Deutsche Gedichte No. 6 | Rainer Maria Rilke: Herbsttag

Oblomow, Sonntag, 22.09.2019, 11:29 (vor 1650 Tagen) @ Oblomow4317 Views
bearbeitet von Oblomow, Sonntag, 22.09.2019, 11:46

Jetzt kommen eben ein paar vor langer Zeit mal auswendig gelernte Gedichte. Bei diesem Rilkegedicht streift es irgendwie den Kitsch, dennoch...

Herzlich und einen Herbsttag, der sich gewaschen hat
Oblomow

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Rainer Maria Rilke Herbsttag

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris


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