Nix gelb. Interessiert wohl außer uns Beiden niemanden

Mephistopheles, Samstag, 17.08.2019, 15:30 (vor 1707 Tagen) @ Oblomow2573 Views

Ich habe nur so viel verstanden - wobei ich natürlich nicht

ausschließe,

dass ich nicht alles verstanden habe oder das, von dem ich meine, dass

ich

es verstanden hätte, falsch verstanden habe: Die Vernunft ist unser
einziger Maßstab, mit dem wir unterscheiden können, ob etwas wahr ist
oder falsch. Was aber ist der Maßstab der Vernunft? Wie kann

entschieden

werden, was Vernunft ist? (Für den Gläubigen ist alles Seiende

göttlich

bzw. von Gott erschaffen und somit ein Beweis für die Existenz und den
Willen und die Allmacht Gottes)

Eine wirklich originelle und wichtige Frage, wenn ich, s.o., sie

richtig

erfasst habe.
Ich behelfe mir damit, dass ich nicht mehr frage, ist es gut oder

böse,

sondern: Ist es edel oder niedrig? [[freude]]
Die Vernunft wäre demnach aber nicht fix, sondern wandelbar (kein
Fixstern, sondern ein Planet, der uns in seine Schwerefeld einbezieht).


Das ist ja schon mal eine Frage. Entscheidender, wobei ich mich sicher
irre, ist jedoch die Sprachkritik, hier Nietzsche und Wittgenstein
vorwegnehmend. Hamann dazu:

"Der dritte, höchste und gleichsam empirische Purismus betrifft
also noch die Sprache, das einzige, erste und letzte Organon und
Kriterium der Vernunft, ohne ein anderes Kreditiv als Überlieferung und
Usum [Gewohnheit, wp]. Es geht aber einem auch beinah mit diesem Idol,
wie jenem Alten mit dem Ideal der Vernunft. Je länger man nachdenkt,
desto tiefer und inniger man verstummt und alle Lust zu reden verliert.
"Weh den Tyrannen, wenn sich Gott um sie bekümmern wird! Wozu fragen sie
also nach Ihm? Mene, mene, tekel den Sophisten! ihre Scheidemünze wird zu
leicht gefunden und ihre Wechselbank zerbrochen werden!

Rezeptivität der Sprache und Spontaneität der Begriffe! - Aus dieser
doppelten Quelle der Zweideutigkeit schöpft die reine Vernunft alle
Elemente ihrer Rechthaberei, Zweifelsucht und Kunstrichterschaft, erzeugt
durch eine ebenso willkürliche Analysis als Synthesis des dreimal alten
Sauerteigs neue Phänomene und Meteore des wandelbaren Horizonts, schafft
Zeichen und Wunder mit dem Allhervorbringer und Zerstörer, dem
merkurischen Zauberstabe ihres Mundes oder dem gespaltenen Gänsekiel
zwischen den drei syllogistischen Schreibefingern ihrer herkulischen Faust
- -

Schon dem Namen Metaphysik hängt dieser Erbschaden und Aussatz der
Zweideutigkeit an, der dadurch nicht gehoben, noch weniger verklärt werden
mag, daß man bis zu seinem Geburtsort, der in der zufälligen Synthese
eines griechischen Vorworts liegt, zurückgeht. Gesetzt aber auch, daß
es in der tranzendentalen Topik auf den empirischen Unterschied hinten
und über noch weniger ankäme, als bei einem a priori und a posteriori
auf ein hysteron proteron, [das Spätere ist das Frühere, wp] so breitet
sich doch das Muttermal des Namens von der Stirn bis in die Eingeweide der
ganzen Wissenschaft aus und ihre Terminologie verhält sich zu jeder
anderen Kunst-, Weid-, Berg- und Schulsprache, wie das Quecksilber zu den
übrigen Metallen."

Goethe, dieser seltsam undeutsche Urdeutsche mit spezieller Kenntnis des
Mephistophelischen schätzte Hamann arg, Kant ödete ihn an. Die Sprache,
darum geht es. In "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne",
den man gut als Begleittext zu Hamann lesen kann, geht es auch nur um eins,
eine Vernunftkritik aus dem Geiste der Sprachkritik. Womit wir wieder bei
@Ashitakas Spruch sind, der am Ende jeder seiner Beiträge steht usw, etc
pp

Goethe? So recht glauben konnte er wohl nicht und Gretchen hat er zum Tode verurteilt; aber immerhin hat er sich edel strebend bemüht, erlöst zu werden.
Gerettet ist das edle Glied
Der Geisterwelt vom Bösen,
Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen.

Kennst du Gödel, Escher, Bach von Douglas R. Hofstadter? Ein Kultbuch aus dem vergangenen Jahrtausend. Es geht um Selbstreferentialität in der Kunst und in der Informatik. Alle Beweise beziehen sich letzten Endes auf sich selbst bzw. sie sind unvollständig. Und da geht es nicht um irgendetwas Esoterisches oder Gelbes, sondern um trockenste Mainstram-Mathematik.

Gödel beweist mathematisch, dass die mathematischen Theoreme eben nicht beweisbar sind, sondern sich letzten Endes auf sich selber beziehen

Herzlich und ein schönes Wochenende
Oblomow

Gruß Mephistopheles


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