Noch einer, - betreff Auswandern (eine sehr persönliche Sichtweise)

helmut-1 @, Siebenbürgen, Sonntag, 26.08.2018, 20:56 vor 2071 Tagen 6871 Views

bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 26.08.2018, 21:00

Hab das zwar schon in einem anderen Forum geschrieben, diesen Artikel, aber ich weiß, dass auch hier einige Leser/Kommentatoren dabei sind, die auch ausgewandert sind. Schadet deshalb nichts, das auch hier zu bringen.

Auufhänger war der Artikel von Frau Herman, deren Ansichten ich schon irgendwie schätze, und deren Äußerungen mich zum Nachdenken gebracht haben.

https://www.eva-herman.net/auswandern-verrat-an-der-heimat/

Denke, man sollte diesen Artikel erst lesen, um meine Ansichten zu verstehen. Denn danach habe ich meine Meinung dazu verfasst:

Auswandern – Verrat an der Heimat?

Eine gute Frage. Das zu analysieren, da muss man schon tiefer ansetzen. Es stellt sich erstmal die Frage, was man unter dem Begriff Heimat versteht, - da gibt es unterschiedliche Interpretationen darüber.

Ich persönlich definiere den Begriff Heimat folgendermaßen:
Fälschlicherweise setzen viele den Begriff „Heimat“ gleich mit dem Begriff „Zuhause“. Das ist falsch. Zuhause kann ich an vielen Orten der Welt sein, kann mich dort mit Freunden und Bekannten wohlfühlen, ich kann Gefallen an der Gegend finden, und noch so manches mehr. Heimat aber hat man nur eine.

Heimat erwirbt man in der Regel nur durch einen eindeutigen Vorgang, nämlich durch die Geburt. In seltenen Fällen kann man die Heimat auch durch Heirat erwerben, aber das ist schon die Ausnahme.

Wie erwirbt man aber eine andere, eine neue Heimat, wenn man sich mit der alten Heimat nicht mehr identifiziert oder sie verloren hat? Früher gabs die Möglichkeit durch Feuer und Schwert, also durch Eroberungen. Das ist Gottseidank vorbei. An diese Stelle ist aber etwas anderes getreten: Das persönliche Engagement. Ich kann mir diese neue Heimat dadurch erwerben, indem ich mich für dieses Land/seine Menschen/seine Kultur/seine Interessen in einer Intensität engagiere, bis mich dieses Land als einen Teil seiner selbst anerkennt.

Sowas kann viele Jahre dauern, auch Jahrzehnte. Letztlich aber führt es zur entscheidenden Frage, die ich immer wieder vielen Leuten gestellt habe, die aus anderen Ländern nach Österreich oder Deutschland gekommen sind. Oftmals habe ich gefragt, wie es ihnen so gefällt, - und die Antwort war meistens ähnlich: Ja, es ist schön, wir haben alles, was wir brauchen, alles ist so sauber, die Leute sind nett, usw.

Aber dann kommt meine spontane Frage, die diese Einwanderer oft unvorbereitet trifft: „Willst Du auch hier begraben werden?“ . Da zögern viele mit der Antwort, - viele weichen dann aus, oder wissen keine Antwort darauf. Für mich ist das aber ein eindeutiger Indikator. Dort, wo ich auch begraben werden will, habe ich meine Heimat. Entweder meine angestammte, oder eine neue Heimat, mit der ich mich identifizieren kann.

Man bekommt keine „neue Heimat“, indem man jemanden die dazugehörige Staatsbürgerschaft überstülpt. Dadurch wird sich niemand mit dieser neuen Heimat identifizieren, - das beste aktuellste Beispiel war der Fall Özil.

Was viele außer acht lassen, ist die Problematik des Verlustes der Heimat. Nur derjenige, der seiner Heimat den Rücken gekehrt hat, kennt den Spruch: Die Heimat ist mir fremd geworden, aber die Fremde ist mir nicht zur Heimat geworden. Dabei hat kurioserweise derjenige, der seine Heimat verlassen musste (z.B. Krieg, Vertreibung, etc.) noch eine bessere Ausgangssituation als derjenige, der sie freiwillig verlassen hat.

Der Vertriebene kann und wird immer sagen, - ich wäre ja heute noch in meiner Heimat, wenn man nicht vertrieben hätte. Derjenige, der die Heimat aus eigenem Antrieb verlassen hat, kann immer nur sich selbst die Schuld dafür geben. Viele zerbrechen auch an dieser Schuld. Aus naheliegenden Gründen und aufgrund meiner damaligen Kontakte zu Vertriebenen in Deutschland kenne ich viele Einzelschicksale der Deutschstämmigen aus Siebenbürgen. Die Selbstmordrate dieser Leute, die nach Deutschland ausgewandert sind, ist und bleibt ein Tabuthema, über das man nicht spricht......

Nun aber zur Gegenüberstellung des Titels „Auswandern – Verrat an der Heimat?“. Natürlich kann ich das nur aus meiner persönlichen Sicht bewerten; aber es ist als Betroffener sehr schwer, hier über den berühmten Tellerrand drüber zu sehen.

Ich bin eigentlich zweimal ausgewandert. Als gebürtiger Wiener verbrachte ich die ersten zwei Jahrzehnte meines Lebens in meiner Vaterstadt, absolvierte den Militärdienst und erkundete „die Welt“. Genauer gesagt, überwiegend Skandinavien. Dann blieb ich in Deutschland hängen, machte in Stuttgart-Hohenheim in meinem Beruf meinen Abschluss und lernte in dieser Zeit meine erste Frau kennen. Heirat und zwei Kinder folgten danach. Aus verschiedenen Gründen, auf die ich hier nicht eingehen will, trennten wir uns, nachdem die Kinder groß waren und Abitur sowie Lehre abgeschlossen hatten.

Später lernte ich meine jetzige Frau kennen, eine Rumänin, auf einem Besuch in Siebenbürgen. Nach dem Fall des Kommunismus zog sie zu mir nach Deutschland, wo unser Jüngster geboren wurde. Danach stellten wir uns die Frage, was wir in Zukunft weiter realisieren wollten. Sie als Rumänin genauso wie ich als Österreicher in der Fremde, sollten wir bleiben oder weggehen, - aufgrund eines Rates eines mir bekannten Volksschuldirektors in Deutschland fiel die Wahl auf Siebenbürgen.

Der Direktor meinte, - wenn ich was Optimales für unser Kind erreichen will, dann sollte ich mir eine deutsche Auslandsschule suchen. Die Strukturen waren in der Heimatstadt meiner Frau noch vorhanden, und so wurde das in die Tat umgesetzt. Die Erwartungen, besonders was unseren gemeinsamen Sohn betrifft, sind übrigens zur Gänze aufgegangen. Soviel zum Werdegang.

Die Frage steht im Raum, wie man sich als jemand, der die Heimat hinter sich gelassen hat, fühlt. Als ich von Wien weggegangen bin, faszinierte mich die in Deutschland übliche Praxis, jemanden nur nach der Leistung zu beurteilen und diese auch so zu vergüten. Es spielte keine Rolle, ob man groß oder klein, dick oder dünn war, auch die in Österreich damals noch übliche Mentialität des „Herrn Hofrates“ kannte man in der neuen Umgebung nicht.

Dazu waren die 70er Jahre die legendäre Aufbruchsstimmung in Europa, man verdiente sein Geld mit beiden Händen, - oftmals mehr, als man ausgeben konnte. Klar fuhr man am Anfang noch zum gewohnten Frisör nach Wien, um die Haare zu schneiden, - aber die Besuche in der Heimatstadt wurden mit der Zeit weniger. Man lebte sich ein, es ging nicht nur mir so, sondern auch meinen Kommilitonen aus Wien, die so wie ich in Deutschland lebten. Die familiäre Bindung bewirkte noch ein Zusätzliches, - dazu kam die Einbindung in Vereinen, mein Engagement in der Jugendarbeit, etc.

