Von mir zur Lesbarkeit entstellt; aber nicht verändert (Ein Zeichenfehler berichtigt)

Mephistopheles, Freitag, 04.10.2019, 11:19 (vor 1658 Tagen) @ Oblomow3443 Views
bearbeitet von Mephistopheles, Freitag, 04.10.2019, 11:22

Mal was Abgefahrenes.
Herzlich
Oblomow


Fragment eines unbekannten Autors

eine Ethik. Da die ganze Metaphysik künftig in die Moral fällt - wovon
Kant mit seinen beiden praktischen Postulaten nur ein Beispiel gegeben,
nichts erschöpft hat - so wird diese Ethik nichts anders als ein vollständiges System
aller Ideen, oder, was dasselbe ist, aller praktischen Postulate enthalten
seyn. die erste Idee ist natürlich die Vorstellung von mir selbst, als einem absolut
freien Wesen. Mit dem freyen, selbstbewußten Wesen tritt zugleich
eine ganze Welt – aus dem Nichts hervor – die einzig wahre und gedenk-
bare Schöpfung aus Nichts – Hier werde ich auf die Felder der Physik herab-
steigen; die Frage ist diese: Wie muß eine Welt für ein moralisches Wesen beschaffen seyn? Ich möchte unsrer langsamen an Experimenten müh-
sam schreitenden – Physik, einmal wieder Flügel geben.
So – wenn die Philosophie die Ideen, die Erfahrung die Data angibt,
können wir endlich die Physik im Großen bekommen, die ich von spätern Zeitaltern erwarte. Es scheint nicht daß die jezige Physik einen schöpferi-
schen Geist, wie der unsrige ist, oder seyn soll, befriedigen könne.
Von der Natur komme ich aufs Menschenwerk, die Idee der Menschheit
voran – will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der
Staat etwas mechanisches ist, so wenig als es eine Idee von einer Maschine gibt.
Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heist Idee. Wir müßen also auch
über den Staat hinaus! – Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechani-
sches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören.
Ihr seht von selbst, daß hier alle die Ideen, vom ewigen Frieden u.s.w. nur untergeordnete Ideen einer höhern Idee sind. Zugleich will ich hier die Princi-
pien für eine Geschichte der Menschheit niederlegen, und das ganze elende
Menschenwerk von Staat, Verfaßung, Regierung, Gesezgebung – bis
auf die Haut entblösen. Endlich kommen die Ideen von einer moralischen Welt,
Gottheit, Unsterblichkeit – Umsturz alles Aberglaubens Afterglaubens, Verfolgung des Priesterthums, das neuerdings Vernunft heuchelt, durch die Vernunft
selbst. – die absolute Freiheit aller Geister, die die intellektuelle Welt in sich tragen, und weder Gott noch Unsterblichkeit ausser sich suchen
dürfen.
Zulezt die Idee, die alle vereinigt, die Idee der Schönheit, das Wort in
höherem platonischem Sinne genommen. Ich bin nun überzeugt, daß
der höchste Akt der Vernunft, der, indem sie alle Ideen umfast, ein ästhe-
sti tischer Akt ist, und daß Wahrheit und Güte, nur in der Schönheit ver-
schwistert sind – Der Philosoph muß eben so viel ästhetische Kraft besizen, verso: als der Dichter, die Menschen ohne ästhetischen Sinn sind unsre BuchstabenPhilo-
sophen. Die Philosophie des Geistes ist eine ästhetische Philosophie. M Man kan
in nichts geistreich seyn selbst über Geschichte kan man nicht geistreich
raisonniren – ohne ästhetischen Sinn. Hier soll offenbar werden, woran es eigentlich
den Menschen fehlt, die keine Ideen verstehen, – und treuherzig genug gestehen, daß ihnen alles dunkel ist, sobald es über Tabellen und Regi-
ster hinausgeht.
Die Poësie bekömmt dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wie-
der, was sie am Anfang war – Lehrerin der Geschichte Menschheit;
denn es gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die dichtkunst allein
wird alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben.
Zu gleicher Zeit hören wir so oft, der große Hauffen müße eine sinnliche Re-
ligion haben. Nicht nur der große Hauffen, auch der Philosoph bedarf ihrer. Monotheismus der Vernunft und des Herzens, Polytheismus der Einbildungs- kraft und der Kunst, dis ists, was wir bedürfen!
Zuerst werde ich hier von einer Idee sprechen, die so viel ich weiß, noch
in keines Menschen Sinn gekommen ist – wir müßen eine neue Mythologie
haben, diese Mythologie aber muß im Dienste der Ideen stehen, sie mus
eine Mythologie der Vernunft werden.
Ehe wir die Ideen ästhetisch d.h. mythologisch machen, haben sie für
das Volk kein Interesse und umgekehrt ehe die Mythologie vernünftig ist, muß
sich der Philosoph ihrer schämen. So müssen endlich aufgeklärte und Unauf-
geklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muß philosophisch werden, und das Volk vernünftig, und die Philosophie muß mythologisch werden, um die Philo- sophen sinnlich zu machen, dann herrscht ewige Einheit unter uns. Nimmer der verachtende Blik, nimmer das blinde Zittern des Volks vor seinen Weisen und Priestern, dann erst erwartet uns gleiche Ausbildung aller Kräfte, des Einzelnen sowohl als aller Individuen. Keine Kraft wird mehr unterdrükt werden, dann herrscht allgemeine Freiheit und Gleich-
heit der Geister! – Ein höherer Geist vom Himmel gesandt, muß
diese neue Religion unter uns stiften, sie wird das lezte, gröste Werk der Menschheit seyn.
---

Gruß Mephistopheles


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung