Ich möchte dir für alle Deine Beiträge im DGF meine Hochachtung ausdrücken

Oberbayer, Samstag, 25.01.2020, 16:52 (vor 1546 Tagen) @ Weiner3070 Views

Oder mit anderen Worten,Du bist für mich einer der wertvollsten Schreiber im DGF.
Und wenn ich mal "Einspruch" einlege,dann nur weil mir einige Sätze zu simpel erscheinen.
Jede Gesellschaftsordnung tut alles zu ihrem Erhalt.Das war bei den alten Ägyptern,den Römern,den Griechen...bis zum Sonnenkönig so und ist heute angesichts der technischen Möglichkeiten der Überwachung noch weit effizienter.
Wenn ich hier im DGF einen Beitrag schreibe,dann weiss jeder im Überwachungsstaat D, das ich im Ort PLZ xxxxx, Strasse Nr xx wohne und mein Name xxxxx.xxxxxx ist.
Vielen ist das nicht bewusst. Google kennt alle meine Internet-und whatsapp-Kontakte,alle Bilder die ich hochlade etc.pp.
Und damit kennen auch alle "Interessierte" diese Fakten.Die Staatssicherheit der DDR war dagegen ein Karnevalsverein.
Und ich denke,auch Dir ist das bewusst.
Deswegen,meine ich,wird der Kapitalismus mit all seinen schönen und schlechten Eigenschaften noch ein langes Leben vor sich haben.

Sehr freundliche Grüße zurück

Hallo Oberbayer,

dass ich den Kapitalismus ganz begriffen hätte, will ich nicht behaupten.
Ich ringe seit einiger Zeit um ein angemessenes und für weitere
Überlegungen hilfreiches Verständnis. Hatte vom Forum hier einiges
erwartet, aber ...

Die Formel, die Du nun bringst, ist m.E. weder vollständig noch
tiefgreifend. [Brauchst aber nicht weiter drauf eingehen!]. Wenn ich etwa
den ersten chinesischen Kaiser nehme - der mit der Armee aus Lehm -, dann
finde ich da zwar Gier und Angst und Staat, aber wohl keinen Kapitalimus.

Man sollte m.E. auch unterscheiden zwischen der Entwicklung des
Kapitalismus historisch gesehen (in der mittelmeerischen Antike wohl einige
Ansätze, jedoch volle Ausformung erst in Europa, etwa ab Spätmittelalter)
und dem heutigen Kapitalismus. Und da er inzwischen nun mal bekannt ist,
kann - wer das will - ihn als Instrument des Wirtschaftens und Herrschens
nutzen. Hier fällt einem etwa Deng Xiaoping ein. Und gewisse Hintertanen,
die ihn laufend optimieren und räumlich ausdehnen ...

Es ergibt sich dann folgende interessante Frage: kann, wer diesen Geist
gerufen hat, ihn am Ende auch kontrollieren und ggfs. wieder in die Flasche
zurückbefördern? Oder wird man diesen Geist nicht mehr los? Da laufen in
China gegenwärtig sehr interessante Prozess ab, die ich aufmerksam
verfolge.

[Einschub, weil aktuell: Ich wurde vor ein paar Jahren darauf hingewiesen,
dass es Überlegungen, Planungen und vermutlich Vorbereitungen gibt, China
mit unkonventionellen Waffen zu stören bzw. handlungsunfähig zu machen -
Waffen, die auf den ersten Blick gar nicht als Waffen oder Fremdeinwirkung
erkannt werden. Ich behaupte nun nicht, dass die gegenwärtige Epidemie
eine solche Ursache hat. Jedoch wird von den Hintertanen aktuell sehr
aufmerksam beobachtet, wie China auf diesen Virus reagiert. Und auch China
selbst wird hinterher reflektieren, wie es diese Krise bewältigt hat - und
ob etwa weitere Vorbereitungen nötig sind, um in einem anderen, viel
ungünstigeren Fall noch angemessener handeln zu können. Gewissermaßen
haben die chinesische Regierung und die Partei das große Glück, dass dies
jetzt passiert ist: was mich nicht tötet, macht mich nur stärker ...].

Deshalb frage ich dich: Wer ist "man", der ihn (den Kapitalismus)

"willentlich" abschaffen kann?

Wo hat "man" seine Streitkräfte verborgen,um dieses Ziel

durchzusetzen?

Ich gebe eine (wie immer) komplizierte Antwort. Über das "man" denke ich
manchmal nach. Im hier verwendeten Zusammenhang würde ich es als
"den Menschen, theoretisch bzw. ideal gesehen" verstehen wollen. Denn in
meinen Augen der Mensch noch nicht voll entwickelt. Als biologischer
Organismus ist er, keine Frage, relativ feststehend. Desgleichen ist auch
seine emotionale und verhaltensmäßige Grundstruktur ziemlich fixiert.
Daran lässt sich also nicht viel drehen. Wenn man allerdings die
Kulturgeschichte der letzten 40.000 Jahre überblickt, erkennt man, dass
sowohl einzelne Individuen wie auch einzelne Menschengemeinschaften aus
ihren menschlichen Anlagen sehr, sehr viel mehr herausgeholt haben als der
breite Durchschnitt - um es mal salopp zu sagen. Das macht Hoffnung, dass
das doch noch mal in die Breite gehen könnte und dass diese Entwicklung
(im Sinne von Ausschöpfung der vorhandenen Anlagen) noch nicht zu Ende
ist. Weil es keine biologische Entwicklung mehr sein kann (wie oben
gesagt), kann es eine kulturelle sein.

Den Kapitalismus zu bekämpfen, lohnt sich meines Erachtens nicht.
Insofern ist eine Streitmacht nicht nötig. Er wird sich eines Tages
erübrigen.

Ein willentliches 'Beenden' haben die Marxisten und Sozialisten
versucht, sind aber intern (falsche Organisation) und extern
(Wettbewerb mit anderen Mächten) gescheitert. Ich wollte gestern Kuba als
Beispiel für eine solche willentliche Beendigung bringen, hab' dann aber
São Tomé genommen, weil genauso gelaufen, aber weniger bekannt. Erkenne
nun aber, dass derartige Schlenker hier wenig goutiert werden.

Ich schließe die Diskussion mit einem weiteren Zitat aus dem (sehr
abstrakten) Buch von Corinne Pelluchon [Ethik der Wertschätzung: Tugenden
für eine ungewisse Welt]:

"Das politische Problem kann folgendermaßen formuliert werden:
Wie können die Individuen so zusammenleben, dass sie ihre Unterschiede
und Streitigkeiten zwar ausdrücken, also gegeneinander
stehen, dass sie aber nicht in Hass verfallen, sondern im Zusammenleben
die Gelegenheit finden, sich gegenseitig zu bereichern? Statt zu
postulieren, dass eine soziale Harmonie existiert, die zu schaffen die
Geschichte, die Religion, die Sprache und die Kultur hinreichen, und statt
das Gespenst des Nationalismus zu bemühen, geht es darum, die Regeln zu
suchen, dank denen die Bürger zusammenleben und die Prioritäten des
Politischen festlegen können." *)

Ebenfalls freundlich grüßend und lächelnd,

Weiner

*) Seite 171. In diesem Definitionsversuch schwingt unerkannt mit, dass
die Politik das Gute suchen ("sich gegenseitig bereichern") und das Böse
("Hass") meiden müsse. Es wird hier lieblicherweise Politik mit Ethik
vermischt, was m.E. nicht zwingend ist. Politik kann auch dem Nutzenkalkül
folgen, etwa wenn zwei Mafia-Organisationen sich arrangieren. Deswegen
lasse ich selbst das gerne weg und versuche reduzierter zu formulieren:
Politik ist Handeln in Gemeinschaft bzw. gemeinschaftliches Handeln.


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