Allerdings kam dann mit der Zeit ein seltsames Gefühl auf, wenn man dann doch wieder heimgefahren ist, gewissermaßen auf Besuch. Man ging durch Straßen, in denen man als Kind gespielt hat, und kommt sich fremd vor. Dort, wo man früher die Milch gekauft hat, ist nun ein PC-Laden, - wo der Schuster war, ist ein Sex-Shop, der Laden vom Frisör ist geschlossen, usw.

Es machte sich ein seltsames Gefühl der Wehmut breit, - man fühlte, dass man in der Stadt, in der man geboren wurde, plötzlich fremd ist. Natürlich hatte man einen kleinen Ersatz in den Menschen gefunden, mit denen man in Deutschland verbunden war, - aber es blieb ein Defizit. Das bestand hauptsächlich darin, dass ich zum Land, zum Boden, zur sprichwörtlichen Scholle nie einen Bezug aufbauen konnte.

Ich erinnere mich noch gut daran, als wir dann begannen, den Umzug von Deutschland nach Rumänien vorzubereiten. Auch hier war viel Wehmut spürbar, - aber in erster Linie, was den Abschied von den vielen Freunden und Bekannten betraf, die man in diesen drei Jahrzehnten gewohnt war. Klar wurden da auch mal die Augen feucht, - aber immer nur, was die Menschen betrifft, - das Land selbst stellte für mich kaum was dar.

Anders ging es mir in Siebenbürgen. Nicht nur, dass ich schon lange vor dem endgültigen Umzug eine seltsame Art der Affinität spürte, die ich mir nicht erklären konnte, - das Land und die Leute sprachen mich einfach an. Es kam mir vor, - sofern man an die Reinkarnation glaubt – dass ich in früherer Zeit schon mal hier gelebt hätte. Klar war die Sprache anfangs eine Barriere, - aber durch das Latein damals auf dem Gymnasium kam ich schnell hinein.

Oftmals habe ich mich gefragt, was mich eigentlich an diesem Land so fasziniert. Eine mögliche Erkärung wäre, dass man in diesem Land kaum etwas Lauwarmes bemerkt. Entweder ist es heiß oder kalt. Genauso war mein bisheriges Leben. Entweder war ich oben oder unten, - in der Mitte nur selten.

Nach nunmehr 15 Jahren in diesem Land stellte ich mir natürlich auch die Frage, die ich in Deutschland anderen gestellt habe, - nach der letzten Ruhestätte. Ja, ich möchte auch hier begraben werden, ich fühle mich hier daheim. Ob mich irgendwann das Land als zugehörig akzeptiert hat, wird sich dann herausstellen, wenn ich von dieser Welt abtrete. Die Leute, mit denen ich Umgang habe, die Nachbarn, etc. – haben mich schon lange als einer der ihren akzeptiert. Als Musiker singe ich auch einige rumänische Lieder. Jemand meinte dann, - er hätte schon so manchen Ausländer rumänisch singen gehört, aber bis jetzt noch niemanden, der so wie ich mit „rumänischer Seele“ singt.

Was dafür verantwortlich war, - ich weiß es nicht so ganz. Fest steht, dass ich mich hier freier fühle, als es in Deutschland der Fall war. Die Meinungsfreiheit- gerade politischer Art – ist hier noch vorhanden, die Reglementierung durch Brüssel bemerkt man nur am Rande, wenn sie nicht ohnehin ignoriert wird. Hier schlachte ich noch mein Schwein selbst in unserm Hof, ich hole mir die unbehandelte Milch direkt vom Bauern, ich brenne meinen eigenen Schnaps, verwende nach wie vor meine Glühbirnen auch im 100 und 150W Bereich, ohne mich mit Quecksilber vergiften zu müssen. Alles Dinge, die in Deutschland nicht mehr möglich sind.

Was aber wesentlich ist, - hier in der Diaspora gilt das Deutschtum noch etwas. Es ist zwar auch eine Verpflichtung, - weil man von einem Deutschstämmigen eine höhere und qualitativ bessere Leistung erwartet, - aber man lebt das Deutschtum wesentlich bewusster als in Deutschland. Eine Interpretation in der Art, - „ja, ich bin Deutscher, aber ich kann nichts dafür“, ist hier fremd. Dazu kommt die Erkenntnis, dass man als Österreicher, als Deutscher, als Schweizer und natürlich als deutschstämmiger Siebenbürger klar definierbare Gemeinsamkeiten hat. Diese haben hier eine nachvollziehbare Bedeutung, und man realisiert die Bedeutung des 3. Oktober genauso wie des 26. Oktober, - obwohl das eine offiziell nur Deutschland und das andere Österreich betrifft.

In der letzten Zeit kommt natürlich auch die Immigrationspolitik als Argument zum Tragen. Zumindest für viele, die aus Deutschland oder Österreich hier in Siebenbürgen Anwesen kaufen und sich hier niederlassen. Die meisten haben keinerlei Wurzeln in diesem Land, - aber den gemeinsamen Wunsch, ihre Rente und ihren Lebensabend hier zu verbringen. Sie finden es als befreiend, wenn es hier keine Moscheen und keine Kopftücher gibt. Dazu ist die Kriminalität gerade hier in der Provinz auf dem untersten Level, - was bewirkt, dass man auch nachts ohne Angst alleine durch die Straßen gehen kann, auch als Frau.

Nun zur Überschrift, - ob es ein Verrat an der Heimat ist, wenn man auswandert. Es wäre ein Verrat, wenn es starke Kräfte geben würde, die sich gegen die Vorgabe von oben stellen würden. Tatsache aber ist, dass die Pfarrerstochter im Vergleich zu den anderen Parteien immer noch die meisten Stimmen bei der Wahl bekommt, - und genau das erinnert an 1933. Die zunehmende Beschneidung der Meinungsfreiheit und Verunglimpfung von Andersdenkenden mit Worten wie „braunes Gesocks“ etc., nur einfach deshalb, weil sie mit der Regierungsrichtung nicht einverstanden sind, das gibt zu denken.

Es ist dasselbe Denken wie in der Nazi-Diktatur, nur andersrum. Aber es ist eine gefährliche Richtung, die da eingeschlagen wird. Das Problem dabei ist, dass nur wenige des Kaisers neue Kleider erkennen und danach handeln. Dem stellt man gerade als Familienvater gegenüber, was man denn als optimale Ausgangsbasis für die Zukunft der Familie bieten kann. Es sind sicher noch viel mehr Überlegungen, die jemanden zur Auswanderung bewegen, - aber in dieser Richtung findet man die überwiegenden Argumente.

Schließlich gibt es einen Gebetsspruch von Franz von Assisi, der auch bei uns im Esszimmer hängt, der da lautet:

„Herr, gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und gib mir die Weisheit, zwischen diesen beiden Dingen zu unterscheiden.“

Vielleicht noch zu einer abschließenden Überlegung, - nämlich zu der Frage, ob ich dasselbe nochmal machen würde, wenn ich die Wahl hätte, - nämlich nach Rumänien zu übersiedeln. Die Antwort ist für mich klar: Ja, ich würde es wieder tun, nur würde ich in Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten vieles anders machen. Aber ich denke, das geht jedem so, der mal ausgewandert ist.

Unser Weggang.

WhiteEagle @, Sonntag, 26.08.2018, 21:45 vor 2071 Tagen @ helmut-1 5513 Views

Tja,
wo fange ich an.

Wir planen ja nun schon einige Zeit unser auswandern. Das Ganze ist über einige Jahre gereift. Wir fühlten uns immer weniger daheim in Deutschland.

Wir sind einmal zu einem Elternabend beim Griechen um die Ecke gegangen und habe einen Babysitter geholt, damit wir beide hingehen konnten. Wir saßen dort mitten in der Gruppe wie Pik 7 für eine gute Stunde.

