Wahlen zum Deutschen Bundestag 2017 und Demokratie

Otto Lidenbrock @, Nordseeküste, Freitag, 13.10.2017, 09:07 vor 2388 Tagen 2725 Views

Der Bundeswahlleiter hat das amtliche Endergebnis der Wahlen zum Deutschen Bundestag 2017 verkündet. Die Wahlbeteiligung lag offiziell bei 76,2 Prozent der Wahlberechtigten, die wie folgt abgestimmt haben:

CDU/CSU 33,0 %
SPD 20,5 %
AfD 12,6 %
FDP 10,7 %
Linke 9,2 %
Grüne 8,9 %

Gemessen an der Zahl aller Wahlberechtigten Bürger stimmten demnach für:

CDU/CSU 25,1 %
SPD 15,6 %
AfD 9,6 %
FDP 8,2 %
Linke 7,0 %
Grüne 6,8 %

Man kann feststellen, dass die Wähler mittlerweile in immer kleinere Lager zersplittern, ähnlich wie in den Zeiten der Dämmerung der Weimarer Repubik. Selbst eine so große Volkspartei wie die CDU/CSU schart gerade noch ein Viertel aller Wahlberechtigten hinter sich.

Sollte es also zu Jamaika kommen, werden sich - etwas überspitzt formuliert - mehrere Vertreter von Splittergruppen unserer Gesellschaft zusammentun, um irgendwie das Land zu regieren.

Die Demokratie scheint auf diese Weise nicht so richtig zu funktionieren?

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"Eine Gesellschaft befindet sich im vorübergehenden oder finalen Verfall, wenn der gewöhnliche, gesunde Menschenverstand ungewöhnlich wird."

William Keith Chesterton

Oligarchie

Falkenauge @, Freitag, 13.10.2017, 09:48 vor 2388 Tagen @ Otto Lidenbrock 2201 Views

Die Demokratie scheint auf diese Weise nicht so richtig zu funktionieren?

Mit dem unseligen Parteiensystem kann auch keine Demokratie funktionieren. Die Parteien deformieren prinzipiell die Demokratie zur Oligarchie. Damit haben wir es doch heute in Wahrheit zu tun.

Parteien sind Brutstätten des Egoismus und der Machtsucht, denen es um partielle eigene oder Hintergrund-Interessen geht und nicht um das Gemeinwohl.
Da ist ein grundsätzliches Umdenken nötig. Die Parteien müssen als erstes entmachtet werden.

Parteien entmachten

Nico @, Freitag, 13.10.2017, 18:12 vor 2388 Tagen @ Falkenauge 1636 Views

Die
Parteien
müssen als erstes entmachtet werden.

Wohl wahr, und nichts könnte die Parteien unmittelbarer entmachten als die Beseitigung der Sperrklauseln (5%-Hürde). Umkehrschlüssig formuliert beruht die gesamte Parteienmacht nur auf dieser Einrichtung - von der im Grundgesetz wohl auch kein Wort zu finden ist.

Vielleicht willst du, werter Falkenauge, deine ansonsten des Begrüßens würdige, hier verlinkte Arbeit nun um diesen fundamentalsten aller Aspekte ergänzen.

[[herz]]

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... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...

Parteiensysteme sind nur dann annähernd demokratisch...

Andudu, Freitag, 13.10.2017, 11:46 vor 2388 Tagen @ Otto Lidenbrock 2044 Views

...wenn die Axiome stimmen, auf denen sie beruhen:

1) die Parteien sagen die Wahrheit und halten sich an ihre Versprechen

2) die Medien sind unabhängig und unvoreingenommen

3) Politiker sind fähiger und intelligenter als ihre Wähler (sonst könnte man auch direkt das Volk abstimmen lassen)

4) Politiker sorgen sich um das Wohl des Landes

5) wenn ein Thema nicht vertreten ist, gründet man schnell eine eigene Partei, die es abdeckt und wird dafür gewählt

Im Prinzip kann man hier schon aufhören, alle diese Axiome können als größtenteils falsifiziert gelten.

Alle abgeleiteten Axiome, etwa die angebliche Meinungsrepräsentativität, scheitern schon daran, dass Punkt 1 und 2 nicht erfüllt sind.

Punkt 5 ist die Standardausrede für Verteidiger dieses System, auch sie ist eine Lüge, denn eine Partei zu gründen und aufzubauen, gelingt nur Massenbewegungen oder kapitalreichen Gründern. Sie zu etablieren scheitert gern auch an Punkt 1 und 2. Zudem hat solch ein Vorgehen (selbst wenn es gelingt) einen zeitlichen Vorlauf von mind. einigen Jahren. Zudem entstände damit immer eine Nischenpartei, die gegen die Massenprojektions-"Volks"parteien immer ein Zwerg bleibt. Und jede Partei ist per Unterwanderung leicht wieder zu kippen und auf Linie zu bringen (Transatlantiker bei den Grünen, Femnazis bei den Piraten, Verfassungsschutz bei der NPD usw.).

