunia an Vieh. Beides war als Eigentum unschwer kenntlich zu machen (Halsring, Brandzeichen, beides schon seit dem frühen Nahen Osten).

Wie kommen wir nun zum Pecunia=Geld-Konstrukt wenn wir Geld als Abgabenmittel voraussetzen?

Die verblüffend einfache Lösung: Die Römer hatten das jeweils von ihnen eroberte Land als "ager publicus" (öffentliches Eigentum; ager = Acker, Flur) abzüglich der Zuteilung an jene, die bei dessen Eroberung beteiligt waren deklariert, als klassisches Obereigentum, bzw. selbst nicht abgabenverpflichtetes Eigentum des "Staates", üblicherweise ein Drittel bis die Hälfte.

Das römische Grundmaß war das iugerum (interessanterweise auch "as" genannt, also Einheit, wie dann auch die Münzstücke "As" hießen, hier auch schon mal diskutiert - was mag bei beliebig teilbaren Substanzen wie Metall die "Einheit" sein?).

Ein iugerum war 1/4 Hektar und selbst bei der "großen Landverteilung" durch Romulus, bei der bekanntlich H/S ansetzen, um ihre Eigentums-, Zins- und Geldentstehung abzuleiten, wurden an jeden gerade mal zwei (2 !) iugera verteilt, womit sich natürlich keine Viehwirtschaft aufziehen lässt.

Das (und damit den nicht praktikablen Ansatz von H/S) bezeugt auch die Tatsache, dass die beiden iugera als heredium bezeichnet werden. H/S glauben damit ein wichtiges Kennzeichen des "privaten Eigentums" erwischt zu haben (heres = später der Erbe), aber noch Plinius d.Ä. (NH 19.4.50) übersetzt "heredium" mit Garten [!], von dem ein Einzelner kaum, seine Familie aber definitiv überhaupt nicht leben konnten, was übrigens schon dem Altmeister der römischen Geschichte, nämlich Theodor Mommsen im 19. Jh. aufgefallen war.

Ich hatte schon auf die mesopotamische Parallele hingewiesen, wo die Jesuiten, als frühe Kenner der Keilschrift, 1881 das "Naturrecht" auf Eigentum (siehe dazu auch die frühere Kontroverse mit Galiani hier) eine Tafel aus der Zeit des Herrscher Rim-Sin in Larsa (18. Jh. BC) so übersetzten:

"Ein Garten [!] und ein Haus, (werden) Besitz und Eigentum des Sini-Nana, (aus dem Erbe des) Ubar-Sin ... [Kaufpreis 3,5 Minen Silber; Mine = 60 Shekel à 8,4 g; also rd. ein Pfund Silber]..."

Woraus die Kirche ihre bis heute gültige (Letzt-)Position zum Thema Privateigentum an Land ableitete (vgl. Victor Cathrein S.J. 1889) und den schon erwähnten Leo XIII. (Davor gab's die Position des Thomas von Aquin, dass Eigentum etwas "Natürliches" sei, da die Kirche - als Gebäude - schließlich auf etwas stehen müsse, was ihr selbst gehört, siehe frühere Postings).

Ein Treppenwitz der Geschichte, dass die katholische Kirche, die Numismatiker und moderne property-Theoretiker auf eine Fehlinterpretation hereingefallen sind. Denn:

Pecunia ergab sich aus nichts anderem als der Tatsache, dass jeder Römer, der Viehwirtschaft betreiben wollte (und "Italia" galt für diese Zwecke als ideal), zur Nutzung des ager publicus eben Abgaben leisten mussten. Auch pecunia ("Viehgeld") ist demnach als Steuer in die Welt gekommen.

Die römische Geschichte entwickelte sich dann als permanenter Kampf der "patres" (Senatoren = Erstlandbesitzer) und dies bis zum Ende der Republik, wo die bekannte Bürgerkriege in großem Stil zu bestaunen sind (Triumvirate, Proskriptionen usw.).

Kriegsziel (vgl. Cornell 1988 in Cambridge Ancient History) "war stets die Erringung von Beute", Land und Sklaven: ein idealer Bewirtschaftungs-Kombi. Momigliano (ebendort) sprich von "Banden-Chefs (!) und ihren Gefolgsleuten, die Land als privates Eigentum nahmen und wieder verloren" - es zogen also "private armies" (Mitchell) noch und noch durchs Gelände.

Dies in der Zeit, da das römische System bereits "pecunia" kannte, aber eben noch nicht "moneta" - das geprägte Edelmetall.

Dies kam erst beim Kampf gegen Pyrrhus (um 275 BC) auf (so Plinius) und hatte wiederum seine Ursache in der Suche und dem Kauf von Söldnern zum Erhalt des mittlerweile schon ziemlich gestretchten Mini-Imperiums auf der italischen Halbinsel, womit man sich den guten alten Bräuchen von weiter östlich anschloss.

Damit scheint der schlüssige Beweis erbracht, dass:

- Pecunia überhaupt nichts mit den Aes-Grave oder Aes-Signatum-Darstellungen zu tun hat, der Schluss vom "Münzbild" auf "Geld" als "Tauschmittel" gänzlich irrig ist.

- Die kupfernen (aes = Kupfer) Stücke des frühen Roms nichts anderes waren als Metallabgaben (zur Waffenproduktion eines Expansionsvolkes - das sich als erste Veii am anderen Tiberufer unter den Nagel riss - wie überall sonst auch, vom "Beilgeld" bis hin zu den gewichtsstandardisierten Kupfer-Steuern der Hethiter usw.) und niemals so etwas wie kurrantes "Geld", wogegen schon das schiere Gewicht der Stücke spricht.

- Pecunia die Abgabe an den Eigentümer (ROMA) des ager publicus, um diesen viehwirtschaftlich nutzen zu können.

- Edelmetall-Münzungen, wie im Osten schon Jahrhunderte zuvor auch, keinen anderen Zweck hatten, als den, Hilfstruppen (Söldner) zu kaufen. Nach der Katastrophe von Cannae (216 BC) wurde sogar Gold [!] geprägt - ganz sicher nicht, um damit "einheimische" Soldaten zu rekrutieren (damals wurden sogar römische Sklaven bewaffnet). Auf den frühen Söldnereinkauf hatte übrigens schon Scullard verwiesen (The Etruscan Cities and Rome 1967, 238).

- Land als ex-ante- oder "naturrechtlicher" privater und vor allem abgabenfreier, aber seinerseits abgabenerzwingender (Bodenzins!) Standard hat nicht existiert. Es wurde nach Eroberungen bzw. Revolutionen verteilt oder umverteilt, wobei stets der Herrscher (Romulus, sonstige ruler, die berühmtem etrurischen Könige, die ihm folgten) die Verteilung vornahm, um seinerseits die Klientel zur Besicherung seiner Machtbasis an sich zu binden. Es bleibt dabei: "Royal property was .. the first truly private property" (Hudson, schon gepostet).

- Die prominentesten und kraft ihrer Privatarmeen dann stärksten "patres" (Aristokratie) okkupierten das Land als (nicht mehr abgabenverpflichtetes) Privateigentum, das dann in endlosen Kämpfen hin und her geschoben wurde, bis sich eine entsprechend starke Zentralinstanz ergab (Rom: Augustus), der dem Treiben durch Einrichtung eines permanentes Obereigentums (mit Abgabenverpflichtung) ein Ende bereitete, was allerdings nur mit Hilfe einer permanenten Militärdiktatur möglich war (IMP = imperator = Oberbefehlshaber).

Schönen Sonntag noch + Gruß!