Am Kindergarten änderte sich langsam alles. Und ich war dort 4 Jahre im Vorstand um ihn zu retten. Fast 2 Jahre mussten wir uns jede Woche treffen, um das wieder zu richten. Es wurde einfach alles um uns herum anders und fremd.

Die Absurditäten in meiner Arbeit, vor allem der Vergütung, wurden immer unerträglicher. Ein Hausbesuch für 22 Euro durch einen Arzt wird budgetiert (durfte 3 pro Monat machen, insgesamt für alle Patienten). Dann wurde das reduziert auf 2,20 Euro ab etwa dem 10. Besuch. Aber der Krankenwagen für 470 Euro wird anstandslos bezahlt. Da kam die Krankenversicherug ins Krankenhaus, um zu erklären, daß ausnahmslos ALLE Transportscheine zu unterschreiben seien, das wären "Peanuts". Tja, da ich Notarzt war, kenne ich beide Seiten.

Dann das entfremden in der Schule. Wir lebten in einer "Stadt" mit 4000 Einwohnern. Und in 2015 musste dann eine Schülerin unbedingt im Burkini kommen. In der 3. Klasse! Es gab so viele Situationen für uns, wo wir merkten, daß wir hier nicht mehr zu Hause sind.
Dann kamen etliche Situationen, in denen wir immer mehr merkten: zu viele stehen voll dahinter und heften sich dafür insgeheim noch die weiße Rose ans Revers. Wenn Sie im BamF Pässe verschwinden ließen.

Eines Morgens kam im Lokalradio bei uns ein Bericht aus Herford. Da sagte der dortige Bürgermeister wortwörtlich:
Wem diese Politik nicht passt, dem steht es frei zu gehen. Dies gehört nun mal zu Deutschland.

" Wir guckten uns nur an und wussten: Jetzt wird es Zeit für uns.

Ich habe einen Gutteil meiner Kindheit in Kanada verbracht. Daher kam der englischsprachige Bereich zum tragen. Ich hatte auch ein tolles Angebot aus der Schweiz eine Praxis dort zu übernehmen. Der Verdienst war mehr als spitze. Aber, wenn man dort ist, ist man Schweizer, oder eben nicht. Soviel zu Deinem Heimatgefühl. Das kam für uns nicht in Frage. Geld ist nicht alles.

Da haben wir uns für Neuseeland entschlossen. Aus vielerlei Gründen ging es aber zunächst nach England. Um zu sehen, ob das für uns überhaupt geht, mit den Kindern, finanziell etc. Uns gefällt es hier sehr gut. Wir wissen aber, daß wir hier in einer kleinen Insel der Glückseligen im Land sind. Und hier wohnen zu bleiben, können wir uns leider nicht leisten.

Also, geht es nun wie ursprünglich geplant nach Neuseeland. Da ich einen Gutteil meiner Kindheit in Kanada verbracht habe, kommt mir das heimatlich vor. Zudem ist es in NZ nicht so amerikanisch wie in Kanada. Kommt es mir wie Verrat vor? Nein. Ich bin die Minderheit geworden und kann meine Mindermeinung nicht einmal vertreten. Ich kann nichts verteidigen, wenn es gar nichts zu verteidigen mehr gibt und ich dafür noch für verrückt erklärt werde. Mich stimmt traurig, daß ich es mittlerweile so sehe. Vor 5 Jahren hätte ich dies nie so gesehen.

Wir werden alles tun, um dort unten eine neue Heimat zu finden. Zumindest für unsere 3 Kinder. Für uns wird es schwierig sein. Aber das, was wir als Heimat vermissen werden, gibt es jetzt schon kaum noch. Vielleicht wird es dadurch einfacher. Wir haben Angst davor, wie unsere Kinder in Deutschland aufwachsen könnten.

Übrigens, ein Freund von mir ist aus Mexiko. Sein Großvater ist dorthin ausgewandert. Wir trafen uns neulich und er weinte, weil Er nicht verstehen konnte, wie die Deutschen sich selbst so verraten können. Er war immer ein sehr stolzer Deutscher. Ich konnte es im beim besten Willen auch nicht erklären.

Entschuldige die lange Antwort.
Aufgrund Deines Berichts wollte ich auch versuchen, es irgendwie in Worte zu fassen, und es hätten noch viel mehr Erklärungen sein können.

Vielen Dank für Deine ausführliche Erklärung!!
Ich kann Dich sehr gut verstehen.

Ich weiß nicht, ob Du das noch kennst. Aber mein Ältester wird einmal unseren "Hausnamen" tragen. Seit dem 14. Jahrhundert war unser Familienstamm im Kreis Höxter. Mein Bruder trägt ihn derzeit, hat aber keine Söhne. Er ist äußerst froh, daß wir gehen und den "Stamm" mitnehmen. Und auch mein Vater war froh, daß wir gehen.

Übrigens, in Deutschland möchte ich nicht mehr beerdigt werden.

Gruß
WE

Danke für das interessante Statement

helmut-1 @, Siebenbürgen, Sonntag, 26.08.2018, 22:09 vor 2071 Tagen @ WhiteEagle 4372 Views

Kann jedes Wort nachvollziehen.

Mit den besten Wünschen für die Zukunft!

Helmut

Vielen Dank! (oT)

WhiteEagle @, Sonntag, 26.08.2018, 23:01 vor 2070 Tagen @ helmut-1 3436 Views

- kein Text -

Schöner Text, kannst du noch ein paar Sätze zur Zeit in der EAE schreiben?

Silke, Dienstag, 28.08.2018, 17:58 vor 2069 Tagen @ WhiteEagle 2710 Views

Lieber WhiteEagel,

unser Gesundheitssystem macht krank und man muss sich schon sehr speziell positionieren um sich nicht verheizten zu lassen.
Unsere Kindergärten und Schulen sind strukturell bis auf wenige Ausnahmen so, dass ich keine Kinder mehr hin drängen werde.
Da nutzt das Engagement Weniger oder Einiger auch nicht.
Für das Auswandern erleben wir uns noch als zu verwurzelt. Da wir auch einige Jahre im nichtdeutschsprachigen Ausland gelebt haben werden wir das wegen der gewinnbringenden Zeit immer weiter in der Familie thematisieren.
Kannst du noch ein paar Sätze zur Zeit in der EAE schreiben?
Der Umgang mit den Flüchtlingen verläuft hier nicht so angespannt (wir spielen mit den Kindern und sprechen mit den Eltern) kostet aber natürlich genauso richtig viel Geld wie landesweit auch.
Auch hier sind viele Leute stinkesauer und berichten von Fehlleistungen auf beiden Seiten, genervt von "unnötigen" medizinischen Einsätzen, frustrierenden Intergrationsversuchen und hinterhergeworfenem Geld, von Respektlosigkeit, Disziplinlosigkeit und von Undankbarkeit.
Ich wünsche euch eine spannende Zeit und würde mich freuen, wenn du weiter und mehr berichtest.
Ich schätze die Postings zu persönlichen Erfahrungen von allen Foristen sehr, sehr hoch, da ich trotz teils unterschiedlicher Sicht auf die Dinge (die doch jeder haben kann) das Bemühen um den informellen Wert sehr mag während die MSM nur noch nerven.

Liebe Grüße
Silke

PS.

Entschuldige die lange Antwort.

Schade, dass du denkst, dich für gute Texte entschuldigen zu müssen. Die könnten von mir aus gerne länger sein.

Aufgrund Deines Berichts wollte ich auch versuchen, es irgendwie in Worte
zu fassen, und es hätten noch viel mehr Erklärungen sein können.

Vielleich werden es ja noch ein paar mehr Erklärungen.

Und auch mein Vater war froh, daß wir gehen.

Das kann ich gut verstehen, aber ich werde mitgehen wenn es soweit ist.

Übrigens, in Deutschland möchte ich nicht mehr beerdigt werden.

Das wäre mir egal. Ich habe sowieso testamentarisch festgelegt, dass es das preiswerteste Begräbnis werden soll, das (wo auch immer) zu bekommen ist, und dass es anonym wird. Ich will in den Herzen behalten werden. Dafür braucht es diesen ganzen Aufwand nicht.

Resident visa skilled migrant - Heute bestätigt. Mehr zur EAE

WhiteEagle @, Dienstag, 18.09.2018, 21:38 vor 2048 Tagen @ Silke 2385 Views

Hallo Silke,

Habe heute die Email aus Neuseeland erhalte, daß wir das Visum erhalten haben.
Super Nachricht!

Zu meinen Erfahrungen in der EAE:
Das hat sich so ergeben, da ich örtlich am nächsten lag. Also habe ich mich gemeldet, und wurde auch genommen. Wollte auch wissen, wie es wirklich ist. Wir waren eine Einrichtung für knapp 200 Flüchtlinge und bekamen jede Woche einen Bus mit 50 Flüchtlingen direkt aus Köln. Die ersten 6 Wochen bis November "ungefiltert". Danach wurden NAFRI und ähnliche nur noch in bestimmte Einrichtungen gebracht, meist Kasernen.

Wir haben die Ausstellung der Papiere erledigt. Ich habe dafür die Eingangsuntersuchungen und Impfungen gemacht. Außerdem die Tuberkulosetests bei kleinen Kindern. Alle anderen wurden geröntgt.
Wenn ich gewusst hätte, wie unglaublich gut der Verdienst ist, hätte ich mich woanders auch gemeldet. Das war der Tatsache der hohen Zahl und Erstattung je Impfung und Untersuchung geschuldet.

Es waren, positiv geschätzt, etwa 1/3 echte Flüchtlinge dabei. Eher weniger, und es wurden immer weniger. Dabei waren einige, die ich direkt nach Hause eingeladen hätte. Die anderen 2/3 waren das leider nicht. Die kamen nur aus pekuniären Gründen. Wir haben Dinge erlebt: Ein 13 jähriges Mädchen wurde von ihrer Mutter verkauft. Da wir keine Personalien hatten... Nichts zu machen. Und viele andere Dinge. Von den Mitarbeitern dort hat man auch viel gehört.

Mir war schnell klar, daß das ganze in den Zahlen unmöglich gut werden kann.
Das 1/3 kann die anderen 2/3 unmöglich aufwiegen.
Und es wurden mit der Zeit auch mehr von den Letzteren. Auch immer mehr mit immer größeren Kopftüchern bei den Frauen. Und sehr viele Junge Männer mit keiner Bildung. Und das bei "Filterung" der aussichtslosen Fälle.

Wir sind froh, den Schritt gemacht zu haben. Mehr wegen der furchtbaren Arbeitsbedingungen für mich als Hausarzt in meiner KV. Aber auch wegen der Ges mtsituation in Deutschland.

Liebe Grüße

WE

Gratulation und danke für das sachliche Posting.

Silke, Donnerstag, 20.09.2018, 18:58 vor 2046 Tagen @ WhiteEagle 2024 Views

Lieber WhiteEagle,


Habe heute die Email aus Neuseeland erhalte, daß wir das Visum erhalten
haben.
Super Nachricht!

Gratulation.
Bekannte waren dort mit mehreren Kindern ein Jahr lang, 1/2 Jahr arbeiten, 1/2 Jahr herumreisen - sie hatten dieses Leuchten in den Augen...

Zu meinen Erfahrungen in der EAE:
Das hat sich so ergeben, da ich örtlich am nächsten lag. Also habe ich
mich gemeldet, und wurde auch genommen. Wollte auch wissen, wie es wirklich
ist.

Jetzt weißt du es und ihr habt, wenn man deine Berichten liest, scheinbar eine kluge Entscheidung getroffen.

Wir waren eine Einrichtung für knapp 200 Flüchtlinge und bekamen
jede Woche einen Bus mit 50 Flüchtlingen direkt aus Köln. Die ersten 6
Wochen bis November "ungefiltert". Danach wurden NAFRI und ähnliche nur
noch in bestimmte Einrichtungen gebracht, meist Kasernen.
Wir haben die Ausstellung der Papiere erledigt. Ich habe dafür die
Eingangsuntersuchungen und Impfungen gemacht. Außerdem die
Tuberkulosetests bei kleinen Kindern. Alle anderen wurden geröntgt.
Wenn ich gewusst hätte, wie unglaublich gut der Verdienst ist, hätte ich
mich woanders auch gemeldet. Das war der Tatsache der hohen Zahl und
Erstattung je Impfung und Untersuchung geschuldet.

Die Impfungen sind so profitabel, weil du nicht aufklären musst.
Die Untersuchungen kann man kürzer halten als bei anderer Klientel.

Es waren, positiv geschätzt, etwa 1/3 echte Flüchtlinge dabei.
Eher
weniger, und es wurden immer weniger. Dabei waren einige, die ich direkt
nach Hause eingeladen hätte.

Ich auch.
Die, um die wir uns hier kümmern werden niemanden abstechen. Es gibt aber viel zuviel Gewaltpotential aus vielen Richtungen.

Die anderen 2/3 waren das leider nicht.

Ich weiß, aber es sind zuerst Menschen von denen viele arbeiten würden und erst danach Migranten.

Die
kamen nur aus pekuniären Gründen.

Das geht sehr vielen Autochtonen notgedrungen auch so.
Der Druck zu Effizienzsteigerung und Absenkung des Lebensstandards ist enorm.
Alle rödeln immer mehr und immer schneller.

Wir haben Dinge erlebt: Ein 13
jähriges Mädchen wurde von ihrer Mutter verkauft. Da wir keine
Personalien hatten... Nichts zu machen. Und viele andere Dinge. Von den
Mitarbeitern dort hat man auch viel gehört.

Ja. Es passieren schlimme Sachen wie auch in anderen Einrichtungen.

Mir war schnell klar, daß das ganze in den Zahlen unmöglich gut werden
kann.

Das ist wohl auch nicht Sinn der Sache, dass es gut werden kann.
Ein aussterbendes Land geht auch nicht gut bei zunehmendem Neuverschuldungsdruck und Bedarf von verschuldungsfähigen Staatsbürgern (zur Not halt auch stellvertretend).
Die Potentialstrukturen erfordern Zuwachs von Bevölkerung, so oder eben so.
Den Einzelnen widerfahren dabei schreckliche Dinge in einer so entwickelten Welt.

Das 1/3 kann die anderen 2/3 unmöglich aufwiegen.
Und es wurden mit der Zeit auch mehr von den Letzteren. Auch immer mehr
mit immer größeren Kopftüchern bei den Frauen. Und sehr viele Junge
Männer mit keiner Bildung. Und das bei "Filterung" der aussichtslosen
Fälle.

Das glaube ich.
Wen man abschreibt, den holen sich andere Strukturen.

Wir sind froh, den Schritt gemacht zu haben. Mehr wegen der furchtbaren
Arbeitsbedingungen für mich als Hausarzt in meiner KV.

Die ist wirklich bescheiden und keine Besserung ist in Sicht, weil die Kassenärzlichen Vereinigungen und die Krankenversicherungen mit ihrem unglaublichen bürokratischen Wasserkopf mit durchgeschleppt werden müssen und der Goldstandard heute dumme und arrogante Hochleistungsmedizin zur Beseitigung von Symptomen ist.

"Ärzte schütten Medikamente, von denen sie wenig wissen, zur Heilung von Krankheiten, von denen sie noch weniger wissen, in Menschen, von denen sie gar nichts wissen."
Voltaire

Aber auch wegen der
Gesamtsituation in Deutschland.

Der debitistische Zyklus geht zu Ende.