Überhaupt ist ein Argument für "repräsentative Demokratie" vollkommen paradox: die Behauptung nämlich, die Wähler seien zwar einerseits zu dumm um selbst abzustimmen, aber andererseits schlau genug, jemanden auszuwählen, der ihre Interessen sinnvoll und fähig vertritt. Wenn aber jemand zu dumm ist, in seinem Sinne abzustimmen, dann wird er die viel schwierigere Aufgabe, jemanden zu finden, der ihn selbst glaubhaft und fähig vertritt, erst recht nicht auf die Reihe bekommen.

Das ganze ist ein riesiges Schönwetter-Lügenkartell um uns zu knechten und uns unsere eigentlichen demokratischen Mitbestimmungsrechte vorzuenthalten!

Repräsentative Demokratie

Nico @, Freitag, 13.10.2017, 19:06 vor 2388 Tagen @ Andudu 1483 Views

bearbeitet von unbekannt, Freitag, 13.10.2017, 19:24


Überhaupt ist ein Argument für "repräsentative Demokratie" vollkommen
paradox: die Behauptung nämlich, die Wähler seien zwar einerseits zu dumm
um selbst abzustimmen, aber andererseits schlau genug, jemanden
auszuwählen, der ihre Interessen sinnvoll und fähig vertritt. Wenn aber
jemand zu dumm ist, in seinem Sinne abzustimmen, dann wird er die viel
schwierigere Aufgabe, jemanden zu finden, der ihn selbst glaubhaft und
fähig vertritt, erst recht nicht auf die Reihe bekommen.

Nein mein lieber Andudu, hier liegst du komplett daneben.

Eine Demokratie muss ihre sachkundigen Repräsentanten haben, um möglichst kluge Entscheidungen herbeiführen zu können. Auch der ansonsten sehr zu schätzende Prof. Reiner Mausfeld irrt sich, wenn er die Repräsentanz der Demokratie an sich als eine Abwehr der Demokratie versteht, anstatt nur zu fragen, wen oder was in der bestehenden Ordnung wirklich repräsentiert wird. So bleibe ich in solchen Fragen auch hauptsächlich ein Fan von Prof. Dr. Schachtschneider, von dem hier im Gelben auch erst vor Kurzem und dankenswerterweise ein aktueller Vortrag verlinkt wurde.

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=445303

Vielleicht ist Schachtschneider nicht der beste Redner, inhaltlich aber von ganz besonders empfehlenswerter Klasse.

Schachtschneider kommt bei allem was ich erkennen kann, zu den selben Schlüssen wie ich und spricht sich regelmäßig gegen die Sperrklauseln (5%-Hürde) aus – so wie ich mich hier im Gelben wohl auch am meisten von allen gegen diese Sabotage der Demokratie ausspreche – und so einmal mehr auch gerade eben erst. Einmal mehr bekennt sich auch Schachtschneider in seiner Rede zu einen Anhänger des Föderalismus, so wie auch ich dieses Prinzip als das eigentliche Prinzip der Demokratie verstehe, während ich Demokratie selbst nur als das Gegenteil von Diktatur definiere.

Ja, und die Wahl seiner Repräsentanten ist das einzige, was dem Publikum auf der einen Seite durchaus zuzutrauen ist, und was auf der anderen seine Aufgabe bleiben muss, und von welcher es von niemanden befreit werden kann. Nun ist es der Mensch aber durchaus gewohnt, auch in schicksalträchtigen Fragen seinen eigenen Repräsentanten zu bestellen, sei es vor Gericht, oder auf dem OP-Tisch zum Beispiel.

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Grenzen der staatlichen Gesetzgebung

Falkenauge @, Freitag, 13.10.2017, 20:44 vor 2387 Tagen @ Nico 1331 Views

Eine Demokratie muss ihre sachkundigen Repräsentanten haben, um
möglichst kluge Entscheidungen herbeiführen zu können.

Ja, aber die Entscheidungen (Gesetze) dürften nur das Recht im engeren Sinne, also den Schutz der äußeren und inneren Sicherheit, betreffen. Dies ist die eigentliche Aufgabe des Staates.

Sowie die Repräsentanten per Gesetz inhaltlich regelnd in das Wirtschaftsleben und das Kulturleben (z.B. Bildung) hineinwirken, entsteht ein vertikales Über- und Unterordnungsverhältnis, und die Freiheit und Selbstbestimmung der dort fachkundig handelnden Menschen wird aufgehoben. Freiheit und Selbstbestimmung sollen aber doch gerade der Demokratie zugrunde liegen. Das muss man mal gründlich durchdenken.

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