Warum das mit der Urschuld so wichtig ist (und eben nicht nur eine Marotte von mir) :-)

Silke, Mittwoch, 21.08.2019, 19:56 (vor 1702 Tagen) @ Naclador4891 Views

Lieber Naclador,

Da sind wir also wieder mal beim Thema Urschuld, wie schön!

Ich bin der festen Überzeugung, das werden wir auch nicht so schnell los werden.
Der Begriff ist ja etwas unglücklich besetzt aber dennoch exakt, wie alles beim @dottore, codifiziert.
Aber das ist ja für Debitisten nichts neues.
Er schrieb auch mal "Ur-soll" sei auch nicht falsch, "Bedarf" sei aber falsch (wahrscheinlich weil der Begriff Bedarf nicht auf einen konkreten Termin und eine konkrete Grössenordnung abziehlt).
"Bedürfnis, das – Definition quasi jeder Schuld – durch Zeitablauf nicht ab-, sondern zunimmt."

Nur: wo ist dieser Gewinn [des Urschuldbegriff's]?

"Dass eine laufende Schuld etwas anderes ist als eine einmalige Bedürfnisbefriedigung. Denn damit endet die Geschichte nicht."
Diskussion mit @Moneymind

Du und ich sind uns da in vielen Aspekten schon sehr einig, insbesondere
darin, dass Urschuld eigentlich ein thermodynamisches Prinzip ist und daher
unabhängig vom Bewusstsein derselben existiert.

Ganz genau.
Offene thermodynamische Systeme fernab des thermodynamischen Gleichgewichtes, wie z.B. Lebewesen, müssen andauernd entropiearme Energie aufnehmen und entropiereiche Energie abgeben und dabei Entropie exportieren.
Die Masse/Energiemenge bleibt ja vor und hinter der dissipativen Struktur die gleiche.

Kern des Dissenz ist ja aus meiner Sicht offensichtlich, dass:
1. einige Debitisten das Bestehen einer Urschuld mit der Notwendigkeit

eines > Bewusstseins über das Vorliegen der Schuld verbinden (z.B.
@dottore,

@pigbonds, @Ashitaka).
2. Andere bestreiten schlicht die Existenz einer Urschuld (z.B. viele im

DF > Überschuss-/Bedarfskonzept aber auch zunehmend im DGF) und

3. Leute wie ich, die behaupten: urschuldig ist jedes System, das zu

leben

beginnt (zu existieren beginnt), egal ob es nun von seiner Schuld weiss

oder

nicht.


Schön zusammen gefasst. Ich rechne mich da zu 3.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob dottore wirklich in 1 gehört.

Ich auch nicht.
@Ashitaka aber, und der hat sich bisher immer 1:1 an @dottore gehalten und diesen nur immer weiter ausgebaut und sehr gut ergänzt und auf spannende Metaebenen gesetzt.
"Es geht aber immer um "Wirtschaften".
@dottore
Und irgendwo wird IMHO auch behauptet das Tiere/Pflanzen weder wirtschaften noch Zins leisten müssten, obwohl sie sehr wohl beides müssen (Nachschuldner stellen und im Zeitablauf anwachsende Verschuldung bedienbar halten = eben um ihr Überleben kämpfen).
"Urschuld wächst bei Nichtbedienung ständig, da Hunger/Durst usw. zunimmt.
Eine laufende Schuld ist etwas anderes als eine einmalige Bedürfnisbefriedigung. Sie muss täglich und stündlich erfüllt werden.
Nur steigt der Erfüllungsdruck täglich und stündlich an. Das ist der Kern.
Die Einsicht des „Anwachsens“ ist die Erkenntnis."
@dottore
"Urschuld? In nominalen Geldeinheiten gerechneter Betrag zur Lebenserhaltung (Lebensunterhalt und Lebensaufenthalt) bei mittlerer Lebenserwartung, abgezinst auf den Tag der Geburt."
@dottore
"Ich verstehe unter Urschuld die Verpflichtung eines produktionsfähigen Menschen, für sich selbst und jene zu produzieren, die er zu betreuen hat (Alte, Kinder)."
@dottore
"Debitistischer Ablauf ("Wirtschaften", nicht Produzieren - etwa zur Tilgung der"Urschuld") setzt also Staat voraus."
@dottore
"Die Urschuld führt einzig und allein zum Produzieren, was bekanntlich nichts mit"Wirtschaften" zu tun hat. Die Ursache ist Deine physische Existenz, nichts weiter."
@dottore

Dein Zitat gibt das in meinen Augen nicht her:
„Die Erkenntnis, sich selbst etwas schuldig zu sein, muss zusammenfallen
mit der Erkenntnis, dass Zeit vergeht. Tiere kennen dieses "Zeitgefühl"
bekanntlich nicht. Die Erkenntnis der Urschuld muss den Menschen wie einen
Keulenschlag getroffen haben. Mit einem Mal ist er in die harte Realität
des Seins geworfen. Die Zeit des Paradieses ist vorbei."
@dottore

Dottore stellt hier nur einen Zusammenhang her zwischen dem Bewusstsein
der Urschuld und dem Bewusstsein des Zeitverlaufs, aber er macht das
Bewusstsein der Urschuld damit nicht zur Bedingung für das Vorliegen einer
Urschuld. Im Gegenteil macht er an anderen Stellen ja deutlich, dass auch
Tiere urschuldig sind. Sie sind sich dessen nur nicht bewusst.

Das würde für mich mehr Sinn machen, weil ich meine, dass @dottore sein Urschuldkonzept schon sehr, sehr gut ausformuliert hatte.
Hast du ein Zitat?
Der Meister selbst schweigt sich ja in den letzten Jahren zum Thema aus und sinniert eher über das Schicksal männlicher Küken.[[herz]]
"Jeder kann die Urschulden von Jedem bedienen"
"Urschuld = Kaloriendefizit"
"Urschuld lässt sich auch ganz ohne Geld, Zins, Märkte, Preise usw. tilgen. Siehe Sammler- und Jägergesellschaften."
@dottore

Und ich meine, die früher von mir auch vertretene Überzeugung von
A.Schopenhauer, dass die Urschuld gegenüber der Natur besteht, die ein

Leben > verleiht und es deshalb am Ende zurück haben muss, ist nicht
richtig.

Die Natur ist nicht der Gläubiger urschuldiger Lebewesen, es ist das
Lebewesen selbst (wie @dottore richtig geschrieben hatte), dass es sich

selbst (und nur sich selbst) schuldig ist, überleben zu müssen, damit

aber

bekanntlich als einzelnes Teil immer früher oder später scheitert,

wenn man

Leben nur als Interaktionen einzelner Lebewesen betrachtet und nicht als

Prozess, der sich durch die Äonen der Evolution und durch die

Generationen

von Menschen hindurch zieht und dabei immer komplexer und vermögender

wird.

Ich sehe da nach wie vor keinen bedeutenden Unterschied. Da ich meine
Urschuld nicht tilgen kann,

Du tilgst doch aber deine Urschuld ununterbrochen (ÜBERLEBEN MÜSSEN, Termin ist dauernd neu) - du kümmerst dich doch ständig um dein Überleben.
Sie wächst nur leider mit Systemveränderung (oft wird fälschlicherweise von Zeitablauf gesprochen) zu, je älter du wirst um so schneller, weil immer mehr in dir stirbt und immer weniger beginnt neu zu leben, bis du dann als Gesamtsystem fallierst, weil zu viel abstirbt im Vergleich zum zu wenigen nachwachsenden.

welche Rolle sollte es da spielen, bei wem ich
verschuldet bin? Ob ich nun sage "Ich schulde meine Urschuld der Natur."
oder "Ich schulde meine Urschuld mir selbst.", welchen Unterschied soll das
machen?

Die Verantwortlichkeit?
Du bist es DIR schuldig, DEIN verliehenes Potential zu nutzen.
Das ist doch ein höherer Anreiz, als wenn du einem Dritten schuldest, der dann wohlwollend oder ablehnend ist.
Überlebst DU, dann bist vor allem DU dafür verantwortlich und kein Gott und keine Natur (natürlich im Rahmen des Möglichen).
Ist der Gläubiger die Natur hat ja von deiner Seite her eh alles keinen Zweck.
Selbstheilungsprozesse z.B. sind IMHO gewaltig und kommen aus uns selbst heraus.
Ich denke z.B. dass man sich den grössten Teil der Schulmedizin und auch der alternativen Therapie sparen kann, wobei man da schlecht sagen kann was denn nun genau, weil ja der Glaube an eine Heilung sicher mehr leistet als der Wirkstoff.
Überlebst DU nicht hast DU dein Potential nicht ausreichend genutzt.

In meinen Augen ist es völlig ohne Belang! Die zweite Aussage
passt vielleicht besser in unser individualistisch geprägtes westliches
Weltbild, während die erste eher mit einem universalistisch geprägten
buddhistischen Weltbild zusammen passt, aber in den Konsequenzen scheint
mir diese Unterscheidung vollkommen unerheblich.

Von der Systematik her muss es IMHO bedeutsam sein.
Wenn ich mich mit Schuldverhältnissen beschäftige, muss ich Gläubiger und Schuldner ganz genau zuordnen können, sonst kann ich die Schuldverhältnisse, ihre historische Entstehung und ihre aktuelle Phänomenologie nicht korrekt beschreiben und werde mit all meinen Aussagen angreifbar.

Der Knackpunkt ist für mich, dass ja Abgabeschulden historisch aus Urschulden abgeleitet sind (Abwälzen derselben auf Nachschuldner der gleichen Art per Gewalt und Zwang).
Der Schuldner ist der unterworfene Stamm, der Gläubiger der unterwerfende Stamm.
Damit ist keine Natur als möglicher Gläubiger mehr im Spiel.
Sie stellt das Potential bereit, verleiht es.
Nutzen muss ich es schon selbst.

Es bleibt ein schwieriges Terrain
Liebe Grüße
Silke


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