Vielleicht kannst du uns ja weiter auf dem Laufenden halten, so wie andere Leute vor Ort auch...[[zwinker]]

Liebe Grüße
Silke

Danke... Werde ich tun

WhiteEagle @, Freitag, 21.09.2018, 01:06 vor 2045 Tagen @ Silke 1970 Views

Vielleicht kannst du uns ja weiter auf dem Laufenden halten, so wie andere
Leute vor Ort auch...[[zwinker]]

Liebe Grüße
Silke

Das werde ich mehr als gerne tun. Subjektiv, natürlich. Aber ich versuche immer sachlich zu bleiben.

Heute. Unsere Pässe abgeschickt. Flüge und Umzug bezahlt. Jetzt muss das System auch noch die paar Wochen durchhalten...

Bis bald

WE

Herzlichen Glückwunsch, ich winke dann mal

Dan the Man, Donnerstag, 20.09.2018, 21:01 vor 2046 Tagen @ WhiteEagle 1973 Views

Habe heute die Email aus Neuseeland erhalte, daß wir das Visum erhalten
haben.
Super Nachricht!

Das ist super, Hochachtung vor deiner Beständigkeit, das lange Verfahren durchzuziehen. Alles Gute dort, und bitte immer mal berichten.

Ich winke dir dann mal, entweder übers Wasser oder von der Skipiste aufm Vulkan [[freude]]

ETA HBA NOV18

Sind endlich unterwegs...

WhiteEagle @, Sonntag, 02.12.2018, 22:12 vor 1972 Tagen @ Dan the Man 1492 Views

Befinden uns derzeit über der Mongolei.
Virgin Atlantic hat WLAN an Bord.

Kommen am Dienstag an. Arbeit geht am 11. Los. Haben ein schönes Haus in der Nähe von Napier gemietet.
Freuen uns alle sehr, das endlich alles geklappt hat.

Was machen deine Pläne?

Zu Eva Hermanns Artikel

Dan the Man, Sonntag, 26.08.2018, 22:10 vor 2071 Tagen @ helmut-1 4775 Views

Hallo Helmut,

ich beziehe mich hier mal nur auf das, was Eva Hermann schreibt, vielleicht später zu deinen eigenen Ausführungen.

Auch ich gehe weg - ich habe das Glück, es zu können.
Noch dazu habe ich das Glück, einen anderen, objektiven Grund zu haben,
als die Veränderungen in Deutschland. Und das ist gut, denn dann
brauche ich diese Veränderungen nicht als "Rechtfertigung" vorzubringen und
erspare mir solche Diskussionen.

(Ich habe mir doch tatsächlich - kommentarlos - anhören müssen: Wenn Leute
wegen Flüchtlingen aus Deutschland weggehen, begrüße ich das. Diese Nazis
will ich hier nicht haben.)

Dass allerdings jemand - wie Eva in ihrem Artikel schreibt - mich auffordern
würde, zu bleiben und zu kämpfen, wäre nicht zu erwarten. In Ansätzen habe
ich lediglich gehört, man solle bleiben, da alles gut wird.

Ich würde also nicht als Deserteur bezeichnet, sondern als einer, der die
Realität durch eine verzerrende Brille sieht und nicht erkennt, dass es weder
Probleme gibt noch dass welche aufkommen.

Ich akzeptiere, dass die Mehrheit die Richtung vorgibt, und ich mich fügen
muss oder verschwinden. So lauten die Regeln, und die Mehrheit will unbegrenzte Zuwanderung. (Auf entsprechende Vorhaltungen höre ich dann: Natürlich nicht unbegrenzt. Dann ich: Aber wo ist die Obergrenze und wie wird sie durchgesetzt?
Darauf höre ich: Übertreibs doch nicht, das wird nie so werden)

Ich interpretiere Zahlen und sehe daraus, dass der Kampf verloren ist, jedoch
hauptsächlich wegen dem fehlenden Willen, sich zu wehren, der mMn nicht wiederkehren wird.

Würde ich bleiben, müsste ich nach Jahrzehnten als friedliebender Mensch kämpfen,
sowohl gegen die Einlass Begehrenden als auch gegen die Teddywerfer. Das möchte ich mir
nicht aufdrängen lassen. Wenn in einer Kneipe aggressive Schlägerstimmung herrscht,
wechsle ich auch in ein friedlicheres Lokal.

Außerdem habe ich Kinder und da ich den Zug als abgefahren sehe, fühle ich mich in der Verantwortung, sie hier rauszubringen.

Es ist mir bewusst, dass dies Lesern, die gar nicht weg können, wahrscheinlich
ein Würgen hervorruft. Das tut mir leid. Könnte ich nicht weg, wäre ich zum
kämpfen gezwungen. Um Frieden zu machen, braucht man zwei, um Krieg zu machen leider nur einen.

Die Sache mit der Heimat erübrigt sich. Meine Heimat ist mir 2015 zerstört worden und wird es immer mehr. Ich bin zwar zur Zeit in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin. Einerseits ist es schön, andererseits gibt es aber vieles von der Kindheit sowieso nicht mehr. Die Erinnerungen bleiben mir auch in der Ferne.

Ich höre schon die Wehmut aus Deinen Zeilen heraus

helmut-1 @, Siebenbürgen, Sonntag, 26.08.2018, 22:15 vor 2071 Tagen @ Dan the Man 4131 Views

aber es ist so, wie schon in anderem Zusammenhang jemand geschrieben hat (ich glaube, Kommentator Friedrich):

Wer seine Augen nicht braucht um zu sehen,
der wird sie brauchen um zu weinen.

(Zitat Jean Paul)

Und genau in dieser Verantwortung für sich selbst, für seine Familie, muss man dann eben handeln.

Da fällt mir noch eine Antwort drauf ein

helmut-1 @, Siebenbürgen, Montag, 27.08.2018, 21:08 vor 2070 Tagen @ Dan the Man 2963 Views

Gerade zu Deinem Satz:

Ich interpretiere Zahlen und sehe daraus, dass der Kampf verloren ist, jedoch hauptsächlich wegen dem fehlenden Willen, sich zu wehren, der mMn nicht wiederkehren wird.

Man schreibt (fälschlich oder nicht nachgewiesen) Berthold Brecht dieses Zitat zu:

"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren."

Was aber von ihm tatsächlich stammt, ist länger, und kommt aber aufs selbe raus:

"Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin - dann kommt der Krieg zu Euch!

Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und läßt andere kämpfen für seine Sache, der muß sich vorsehen: Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage.

Nicht einmal Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will, denn er wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."

Wobei der erste Satz dem eigentlichen Brechtgedicht nur vorgeschoben wurde, er stammt nämlich aus einem Roman von Carl Sandburg ("The People, Yes"), und lautet im Originaltext: "Sometime they'll give a war and nobody will come".

Aber es geht letztlich um den tieferen Sinn, und den habe ich aus Deinem Spruch schon herausgehört.

Fürs Auswandern bin ich jetzt zu alt, hatte es vor 15 Jahren aber vor.

Griba @, Dunkeldeutschland, Sonntag, 26.08.2018, 23:42 vor 2070 Tagen @ helmut-1 4426 Views

Auslöser war die Rot(z)-Grüne Gesundheitspolitik. Ich habe aber kurz vor Übernahme einer Praxis in der Schweiz feststellen müssen, daß ich nicht das Zeug zum Schweizer habe - ich kann mein Preussentum (mit polnischen Anteilen) nicht ablegen.
Inzwischen hat sich die Stimmung im Osten dramatisch verändert - gerade unter uns Alten. Es fehlen nur die Waffen. Ansonsten ist russisch-lernen angesagt.
Die Kinder werden hoffentlich noch eine gute Ausbildung bekommen (in Dunkeldeutschlamd noch möglich) und müsen dann weitersehen.

Ich werde bleiben, meine Heimat ist hier und ich werde sie mit allem, was mir bleibt, verteidigen. Niemand soll später sagen können, es hätte keinen Widerstand gegeben.

--
Beste Grüße

GRIBA

Man(n) kommt schon rum im Leben

manni meier, Montag, 27.08.2018, 00:15 vor 2070 Tagen @ helmut-1 4330 Views

bearbeitet von manni meier, Montag, 27.08.2018, 00:26

Noch einer, - betreff Auswandern (eine sehr persönliche Sichtweise)

Tja, erstmal vielen Dank, lieber helmut-1, für deine ausführliche Schilderung. [[top]]

Ich habe einen Teil deines Betreffs in fett gesetzt,
weil ich denke, wie soll man es denn sonst sehen - außer "persönlich"?
Schließlich haben wir nur dieses eine Leben und das ist nun mal "sehr persönlich".

Ich selbst bin ein Paradebeispiel "Innerdeutscher Migration":
Vater aus Ostpreußen---> heute Russland
Mutter aus Pommern ----> heute Polen
Geburt in Magdeburg----> damals DDR
Flucht 1961 ---> in BRD--> vier Flüchtlingslager (Berlin/Rheil.-Pfalz/NRW) ---> zwei Verwandtenasyle (Nieders./S-H)
Bundeswehr (2 Jahre) ---> in Bayern
Schule, Uni und Beruf ----> NRW

Heimat wieder gefunden in Schleswig-Holstein[[herz]] - eins der ehemaligen Verwandtenasyle.

mfg
mm
[[lach]]

Ein sehr guter Beitrag, spricht mir in vielerlei Hinsicht aus der Seele. OT. (oT)

Kiwi @, Montag, 27.08.2018, 05:42 vor 2070 Tagen @ helmut-1 3468 Views

- kein Text -

Ein paar Einlassungen aus meiner Sicht ....

NST @, Südthailand, Montag, 27.08.2018, 07:22 vor 2070 Tagen @ helmut-1 4409 Views

bearbeitet von unbekannt, Montag, 27.08.2018, 07:46

Hallo

Die Beweggründe die jeder hier hatte, D den Rücken zu kehren, waren interessant zu erfahren.

Fangen wir mit der Zukunft an - wo will ich begraben werden? Ohne eine Sekunde zögern zu müssen, hier wo ich lebe und zwar durch einen Schornstein. [[freude]] Es gibt hier auch Erdbestattungen (eher die Ausnahme), aber in einem Loch möchte ich nicht verrotten. Mein Vater starb zuerst, er wollte auf seinem Heimatfriedhof beerdigt werden, dort wurden schon seine Eltern begraben. Allerdings dürfen dort nur noch Leute begraben werden, die in der dortigen Gemeinde geboren wurden. So kam es, dass meine Mutter auf einem anderen Friedhof bestattet werden musste, sie kommt aus Triberg - ach ja, wir aus Singen, früher gehörten wir noch zu Rielasingen, das hat sich in der Zwischenzeit geändert. So viel zur deutschen Gründlichkeit. Nix mit im Tode vereint .....

Bis zu meinem 15. Lebensjahr wurde ich mit dem normalen deutschen Bildungsgut erzogen. Ein Anhänger der Rock und Popkultur, mit romantischen Hippie Feeling. Eine 5 Jahre ältere Kusine wurde damals eine Anhängerin von Bhagwan und folgte ihm nach dem Lehramtsstudium nach Poona und später in die USA. Das fand ich super, so wollte ich auch werden. [[top]]

So fand ich auch schnell zur grünen Bewegung, war auf den üblichen Demonstrationen gegen Atomkraft und NATO Doppelbeschluss - hatte den Arbeiterkampf abonniert und besuchte linke Zirkel mit maoistischem Hintergrund. Parallel dazu begann ich mit Kampfsport - das war im Prinzip das krasse ideologische Gegenmodell. Das Schicksal bestimmte, dass ich von Anfang an, dort auf einen japanischen Trainer traf, der mich in seinen Bann zog. Nicht mehr Poona war das Ziel, nein der Samurai Geist übernahm die Führung und Ausbildung. Der Japaner war ein Anhänger vom Kaisertum und lachte sich tot über uns politischen Spinner. Ich kam bis in die Nationalmannschaft und leistete meinen Wehrdienst in der Sportkompanie in Sonthofen ab, einer ehemaligen SS Kaserne aus dem Umfeld des Lebensborn. Dort wurde ich unfreiwillig zum ersten Mal mit der Geschichte aus einem anderen Blickwinkel konfrontiert.

Ideologisch immer noch ein Kriegsdienstverweigerer leistete ich dort als Sportsoldat meinen Wehrdienst ab. Übrigens in dem damaligen Umfeld dieser Nationalmannschaft war alles vertreten: vom linken Maoisten bis zum strammen Nazi, vom Banker aus Frankfurt bis zum langhaarigen Hippieverschnitt ... was für den Japaner nur zählte, war wie sich alle in die Gruppe einfügten. Die Mehrheit aber, stellten die Linken .... Den Kaiservertreter interessiert unsere politische Gesinnung überhaupt nicht, das förderte den Einsatz des Einzelnen aber ungemein, wenn es um die Rangliste ging. Wenn der Nazi und der Maoist aufeinander traffen, schenkte man sich nichts, jeder kämpfte bis zum Letzten, also eigentlich optimale Voraussetzungen ... die damaligen Erfolge gaben dem Kaiservertreter recht, auf der ganzen Linie.

Das war eine Dekade meine Familie und die Politik lief nur nebenher. Gesundheitsprobleme - die mich real mit dem Tode bedrohten, katapultierten mich aus dieser Familie heraus, es war kein freiwilliger Ausstieg. Ich musste plötzlich realisieren, dass wenn die Leistung ausblieb, mich niemand mehr brauchte. Ein ganz hässlicher Aufwachprozess wurde eingeleitet. Alles was ich gelernt hatte, war mit dem Sport assoziiert - neben der B-Trainer DSP Lizenz hatte ich noch Masseur gelernt und versuchte mich dort im Sportsektor zu positionieren. Das wurde alles hinfällig, ich musste einen kompletten Neustart einleiten.

Auf dem 2. Bildungsweg noch das Abi gemacht, ein Informatik Studium begonnen, aber als ich dort erlebte wie irre meine Professoren und die Studenten waren, hab ich das gelassen und statt dessen noch einmal eine Berufsausbildung gemacht, die ich mit 30 Jahren abschloss.

Als ich den Gesellenbrief in Händen hielt, war ich urlaubsreif. Ich ging auf Weltreise und landete das 1. Mal in Thailand. Weiter kam ich nicht mehr, hier endete die Weltreise und ich blieb 6 Monate im Land. Dort fand so eine Art Gehirnwäsche statt, die Realität betrat mein Leben. In dieser Zeit reifte der Plan, mit spätesten 50 Jahren werde ich mich hier dauerhaft niederlassen. Als ich zurück in D war, begann die Uhr zu laufen. Finanziell so gut wie auf Null - und noch keinen Job - wir schrieben das Jahr 1992.

Mit Null Berufserfahrung und einem frisierten Lebenslauf, begann ich einen Job im 3-Schicht Betrieb, als Betriebselektriker in einem Betrieb mit 6 Linien, die Aluminiumdosen produzierten, z.B für Haarspray. Ab dem 3. Monat war ich allein auf Schicht, niemand auch nicht mein Chef realisierten, dass ich quasi ein Lehrling war und gelernt hab ich viel. Nach 4 Jahren mit unzähligen Überstunden hatte ich damals 100k DM gespart und ich war bereit, den ersten Startversuch in TH zu unternehmen. Dort gekündigt und nach TH. Dort 2 Jahre eine Firma für Webseitenerstellung gehabt - das war zu der Zeit noch vollkommen neu, auch in Deutschland. Die Asienkrise warf mich aus dem Geschäft 1997 entwertete mein Kapitalstock um 50%, den ich natürlich in Baht hielt, wegen der damaligen Zinsen auf Festgeld von 1x%. Wieder zurück nach D, mit einer Thaifrau im Handgepäck. [[freude]]

Das mit dieser Frau lief nicht lange gut, war mir eigentlich klar, damals aber waren noch Reste eines Gutmenschen in mir zurückgeblieben. Einvernehmliche Scheidung, so viel ich weiss lebt sie noch in D und spielt Karten. Für mich war eigentlich Thailand keine Option mehr. Man sollte eben nicht so viel denken. Das Leben hat seine eigenen Pläne. Ohne in Thailand zu sein, lernte ich mein jetzige Frau kennen. Eine vollkommen verrückte Geschichte, die hier fehl am Platze ist.

Sie kam nach D und wollte hier leben, so begann es, ein Kind wurde hier geboren und alles lief eigentlich normal. Sie lernte Deutsch, das Kind kam in den Kindergarten, ich war inzwischen bei einem Weltkonzern und die Hälfte des Jahres im Ausland im Einsatz. Das Einkommen passte, als Grenzgänger konnte ich es in der Schweiz versteuern ... [[top]] Sie bekam einen Bandscheibenvorfall und die kalte Jahreszeit bereitete ihr enorme Probleme. Der Sohn war im Kindergarten und ich realisierte, dass es dort (2006) fast keine deutschen Kinder zu finden gab. Irgend wann sagte meine Frau - sie will nicht mehr hier bleiben, das Leben in TH wäre besser. [[hae]]

Ausserhalb der Sommerzeit, benötigte sie immer Schmerzmittel, wegen dem Rückenleiden, auch Sport und Reha verbesserten das nicht. Sie meinte sie kann in TH für sich selbst sorgen, ich bezahle nur für das Kind. Mit meinem Job konnte ich das Kind nicht betreuen, ich war ja immer unterwegs. Ich bezahlte für sie die Mietwohnung, gab ihr die Anzahlung für das Auto gab ihr das Geld für eine Kautschukplantage und bezahlte Schulgeld und alles nötige für meinen Sohn und sie startet mit dem Sohn den Schulbeginn in TH. Sie hatte nicht geblufft. Das lief und inzwischen hat sie bereits noch andere Geschäfte, die mehr abwerfen als aktuell die Plantage. Ich arbeitet noch 1,5 Jahre in der Schweiz bis zum meinem Unfall, das war mein Startzeichen.

Ich habe keine Ahnung wie das hier weiter laufen wird. Was ich aber weiss ist, dass Frau und Sohn hier gut versorgt sind und ein besseres Leben als in D führen können. Ausländer sind in TH grundsätzlich nur geduldet, als Familienmitglied sehe ich dies bezüglich aber keine Probleme. Was aber auch klar ist, die einträglichen Geschäfte können hier nur Thais tätigen, wer also hier nicht in der Lage ist, sich in der Hierarchie die überall vorhanden ist, das passende Gegenstück zu finden, hat keinen guten Karten. Als ideologisch von der Geisteseinstellung her immer noch ein Samurai, nehme ich alles wie es kommt, ich kann nicht sagen, dass der Gedanke an den Tod mich schreckt, im Gegenteil, er erweckt meine Neugierde - das nächste anstehende Gefecht.

Also ich würde meine Geschichte nicht als die Geschichte eines Auswanderers bezeichnen, sondern eine Geschichte die das Leben schrieb, obwohl es einen 20 Jahre alten Plan gab der übrigens mit einer Punktlandung endete - meinen 50. Geburtstag feierte ich in TH und die Brücken Richtung D waren in der Rückbauphase und jetzt sind es nur noch Erinnerungen.
Gruss

--
[image]
Jeder arbeitet im Ausmass seines Verstehens für sich selbst und im Ausmass seines Nicht-Verstehens für jene, die mehr verstehen!

Beeindruckend

helmut-1 @, Siebenbürgen, Montag, 27.08.2018, 20:55 vor 2070 Tagen @ NST 3209 Views

wie das alles so abgelaufen ist.

Einer meiner Sprüche lautet:

Das Leben schreibt die seltsamsten Romane.

Da ich den nirgends im Net wiedergefunden habe, kann er tatsächlich von mir sei, der Spruch.

Ergänzend zitiere ich Jean Paul:

Ein Roman ist eine veredelte Biographie.

Wichtig ist doch für jeden, dass er seinen persönlichen "way of life" findet. Dabei ist der Geldsegen nicht das Ausschlaggebende. Wie es so schön heißt:

Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt.

Kommt man aber irgendwann drauf, dass oftmals "weniger" "mehr" sein kann, wenn die wichtigen Dinge im Leben stimmig sind, dann hat man den casus cnactus gefunden.

Ich hab mir hier in Rumänien keine goldene Nase (in finanzieller Hinsicht) verdient, aber ich bin zufrieden. Und darauf kommts doch an. Ich seh den Unterschied des Lebensstils hautnah an zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die eine gibt immer nur was aufs teure Aussehen, auf den finanziellen Zuwachs, auf Vermögen, usw. Die andere sieht darin keine besondere Wertigkeit, die will einfach nur leben, und Besitz oder sonstige Dinge in dieser Richtung bedeuten ihr nichts. Die Harmonie in der Familie sind ihr das Wichtigste.

Mit einer der beiden bin ich schon lange verheiratet, und, wenn ich die Zeit vor der Heirat dazurechne, schon seit über 30 Jahre zusammen. Rat mal, mit welcher von den beiden.

Meine Schwägerin weiß nicht einmal, was Glück ist, sie hat es auch nie erlebt. Irgendwie bedauere ich sie, - denn eigentlich hat sie gar nicht gelebt.

Als perfektes Schlusswort ein dazu passendes Lied (sehr alt) von Reinhard Mey:

https://www.youtube.com/watch?v=BiVcn2SuNGk

Aber, so alt auch dieses Lied ist, - ich befürchte, bis man auf diese Erkenntnisse kommt, muss man selbst alt oder zumindest älter werden. Denke, dass kaum einer die Möglichkeit hat, da mit 30 oder 40 schon dahinterzusteigen.

Darin liegt doch die Tragik in unserem Leben.

Und wenn man keine Heimat hat

Dieter, Montag, 27.08.2018, 23:07 vor 2069 Tagen @ helmut-1 3167 Views

Hallo,

wie kann man eine Heimat verraten, die man gar nicht bekommen hat?

Als Kinder von mittellosen Flüchtlingen waren wir ausgegrenzt, es kam nie das Gefühl auf, willkommen zu sein. Man ließ es mich spüren, auch wenn es schon 50 Jahre her ist. Später suchte die verkommene Gemeinde den Kontakt, in der Hoffnung zu profitieren und gute Geschäfte zu machen.

Unter diesen Umständen findet man seinen Halt ausschließlich in sich selbst und der Familie und nicht in der Eingebundenheit einer Region, einer Gemeinde, eines privaten Umfeldes. Heimat gibt es nicht. So tritt das Vertrauen auf sich selbst an die Stelle von Geborgenheit, die einem Heimat ansonsten vermittelt.

Dann bedeutet "Heimat verraten", sich selbst zu verraten. Der Ort, in dem man sich aufhält ist von daher unerheblich, sofern die äußeren Umstände einem gut tun, den Bedürfnissen der Seele entsprechen. Dann kann man sich an so einem Ort zur Ruhe setzen, dort die Empfindungen der Menschen und des Ortes einsaugen und sich wohl fühlen. Man findet seinen Frieden in sich selbst, wo immer das ist.

Dann ist so etwas wie Heimat überall, sofern man bei sich selbst ist. Und so ist auswandern nichts besonderes, nur ein weiterziehen.

Ich bin übrigens nicht ausgewandert, fühle mich nur vom Herbst bis Frühjahr in Portugal und meinem Umfeld dort besonders wohl, auch wohler als in Deutschland.
Trotzdem verbringe ich hier in OWL noch die Hälfte des Jahres, vermutlich vor allem, weil ich hier mein Einkommen generiere.

- und wo ich begraben werden möchte? Ist mir egal. Falls jemand um mich trauern möchte, dann sollte diese Person den Ort bestimmen. So ein Grab ist nicht für mich wichtig, sondern mehr für die Trauerarbeit eines Angehörigen.

