Der Weg ins Freie

Tempranillo, Freitag, 21.06.2019, 14:10 (vor 1742 Tagen) @ Tempranillo3139 Views
bearbeitet von unbekannt, Freitag, 21.06.2019, 15:05

Die jüngsten transatlantisch-demokratischen Gemeinheiten, denen sich der geniale Kabarettist Dieudo ausgesetzt sieht, veranlassen mich wieder, für die Rückbesinnung auf originär Europäisches zu plädieren. Dort werden wir, wenn überhaupt, die Mittel und Wege zu unserer Befreiung finden, alles andere, das durchweg unter angloamerikanisch-transatlantischen Vorzeichen steht, treibt uns jeden Tag mehr in Abhängigkeit und Sklaverei.

Trotzdem ist an Deiner Beobachtung etwas Wahres. Für mich wäre es der
Gegensatz zwischen der seit 1919, spätestens aber 1945 zu beobachtenden
seelischen Kontraktion, die sich mir als Abstumpfung und Vertierung
darstellt, und der seelischen Expansion, wie sie die Kunst Europas
transportiert

Die für Europa so unerhört bezeichnende seelische Expansion könnte man anhand dieses Ausschnitts nacherleben. Noch dazu wurde die innere Ausdehnung der Titelfigur mit geradezu demagogischer Effektsicherheit in einen Rahmen gebettet, den man mit etwas Wohlwollen als Darstellung seelischer Kontraktion betrachten könnte:

https://www.youtube.com/watch?v=WpTmUJO0fus&t=5156s#t=75m10s

Zwei Kontrahenten, sie sich duellieren werden, stehen sich am Spieltisch gegenüber und sinnieren, wie sie dem anderen eine reinwürgen können.

Violettas wiederkehrende Phrase *Ah perché venni, incauta? Pietà gran dio, pietà gran dio di me* steht für Expansion, die Einbettung wäre aggressionsgeladene Kontraktion.

Da wir hier jede Menge Autoren und Leser mit großem oder kleinem Latinum haben, muß ich nicht wieder übersetzen und darf mich darauf verlassen, daß die vom erhabenen Latein abgeleitete Sprache ohne Probleme verstanden wird.

Die Szene am Spieltisch führt zu einem Beziehungsgespräch, an dessen Ende zwar nicht der Watsch'nbaum umfällt, es passiert etwas noch Scheußlicheres:

https://www.youtube.com/watch?v=WpTmUJO0fus&t=5156s#t=78m9s

Der Ausschnitt wäre auch eine Gelegenheit, die Schönheit des Italienischen zu bewundern.

Welche Welten muß ein Mann wie Verdi in sich getragen haben, der saugrob und ungehobelt werden konnte, daß er die Innensicht der Pariser Kurtisane Violetta Valery vertonen kann, nicht nur ein arsch- und tittenstrotzendes Abziehbild?

Daß es ihm gelingt, den wie viele Italiener zur hochtourigen Überhitzung neigenden Alfred zu gestalten, kann man erwarten. Diese Eigenschaft wird er, wenn auch kontrolliert, in sich getragen haben, wie viele Deutsche den Hang zu romantischer Wirklichkeitsentfernung.

Wo aber hat er Violetta hergenommen?

Hier öffnet sich wieder mal ein Abgrund. Aber nicht einer des Abscheus und Ekels, wie so oft, hat man mit Europäischem zu tun, ist es einer der Bewunderung.

Abschließend eine Frage an alle, die Latein gehabt haben: Wer von ihnen versteht diesen, debitistische Zusammenhänge und in einer kontrahierten Schuld endenden Dialog, ohne dauernd im Wörterbuch nachzuschlagen oder eine Übersetzung heranzuziehen?

https://www.youtube.com/watch?v=WpTmUJO0fus&t=5156s#t=34m15s

Ich kann es nicht oder nur teilweise und bin, je älter ich werde, desto mehr der Ansicht, daß Latein mit weitem Abstand das Sinnloseste gewesen ist, womit ich je gequält worden bin.

Falls das jemand liest, der Latein und vielleicht auch Altgriechisch als seine Berufung betrachtet, soll er sich bitte nicht angerempelt fühlen. Ich habe vor seiner Präferenz größten Respekt, nur halte ich es nicht für ratsam, Latein oder Griechisch verpflichtend zu machen.

Tempranillo

--
*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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