Moin Silke!

Naclador, Göttingen, Mittwoch, 21.08.2019, 14:03 (vor 1707 Tagen) @ Silke4880 Views

Da sind wir also wieder mal beim Thema Urschuld, wie schön!

Du und ich sind uns da in vielen Aspekten schon sehr einig, insbesondere darin, dass Urschuld eigentlich ein thermodynamisches Prinzip ist und daher unabhängig vom Bewusstsein derselben existiert.

Kern des Dissenz ist ja aus meiner Sicht offensichtlich, dass:
1. einige Debitisten das Bestehen einer Urschuld mit der Notwendigkeit eines > Bewusstseins über das Vorliegen der Schuld verbinden (z.B. @dottore,
@pigbonds, @Ashitaka).
2. Andere bestreiten schlicht die Existenz einer Urschuld (z.B. viele im DF > Überschuss-/Bedarfskonzept aber auch zunehmend im DGF) und
3. Leute wie ich, die behaupten: urschuldig ist jedes System, das zu leben
beginnt (zu existieren beginnt), egal ob es nun von seiner Schuld weiss oder
nicht.

Schön zusammen gefasst. Ich rechne mich da zu 3.

Ich bin mir aber nicht sicher, ob dottore wirklich in 1 gehört.

Dein Zitat gibt das in meinen Augen nicht her:
„Die Erkenntnis, sich selbst etwas schuldig zu sein, muss zusammenfallen mit der Erkenntnis, dass Zeit vergeht. Tiere kennen dieses "Zeitgefühl" bekanntlich nicht. Die Erkenntnis der Urschuld muss den Menschen wie einen Keulenschlag getroffen haben. Mit einem Mal ist er in die harte Realität des Seins geworfen. Die Zeit des Paradieses ist vorbei."
@dottore

Dottore stellt hier nur einen Zusammenhang her zwischen dem Bewusstsein der Urschuld und dem Bewusstsein des Zeitverlaufs, aber er macht das Bewusstsein der Urschuld damit nicht zur Bedingung für das Vorliegen einer Urschuld. Im Gegenteil macht er an anderen Stellen ja deutlich, dass auch Tiere urschuldig sind. Sie sind sich dessen nur nicht bewusst.

Und ich meine, die früher von mir auch vertretene Überzeugung von
A.Schopenhauer, dass die Urschuld gegenüber der Natur besteht, die ein Leben > verleiht und es deshalb am Ende zurück haben muss, ist nicht richtig.

Die Natur ist nicht der Gläubiger urschuldiger Lebewesen, es ist das
Lebewesen selbst (wie @dottore richtig geschrieben hatte), dass es sich
selbst (und nur sich selbst) schuldig ist, überleben zu müssen, damit aber
bekanntlich als einzelnes Teil immer früher oder später scheitert, wenn man
Leben nur als Interaktionen einzelner Lebewesen betrachtet und nicht als
Prozess, der sich durch die Äonen der Evolution und durch die Generationen
von Menschen hindurch zieht und dabei immer komplexer und vermögender wird.

Ich sehe da nach wie vor keinen bedeutenden Unterschied. Da ich meine Urschuld nicht tilgen kann, welche Rolle sollte es da spielen, bei wem ich verschuldet bin? Ob ich nun sage "Ich schulde meine Urschuld der Natur." oder "Ich schulde meine Urschuld mir selbst.", welchen Unterschied soll das machen? In meinen Augen ist es völlig ohne Belang! Die zweite Aussage passt vielleicht besser in unser individualistisch geprägtes westliches Weltbild, während die erste eher mit einem universalistisch geprägten buddhistischen Weltbild zusammen passt, aber in den Konsequenzen scheint mir diese Unterscheidung vollkommen unerheblich.

Viele Grüße,
Naclador

--
"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung