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Real-Enzyklopädie (31): Gemeinschaftsaufgaben

Geschrieben von dottore am 12. August 2002 20:56:16


Guten Tag,

offenbar besteht seit dem letzten Beitrag zur Real-Enzyklopädie ein grundsätzlicher Dissens darüber, was "Gemeinschaft" ist und was demnach "gemeinschaftliche Aufgaben" sind und was nicht. Dieser Dissens kann rasch beseitigt werden.

In einer Familien- und/oder Sippen-, Stammesgesellschaft ist die Frage, was "Gemeinschaft" und deren Aufgaben sind, unschwer zu beantworten. Gemeinschaft ist der Stamm und gemeinschaftliche Aufgaben sind jene, die der Stamm usw. gemeinsam bewältigen muss. Dabei findet naturgemäß eine Arbeitsteilung Statt. Jeder (Mann, Frau, Greis, Kind) tut das, was er nach Kräften am besten kann.

Ein Nichtleisten im Rahmen der jeweils vorhandenen Fähigkeit findet praktisch nicht Statt, weil jeder ein Interesse daran hat, die alle betreffenden Aufgaben zu bewältigen. Sollten sich einige weigern, was kaum vorstellbar ist, da ihre Verweigerung letztlich sie selbst negativ treffen würde, käme es zu gemeinschaftlichen Sanktionen, wie Ächtung, Verachtung, notfalls Ausschluss aus der Gemeinschaft. Allerdings sind solche Vorgänge höchst selten und nicht wirklich relevant.

Ganz anders dagegen stellt sich die Lage dar, nachdem es zur Bildung von Privat-Eigentum gekommen ist. Privateigentümer haben eine völlig andere Interessenlage als Nicht-Eigentümer bzw. als Stammes- oder Familienmitglieder.

Ihre Interessen sind vollständig den Interessen anderer Privateigentümern gegenüber abgegrenzt.

Das "Eigen" steht jetzt im Vordergrund und nicht mehr die "Gemeinschaft". Niemand wird in eine Ecke seines Grundstücks seine leeren Bierdosen werfen, er wirft sie aber ohne jegliche Skrupel aus dem fahrenden Auto in einen "gemeinschaftlichen" Straßengraben. Dieses Phänomen muss nicht weiter erörtert werden.

Privateigentümer haben nur noch eines, das sie "gemeinschaftlich" eint: Nämlich eine Konstruktion zu finden, die ihnen ihr "Eigen" möglichst unangetastet lässt, garantiert und schützt. Dieses bezeichnen sie als "Gemeinschaftsaufgabe", wiewohl es keine solche ist, da Eigentum nur durch Nicht-Eigentümer, also durch solche, die nicht der "Gemeinschaft" der Eigentümer angehören, definierbar ist.

Während in einem Stamm alle Stammesmitglieder um ihr gemeinschaftliches Eigentum (Stammesgebiet) notfalls bis zum letzten Mann kämpfen, da sie genau wissen, dass mit dem Verlust des Stammesgebietes ihre eigene Lebensgrundlage verloren ginge, hat der Nicht-Eigentümer in einer Eigentümer-Gesellschaft, die er schließlich definiert und überhaupt erst ermöglicht, keinerlei Interesse daran, was mit dem Eigentum geschieht, das ihm ohnehin nicht zu "eigen" ist.

Weshalb sich zum Beispiel aktuell nirgends auf der Welt irgend jemand für die Privateigentümer in Simbabwe einsetzt (außer den üblichen Dreschern hohler Phasen), um das private Eigentum der Farmer als deren Eigentum zu erhalten.

Somit erleben wir das interessante Phänomen, dass etwas als "Gemeinschaftsaufgabe" bezeichnet und - durch entsprechende Gesetze unterfüttert - durchgesetzt wird, was mit Gemeinschaft nicht das Mindeste zu tun hat, nämlich die Sicherung von Privateigentum, das definitionsgemäß nicht alle gleichermaßen haben können, da es sonst kein "privates" Eigentum wäre, sondern etwas, das ohnehin jeder hat, wie z.B. seine Nase.

Besicherung, Erhalt und Nutzung von Privateigentum wird damit logischerweise ideologisiert, wobei jene, die nicht über solches verfügen (Alltägliches wie Zahnbürsten o.ä. ausgenommen), in das gesamte Konstrukt eingebunden werden müssen. Die Ideologisierung von Privateigentum ist eine jener historischen Übungen, auf welche der meiste Scharfsinn und die meiste Kraft aufgewendet wurde.

Das reicht von der "potestas" des römischen "pater familias" über das "Lehensrecht" und das "Gottesgnadentum" bis hin, zu den zahlreichen Konstrukten, die "liberale" Ökonomen zu errichten nicht müde wurden und werden.

Die ganze Mühe hätte man sich von vorneherein sparen können, da die ökonomischen Vorteile einer Eigentümergesellschaft unschwer aufzuzeigen sind:

Eigentum führt zur Belastbarkeit desselben, konkret: zu Vorgriffen aus dessen Erträgen, damit Erfüllungs- und Leistungsdruck, zumal diese Vorgriffe über kurz oder lang zinsbewehrt wurden und heute durchgehend sind.