Gruß Dieter

Kann ich unterstreichen

NST @, Südthailand, Dienstag, 28.08.2018, 05:25 vor 2069 Tagen @ Dieter 3020 Views

bearbeitet von unbekannt, Dienstag, 28.08.2018, 05:50

Dann bedeutet "Heimat verraten", sich selbst zu verraten. Der Ort, in dem
man sich aufhält ist von daher unerheblich, sofern die äußeren Umstände
einem gut tun, den Bedürfnissen der Seele entsprechen. Dann kann man sich
an so einem Ort zur Ruhe setzen, dort die Empfindungen der Menschen und des
Ortes einsaugen und sich wohl fühlen. Man findet seinen Frieden in sich
selbst, wo immer das ist.

Dann ist so etwas wie Heimat überall, sofern man bei sich selbst ist. Und
so ist auswandern nichts besonderes, nur ein weiterziehen.

Hallo

Gute Beschreibung, so ungefähr sehe ich es auch. Ich bin unter komplizierten Familienverhältnissen aufgewachsen und deshalb überhaupt kein Familienmensch. Mit 14 Jahren begann es bei mir, bei jedem Ferienanlass Sommerferien, Winterferien, Ostern bin ich quasi von zu Hause abgehauen. Am schlimmsten empfand ich immer Weihnachten, mit 15 Jahren verbrachte ich es in Berlin im Sound (Stichwort: Die Kinder vom Bahnof Zoo), mit 16 war ich in Amsterdam, mit 17 in Ägypten .... und dann war die neue Familie im Sport meine Heimat. Aber dort gab es auch ein Familiendesaster der besonderen Art, siehe oben.

Geändert hat sich das mit dem Erscheinen meiner 2. Frau und dem Kind. Meine Aufgabe war es dann, deren Existenzgrundlagen zu sichern. Das war/ist mein Beitrag zum Familienleben. In allen anderen Belangen bin ich behindert, das ist aber hier kein Problem. Für mich existieren keine Zwänge zur Teilnahme an Familienfesten. Im Normalfall läuft das so, dass ich daran teilnehme, aber wenn sie nicht in unserem Haus stattfinden, fahren Frau und Sohn mit dem Auto und ich mit dem Motorrad, so kann ich immer verschwinden, wenn es mir reicht. Die Thais sind da absolut tolerant - ja, ein böses Wort, aber hier trifft es zu.

Wichtig für mich ist die deutsche Sprache, sie ist meine Denk-Heimat: daher werde ich wohl den deutschsprachigen Raum nie verlassen ... bis alles in Scherben fällt.

Das einzige das ich wirklich aus D behalten habe. In der Familie im Hause wird nur Deutsch gesprochen, von mir. Frau und Sohn reden meistens Thai. Mit meiner Frau rede ich auch nur Deutsch. Wenn wir nicht gleicher Meinung sind redet sie Thai ... [[freude]] Ich lerne jeden Tag Thai, mit kürzeren Unterbrechungen. Es gab schon von meiner Seite das Angebot, auch Thai zu reden, aber mit der Auflage, dass ich dann beim Lernen gezielte Hilfe erhalte - so wie ich das benötige. Diese Hilfe gibt es aber nicht, weder von Sohn noch von der Frau. Ich hatte hier auch schon thail. Lehrer, die sind aber nicht in der Lage vom üblichen Schulstoff abzuweichen - dafür brauche ich aber keinen Lehrer, ich kann lesen und schreiben und die Schulbücher selbst durcharbeiten. Das ist für mich aber nichts was mich überrascht hat, das wusste ich schon seit meinem 1. Startversuch - die Thais sind da sehr eigen.

Ich nehme voraussichtlich im November an einer der besten Unis in Bangkok an einen Sprachkurs für Ausländer teil - 6 Wochen pro Kurs. Dort wird ein Eingangstest gemacht und es gibt 3 Kurse - Einsteiger, Fortgeschritten und Fortgeschritten 2. Mal schauen wo ich da lande - den Motorradfüherschein hab ich vor 5 Jahren in Thai bestanden. Mein Problem ist das Sprechen, dort habe ich keine Zeit zum Überlegen - beim Lesen und Schreiben hab ich mehr Zeit um die passenden Wörter zu finden und den Sinn es Textes zu verstehen. Alle Thais die ich gefragt hatte, die meisten davon mit abgeschlossenen Studium in BKK, behaupteten so etwas gibt es nicht, auch meine Frau. [[freude]] Also wie man sehen kann, diese Gesellschaft versucht mit allen Mitteln ihr Inseldasein zu festigen. Sie machen das sehr geschickt .... [[top]]

Das hört sich jetzt verrückt an, ich kann mich schon so weit verständigen, Einkaufen, auf ein Amt gehen etc. ich kann aber an keiner Diskussion teilnehmen, die etwas anspruchsvoller ist. Das Problem ist, die Thais die ich kenne, reden über Dinge, die mich nicht wirklich interessieren. Folglich bin ich froh, wenn mein Gehirn diese Hintergrundmusik nicht automatisch entschlüsselt - ich habe meine Ruhe. Ich hoffe in BKK Thais zu treffen mit einem etwas anderen Hintergrund - schaumermal. Der Hauptgrund für diese Aktivität ist aber, mein Sohn bereitet sich auf die Prüfung vor, um an dem Gymnasium das dieser Uni angegliedert ist, aufgenommen zu werden. Schafft er das, ist das Ziel diese Uni. Logischerweise muss ich deshalb wissen, was dort tatsächlich abgeht und das geht nur wenn man dort Zugang hat, und einen Gastausweis für die Uni ist im Sprachprogramm inklusive. Unabhängig ob der Sohn das schafft oder nicht, ich lerne auf jeden Fall etwas - und dem Grundsatz in meinem Leben so lange es geht treu zu bleiben - nur eigene Erfahrungen vermitteln brauchbares Wissen. [[top]]
Gruss

--
[image]
Jeder arbeitet im Ausmass seines Verstehens für sich selbst und im Ausmass seines Nicht-Verstehens für jene, die mehr verstehen!

Neue Heimat gibt es nicht ...

Langmut @, Montag, 27.08.2018, 23:33 vor 2069 Tagen @ helmut-1 3153 Views

Hallo in die Runde,

... und ich weiß, wovon ich rede, denn ich bin in einer seelenlosen Neue-Heimat-Siedlung im Bergischen Land aufgewachsen. Meine Mutter, gebürtig in Unterfranken, mein Vater aus dem Glatzer Bergland (Ausläufer des Riesengebirges, nach WK II polnisch) vermittelten mir immerhin aber ein gut funktionierendes familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl. Damals und auch später war mir mein Privatleben deutlich wichtiger als eine sogenannte Karriere oder besondere berufliche Perspektiven. Geldverdienen war und ist immer nur Mittel zum Zweck, einigermaßen über die Runden zu kommen.

Die Gewerkschaften installierten somit in den 50er und 60er Jahren, was es gar nicht geben konnte, eine Neue Heimat - und die ist dann auch folgerichtig Konkurs gegangen.

Es gibt sesshafte Menschen und nicht sesshafte Menschen, ich gehöre zur zweiten Gruppe. Ich ziehe weiter, wenn es mir nicht mehr am Ort gefällt und/oder die Lebensbedingungen sich so verschlechtern, dass es überall auf Erden besser ist, als an diesem Ort.

Wichtig für mich ist die deutsche Sprache, sie ist meine Denk-Heimat: daher werde ich wohl den deutschsprachigen Raum nie verlassen ... bis alles in Scherben fällt.

Gruß
Langmut

--
Ich bin recht und das ist auch gut so.

Der Unterschied zwischen schlau und dumm.
Ein schlauer Mensch kann sich dumm stellen.

Arbeit finde ich gut, da könnte ich anderen stundenlang zuschauen. (Diogenes von Sinope)

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