Natura non saltat

Weiner, Montag, 12.08.2019, 11:47 (vor 1711 Tagen) @ Dieter2875 Views

Hallo Dieter,

die Natur springt nicht. Ich füge, zuspitzend, meist hinzu: sie springt nicht um die Ecke. Vielmehr entwickelt sie sich stetig und nach Regeln. Zufall ist eine der Regeln.

Die menschliche Kultur und Geschichte sind Teil der Natur. Auch sie entfalten sich und vergehen nach gewissen Regeln - das schließt die zeitliche Ablaufstruktur von entsprechenden Prozessen mit ein.

An der Börse wird für Dich gezählt (nach Indexpunkten oder Preisen), und im Verlauf der Zeit bilden diese Werte-Zeitreihen wiederkehrende Muster - wie man hier auf dem Forum wohl annimmt und damit zu arbeiten versucht. Im Bereich der politischen Geschichte zählt niemand für Dich - da musst Du selber zählen. Etwa Kriege nach Häufigkeit und Dauer, oder Messerattacken oder Amtszeiten von Präsidenten etc. etc. etc. - das Schlimme an der Geschichte ist, dass es so viel davon gibt. Wenn Du dann gezählt und aufgereiht hast, ergeben sich die Muster meist von selbst.

Zur Geopolitik: Polen ist irrelevant (aus der Sicht von Russki; und von der ganzen Welt her gesehen sowieso). Komplizierter ist es mit Skandinavien. Zuerst aber wird die Ukraine erneut angeschlossen. Stell Dir einfach vor, dass in Europa und in den USA ein komplettes Chaos herrscht, das bewußt angerichtet wurde (deswegen hatte ich in meinem letzten Mail den Ausdruck "inszeniert" gebraucht). Und sei Dir bewußt, dass die gesamte Politik in Russland heute in den Händen der Silowiki (siehe Wiki ...) ist. Das kann ein mentaler Vorteil sein, etwa wenn man sich wie Putin ab 2000 freikämpfen muss. Aber es gibt Situtation, wo Militärs nicht die Entscheidung treffen sollten. Siehe Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges.

China ist in der Lage zu warten und hat alle, alle Trümpfe in der Hand - ganz wie die USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der stärksten Position waren. Damals ging es um Deutschland. Heute geht es um Russland. Im Kern handelt es sich um eine geopolitische Ausgleichsbewegung zwischen der bislang stark auf die USA fokussierten Plutokratie und Russland und China. Die Plutokratie versucht in China einzudringen (schon seit 100 Jahren) und versucht dort Einfluß zu nehmen, Russland hatte sie in den 1990ern schon in den Händen - ist ihr aber wieder entglitten. Europa dagegen hat überhaupt nichts mehr zu sagen, es hat sich ins Abseits manöveriert, etwa wie das lahme Frankreich neben D und GB während des 20. Jahrhunderts.

Natürlich gibt es Entwicklungen, die die Geopolitik transzendieren (ich glaube, @Andudu hat das neulich antippen wollen), aber die geopolitischen und globalwirtschaftlichen Konstellationen bestimmten durch ihre Trägheit und Schwere doch zu einem guten Teil das materielle Geschehen.

Deutschland wird 2027 völkerrechtlich und "militärisch" etc. wieder vollständig souverän sein. Aber der Preis dafür wird sehr hoch sein.

Freundliche Grüße von Weiner


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