Frage an die Elektriker im Forum: Balkonkraftwerk und saldierender Stromzähler

Plancius, Freitag, 17.01.2020, 10:57 (vor 1561 Tagen)5648 Views

Ich habe vor, mir ein Photovoltaik-Balkonkraftwerk als Komplettpaket (2 Solarmodule mit Wechselrichter) zu kaufen. Die beiden Solarmodule möchte ich auf meinem Garagendach platzieren und den dort erzeugten Strom in eine Steckdose an der Garagenwand einspeisen. Ich habe zwei Permanentverbraucher im Haushalt: Das wären mein Server im Büro und meine Kühl-/Gefrierkombi in der Küche.

Nun ist die Elektroinstallation bei mir leider so eingerichtet, dass an Phase 1 Garage, Garten, Bad und Flur hängen, also dort kein einziger Permanentverbraucher hängt, mein Büro mit Server hängt an Phase 2 und Küche mit Kühlschrank an Phase 3.

Nun mache ich folgende hypothetische Rechnung auf:

Die Sonne scheint und beide Solarmodule erzeugen 200 W Strom. In meinem Haushalt ist der Kühlschrank an und zieht 50 W und der Server verbraucht zur gleichen Zeit 100 W.

Beide Solarmodule speisen in Phase 1 ein, wo sich jedoch kein Verbraucher befindet, d.h. die 200 W gehen komplett ins öffentliche Netz. Gleichzeitig beziehe ich 150 W aus dem öffentlichen Netz von Phase 2 und 3.

Aktueller Zustand - Alter Ferrari-Stromzähler mit Aluminiumscheibe

Schließe ich die Solarmodule an, ohne meinen aktuellen alten Ferrari-Stromzähler auszutauschen, dann gehe ich davon aus, dass der Stromzähler rückwärts laufen würde. Nach 5 Stunden hätte ich praktisch 1 kWh gut. Meine Stromrechnung würde sich um ca. 30 ct reduzieren.
Diese Vorgehensweise ist natürlich nicht zulässig, weshalb ich mich an den EON Kundenservice gewandt habe, damit man meinen alten Stromzähler gegen einen neuen, saldierenden Zähler tauscht.

Saldierender Stromzähler - zeitpunktbezogen

Mein Verständnis eines zeitpunktbezogenen saldierenden Stromzählers ist wie folgt. Der Stromzähler misst die 200 W die ich einspeise und rechnet die 150 W, die ich zum gleichen Zeitpunkt von EON beziehe dagegen. Solange die positive Differenz besteht, müsste ich also keinen Strom bezahlen. Die Differenz in Höhe von 50 W speise ich jedoch in das öffentliche Netz ein, ohne eine Gutschrift von EON zu bekommen oder mit einem späteren Verbrauch aus dem öffentlichen Netz zu verrechnen. Die 50 W müsste ich also abschreiben, sie vermindern meine persönliche Stromausbeute und die Rendite des Balkonkraftwerks.

Saldierender Stromzähler - zeitraumbezogen

Ein zeitraumbezogener saldierender Stromzähler läge dann vor, wenn die 50 W, die ich ins öffentliche Netz einspeise, mit einem späteren Verbrauch verrechnet würden. Ich würde also auch einen Stromüberschuss vergütet bekommen. Eine solche Vorgehensweise gibt es jedoch nicht. Kleine Einspeiser bekommen überschüssigen Strom niemals vom Energieversorger vergütet.

Rückmeldungen der Experten

Nun sagte mir die gute Dame vom EON Kundendienst, dass mein Verständnis eines saldierenden Stromzählers falsch sei. Ein saldierender Stromzähler misst nur den zu einem aktuellen Zeitpunkt eingespeisten und bezogenen Strom. In meinem Beispiel würde ich also 200 W ins öffentliche Netz einspeisen, müsste jedoch die 150 W, die ich beziehe auch voll bezahlen. Wenn ich selbst erzeugten Strom über ein Balkonkraftwerk verbrauchen möchte, dann muss ich den Strom auch in die Phase einspeisen, wo meine Verbraucher hängen. Das kommt für mich jedoch aus baulichen Gründen nicht in Frage.

Ich bin mir nicht sicher, ob die Dame des Kundendienstes mir eine qualifizierte Antwort gegeben hat und habe mir noch eine Zweit- und Drittmeinung angehört. Einer meiner Nachbarn ist Energieberater und erklärte mir, dass die Dame von EON alles korrekt wiedergegeben hat. Auch mein Elektriker bestätigte die Ausführungen von EON.

Diese Balkonkraftwerke werden ja jetzt massenhaft in Deutschland verkauft und die meisten Menschen haben von 3-Phasen-Wechselstrom gar keine Ahnung und denken, wenn sie die Solarmodule an die nächste Steckdose anschließen, dann ist der eigen erzeugte Strom im ganzen Haushalt verfügbar. Als ich vor 2 Jahren mein Haus kernsaniert habe, hatte ich alle möglichen Gewerke und handwerklich begabte Freunde und Helfer in meinem Haus. Dabei musste ich mit Erschrecken feststellen, dass praktisch alle Handwerker nichts von Elektrik verstanden und zwar zu Hause alles mögliche selbst machen, aber für die Elektrik immer einen Elektriker kommen lassen. Wenn man hier als Bauherr gerade bei der Sanierung eines Altbaus nicht aufpasst und kein Grundverständnis von Nullleiter, Erdung usw. mitbringt, dann können teure Folgekosten für Erdung oder Blitzschutz auf einen zukommen.

Nun meine Frage an die Elektriker hier im Forum: Was für einen Zähler brauche ich zur Installation eines Balkonkraftwerks und wie werden eingespeister und bezogener Strom auf unterschiedlichen Phasen miteinander verrechnet?

Wenn die Aussagen von EON stimmen sollten, dann ist natürlich der Kauf eines Balkonkraftwerks zu 100% rausgeworfenes Geld. Selbst wenn man den erzeugten Strom vollständig im eigenen Haushalt verbraucht, ist ein Balkonkraftwerk unwirtschaftlich. Ich würde es sowieso unter der Rubrik Hobby verbuchen, mit dem Ziel bei einem möglichen Blackout wenigstens meine Brunnenpumpe zur Wassergewinnung temporär mit Strom zu versorgen.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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