Kein Wirtschafts-"System" steht stärker unter Leistungsdruck als eine Privateigentümergesellschaft, was ohne weiteres aus ihren sensationellen wirtschaftlichen Erfolgen abzulesen ist.

Gunnar Heinsohn hatte zu Recht das Beispiel der beiden völlig zerstörten Städte Dresden und Hiroshima gebracht:

Das unter dem sozialistischen System (= Nicht- oder Kaum-Eigentümer-Gesellschaft) dahin vegetierende Dresden im Vergleich zu der unter dem kapitalistischen System (= Eigentümer-Gesellschaft) prosperierenden und blühenden Metropole Hiroshima.

In der Privateigentümer-Gesellschaft können die Nichteigentümer mit der Aussicht auf jenes "Wachstum" der Wirtschaft abgespeist werden, das sich automatisch ergeben muss, und an dem sie je nach "Wirtschaftssystem" anteilig beteiligt sind: in sogenannten "freien" Wirtschaftssystemen logischerweise am meisten.

Der Nicht-Eigentümer genießt also die Segnungen (anteilig, je nach gewähltem Verteilungsmodell) der Eigentümer-Gesellschaft und gewinnt dadurch die Überzeugung, dass alles, was die Eigentümergesellschaft sichert und somit auf dem Wege über den bekannten Schulden- und Leistungsdruck vorwärts treibt, eine "Gemeinschaftsaufgabe" sei.

Dies ist allerdings leider eine Illusion, die mit Zeitablauf automatisch endet. Sie platzt spätestens dann, wenn die Eigentümergesellschaft ihre Vorgriffe auf das nur mit Hilfe von Eigentum (Kapital) erstellbare zusätzliche BIP-Versprechen nicht mehr erfüllen kann, weil die realwirtschaftliche Erfüllung der Versprechen, um die allein es geht (= Steigerung des Lebensstandards) nicht mehr möglich ist, da sich wiederum die Erstellung zusätzlichen BIPs nur noch in Form weiterer und noch höherer, noch später zu erfüllender Leistungsversprechen (= Hochbuchen) erschöpft und letztlich tot läuft.

Über die bekannten Folgen von Hochbuchungssystemen hatte ich bereits ausführlichst geschrieben, wobei vor allem an die Verwechslung von versprochenem und geleisteten BIP erinnert werden darf sowie an die Tatsache, dass mit der Hochbuchung automatisch Leistungen ("Zinseinkünfte") simuliert werden, denen keinerlei reales BIP gegenüber steht, so dass die Zinsen selbst (als in Geld ausgedrückt) nicht real abzufordern sind, was zu weiterer Hochbuchung führt.

Es ist demnach ganz und gar unzulässig, Phänomene von Stammeswirtschaften ("Gemeinschaftsaufgaben") in arbeitsteilige Geldwirtschaften, die letztlich auf die Teilung in Kapital (Eigentum) und Nicht-Kapital (Nicht-Eigentum außer von sich selbst) zu transponieren.

Dort haben sie absolut nichts zu suchen und entsprechende Erwartungen auf "Erträgnisse" aus Gemeinschaftsaufgaben können darob nur enttäuscht werden.

Diese Enttäuschung tritt nach den Regeln der Finanzmathematik zwangsläufig ein, da die Versprechen auf BIP immer schneller und weiter enteilen als jemals BIP selbst als über Märkte realisiert erstellt werden kann.

In den sog. "modernen" Demokratien, die sich als Konkurrenz von Hochbuchungsparteien entpuppen, die ihre Hochbuchungen nur möglichst geschickt zu tarnen wissen (siehe aktuelle "Politik"-Vorschläge der deutschen Regierung und der deutschen Opposition) trifft diese Enttäuschung umso heftiger ein, je länger diese "Demokratien" andauern.

Der Bürger wird nach einer Zeit des Hin- und Herschwanken zwischen Regierung und Opposition (man denke an die sich ruckartig verändernden Verhalten des Elektorats, wie gerade in Frankreich) des immer gleichen Spiels müde ("Politikverdrossenheit").

Nachdem er bemerkt hat, dass es auf Dauer absolut egal ist, ob er die Regierung belässt oder sie ändert, wird er nicht etwas nach einer anderen oder gar "neuen" Partei verlangen (Berlusconis Forza), sondern nach einem anderen System.

Da ihm dies nicht angeboten wird, geht es also um die wirklich interessante Frage, was die Massen unternehmen werden, sobald ihnen, z.B. in einer Großen (und logischerweise durch nichts an Herkömmlichen mehr heilbaren) Krise unternehmen werden.

Die Zeit, in der wir leben, ist ungemein interessant.

Denn es ist das erste Mal in der Geschichte, dass alles, was als "Alternative" dienen könnte, bereits als Alternative gedient - und ebenfalls abgewirtschaftet - hat.

Mit besten und optimistischen Grüßen weiterhin!