Wie war das damals? Luther und Ablass

nereus @, Mittwoch, 01.11.2017, 08:20 vor 2371 Tagen 2811 Views

Den ganzen Tag hindurch predigten die Öffentlich-Rechtlichen, die katholische Kirche habe durch den Ablass Vergebung der Sünden verkauft.
Doch das ist falsch!
Die Geschichte ist eine andere, aber weil komplexer, für schlichte Geister nur schwer verständlich.

Quelle: https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/glosse/alle-500-jahre-gibt-es-jetzt-einen-deut...

Die Theologen des Mittelalters entwickelten die menschenfreundliche Idee des „Fegefeuers“, weil sie mit der Lösung „Himmel oder Hölle“ sofort bei Todesfall unzufrieden waren.
Dagegen sprach etwa die Verheißung eines Weltgerichts durch Christus am Ende aller Zeiten.
Was soll er urteilen, wenn die Seelen schon nach oben und unten verteilt sind?
Dagegen sprach auch das Gerechtigkeitsgefühl der Gläubigen.
Sollte nach der durch den Priester erteilten Absolution ein Mörder ebenso problemlos in den Himmel kommen wie eine, die sich nicht an die Sonntagspflicht und die Fastengebote gehalten hatte (damals ebenfalls eine „schwere Sünde“)?
Oder schlimmer, wenn die Sünderin durch einen plötzlichen Tod die Absolution verpasste, sie in der Hölle landete, während der Mörder froh in den Himmel aufstieg!

Deshalb wurde in Analogie zum überkommenen weltlichen Rechtswesen eine Strafinstanz geschaffen, die dem schuldigen Sünder je nach Schwere seines Vergehens eine Zeit der Strafe zumaß, die er im Fegefeuer zu erdulden hatte.
Dass man dabei an Peinigungen analog dem weltlichen Gerichtswesen dachte, entsprach ganz dem Geist der Epoche.
Ablässe sollten diese zeitlichen Strafen durch Bußopfer während der Lebenszeit vermindern helfen, das konnte durch Wallfahrten, gute Taten oder eben durch den Kauf von Ablassbriefen geschehen.

Dahinter steckte theologisch die realistische Auffassung, dass zum Erwerb von Geld Arbeit und Mühe aufgebracht werden muss, also dafür ein Opfer zu erbringen ist.
Gegen den mit der Zeit – wie bei allen Geldangelegenheiten unvermeidlichen – Missbrauch des Ablasswesens durch verweltlichte Kleriker bezog Luther wie viele andere katholische Kritiker Stellung.

Dass sich dann im Laufe der Kontroverse die polaren Standpunkte immer mehr radikalisierten, führte zu der theologischen Entgegensetzung von „Werkgerechtigkeit“ und „Gnade“.
Am Ende stand jene religiöse Spaltung des christlichen Europas, die mit zahllosen Kriegen und Millionen Opfern bezahlt wurde.
Zu keinem Zeitpunkt aber gab es eine katholische Auffassung, wonach sich das Urteil des Jüngsten Gerichts über Heil oder Verdammnis durch Geldzahlungen vorentscheiden ließe.

Ich gebe zu, die kleinen Details kannte ich auch nicht.
Man lernt halt nie aus.

mfG
nereus

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mh-ing @, Mittwoch, 01.11.2017, 10:08 vor 2371 Tagen @ nereus 2133 Views

Dieses Thema "Ablass" ist eine lange Kette von kirchlichen Irrtümern und Mißverständnissen. Den Ablass gibt es in der Kirche im Übrigen noch heute und zählt zu den Grundsätzen des kath. Denkens. Durch gute Werke wird die Schuld getilt und damit das nötige Leiden im Fegefeuer verkürzt. Nur, dass hier nur alle jene betroffen sind, die der kath. Kirche angehören, wer da nicht mit dabei ist, gilt als ohnehin verloren (Hölle).

Dem setzte Luther die 5 Solas entgegen, welche die kath. Kirche (z.B. Konzil von Trient mit Flucht belegt) bis heute leugnet. Daher ist im Irrtum, der hier eine Ökumene erwartet. Das Zentrale der 5 Solas sind:
- Allein die Schrift => es zählt nicht die kath. Überlieferung, nicht die dogmatische Auslegung der Kurie, sondern allein das NT und AT.
- Allein der Glaube => nicht Werke, sondern der Glaube errettet. Gute Werke sind Zeichen eines Glaubens, bringen aber nicht die Erlösung
- Allein durch Christus => Nicht die Kirche, nicht die Heiligen (allen voran Maria), sondern allen in Jesus Christus ist das Heil und der Zugang zu Gott.
- Allein aus Gnade => Der Zugang wird nicht erworben sondern es ist Gnade, dass der Mensch zu Gott findet.
- Allein zur Ehre Gottes => Ziel und Zentrum allems ist, dass es zur Ehre Gottes erfolgt. Die Kirche ist keine Ehre und kein Ziel hierbei.

Das Fegefeuer wurde erst im 6. Jahrhunder "erfunden". Es basiert auf dem Gedanken, dass der Mensch als Gläubiger Christ weiterhin Sünden hat. Diese nimmt er mit in das Grab und muss für diese Sünden weiterhin büßen. Die Dauer des Büßens im Fegefeuer hängt von den Taten ab. Man kann dann folglich durch Ablass usw. diese Zeit verkürzen. Die Kirche verfügt über einen Schatz, der hier genutzt werden kann.

Anders steht es in der Bibel
Kol 1,14 in welchem wir die Erlösung haben, die Vergebung der Sünden;

Es geht daher bei der Reformation nicht um die weltliche Herrschaft der Kirche, um Revolution oder um das irdische. Bei Luther (zumindest im Anfang) stand diese Glaubensfrage im Zentrum und die Erkenntnis, dass man in Christus völlige Vergebung empfängt und daher weder die Kirche noch sonst jemand da mit Ablass oder weiteren Kasteiungen/Praktiken/Diensten usw. diesem Werk der Erlösung in Christus etwas hinzufügen kann.
Jedoch wurde das auch bei Luther schnell anders und der spätere Luther wurde hier Gewalttäter, Antisemit usw. Er ließ denn auch jene Widertäufer (jene, welche die Kindertaufe abschafften und zur Erwachsenen/Glaubenstaufe übergingen) blutig verfolgen.

Ablasshandel heute

Socke ⌂ @, Mittwoch, 01.11.2017, 19:14 vor 2371 Tagen @ nereus 1619 Views

Und wie ist es heute? - Immer noch Ablasshandel:
Industrie, Verbraucher, Energieerzeuger, Hersteller, Fabs etc. erwerben "Umweltzertifikate" für viel Geld um damit andere "Sünden" (umweltschädliche Dinge) "zu kompensieren".
Für mich nichts anderes als eine moderne Form von Ablasshandel und genauso ein Irrweg, wie damals zu Luthers Zeiten.

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