Propaganda für Monsanto?

Otto Lidenbrock, Nordseeküste, Donnerstag, 28.11.2019, 09:43 (vor 1605 Tagen) @ nereus1307 Views

Lieber nereus,

mich erreichte eben eine Leserzuschrift, die Deinen Beitrag als Propaganda für Monsanto empfand.

Ich persönlich sehe das nicht so. Wenn sich heute die Landwirte über ihre Produktionsbedingungen in Deutschland beschweren und gegen weitere Auflagen und Verschärfungen protestieren, bedeutet das in meinen Augen nicht, dass es für sie per se nur um mehr Profit durch den Einsatz von billigen Chemikalien, Kunstdüngern und lascheren Bestimmungen für die Nutztierhaltung geht. Wenn eine Regierung die Auflagen für die landwirtschaftliche Produktion von Nahrungsmitteln verstärkt, bedeutet dies für die Produzenten logischerweise eine Erhöhung der Kosten und damit eine Verteuerung ihrer Produkte. Diese Produkte müssen auf dem Markt verkauft werden. Wenn dieser Markt aber nicht ausschließlich einheimische Produzenten zulässt, entsteht naturgemäß eine Konkurrenzsituation. Produziert der ausländische Konkurrent unter weniger strengen Auflagen, kann er günstigere Preise anbieten - eine Binsenweisheit.

Wenn wir in Deutschland tatsächlich eine Verringerung des Einsatzes von Chemikalien und Kunstdüngern wollen, wenn wir bessere Haltungsbedingungen für Nutztiere als selbstverständlich ansehen, dann hat die Regierung dafür zu sorgen, dass hier ausschließlich Produkte verkauft werden dürfen, die entsprechende Anforderungen und Standards erfüllen. Angesichts der Mitgliedschaft in der EU und eines globalen Marktes für Agrargüter ist eine derartige Protektion der heimischen Märkte absolut ausgeschlossen.

Ich kann zwar verstehen, dass sich die Konsumenten bessere und nachhaltiger erzeugte Lebensmittel wünschen, gleichzeitig wären die meisten von ihnen aber ganz sicher nicht bereit und viele auch gar nicht in der Lage, dafür deutlich höhere Preise zu bezahlen. Die aber würden für heimische Produkte automatisch entstehen, wenn die staatliche Reglementierung schärfer würde. Ich bin der festen Überzeugung, dass so gut wie alle Landwirte auch lieber naturnäher produzieren würden, wenn sich ihnen dazu die Gelegenheit bieten würde. Leider müssen sie mit ihren Produkten auf einem internationalen Markt konkurrieren, da sie von staatlicher Seite wenig HIlfe erhalten (die EU-Subventionen der Landwirtschaft sind zwar eine massive staatliche Hilfe, ohne diese Subventionen könnten viele Landwirte aber schon heute einpacken).

Im Grunde sprechen wir hier über das Dilemma der Globalisierung, über das nicht eingelöste Versprechen von Ricardo aus dem Lehrbuch für Volkswirtschaftslehre: Freihandel führt eben auch auf lange Sicht nicht zu den besten Produkten zu günstigsten Preisen, weil jeder das macht, was er am besten kann.

Wenn man den Protest der Landwirte nachvollziehen kann bedeutet das nicht unbedingt, dass man den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft unterstützt. Ich hoffe, der Autor der Leserzuschrift kann diese Argumentation ein wenig nachvollziehen!

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"Eine Gesellschaft befindet sich im vorübergehenden oder finalen Verfall, wenn der gewöhnliche, gesunde Menschenverstand ungewöhnlich wird."

William Keith Chesterton


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