Gewohnheit (vs. Recht) ändert nichts an Verschuldung und Vorfinanzierungsproblem

Silke, Montag, 05.08.2019, 12:43 (vor 1719 Tagen) @ Ashitaka4594 Views
bearbeitet von Silke, Montag, 05.08.2019, 13:26

Danke für die Antwort, lieber Ashitaka,

Ja, es tut wirklich gut, mal wieder einfach nur Argumente zur Sache auszutauschen, über die man sich erst einmal ausreichend kundig gemacht hat, bevor drauf los geschnattert wird.

Debitismus:
Sich verschuldende Systeme müssen von ihren Systemelementen Abgaben
erheben, um ihre Existenz als System und damit die Handlungsräume

ihrer

Elemente und ihrer selbst finanzieren zu können.
Das nennen wir im "Kapital"ismus Tribut (nach extern) und Steuern (nach
intern) und früher Zinnß.


Die Stammes(gemeinschaft) als System verschuldet sich aber nicht.

Doch, doch.
Alle lebenden Systeme müssen sich nach den auch von dir hier schön heraus gearbeiteten debitistischen Gesetzmässigkeiten immer zuerst verschulden, weil auch sie immer und ständig das hier dargestellte Vorfinanzierungsproblem haben, nur eben nicht in der Grössenordnung wie ein ZMS, deren Interaktionen mit der restlichen Welt Potentialstrukturen und Vermögen ganz anderer Größenordnungen zu Grunde liegen.

Was existiert ist stets verschuldet (Urschulden), hat ein Vorfinanzierungsproblem (unlösbar und deshalb simulationsbedürftig) und muss Nachschuldner stellen (Wachstumszwang), indem zusätzlich Potential und Ressourcen in das System rein geholt werden müssen (Hirnschmalz, Energie, Arbeitskraft, Rohstoffe).

Auch Gemeinschaften müssen sich Notwendiges verschaffen, indem sie anderen Lebewesen weg nehmen, bzw NAchschuldner generieren, die deshalb fallieren müssen.
Sie ersammeln Knollen, Kerne und Früchte (lauter Speicher- und Vorratsphänomene der Pflanzen) oder Eier und andere tierische Speicher (Fettreserven/Milch/Wolle) die diesen dann fehlen, oder sie erjagen die Tiere, die nicht fit genug sind, um sich zu wehren oder einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort sind.

Eine Gemeinschaft existiert nicht einfach so, sondern weil alle Mitglieder nicht nur fachlich-sachlich sondern genau so stark emotional-sozial-integral zur Weiterentwicklung des ganzen Lebewesens "Gemeinschaft" befähigt sein müssen, weil Kinder aufgezogen (Potentialverleihungen)und eingebunden werden müssen, weil Krisen und schwere Zeiten überstanden werden müssen (wo soll dafür das Potential her kommen, wenn nicht aus den Gemeinschaften selbst), weil ständig dazu gelernt werden muss und das Vermögen erhöht werden muss im evolutionären Gegeneinander der Arten mit den Nahrungskonkurrenten und den direkten Feinden.

Bräuche sind zu pflegen, Rituale sind zu bewältigen, Magie muss geleistet werden und Ahnenreihen, Abstammungslinien, Konzepte der Erklärung der Welt sind zu verteidigen.
Ständige Mem-Mutationen müssen in der Gemeinschaft in gemeinschaftlichen Wissenszuwachs gewandelt werden.

Die Schuldigkeit von Stämmen ist ja bekanntlich nicht nur Befriedigung der Grundbedürfnisse sondern vor allem die kulturell-sozial-mentalen Phänomene, das Beschützen von gemeinsamen Wissen, Können und von Traditionen, die ununterbrochen mit viel Kraft und Stärke verteidigt werden müssen.

Eine Jäger-Sammler-Gemeinschaft ist durch gemeinsame Werte und komplexe Beziehungsgeflechte zwischen den Elementen und durch verantwortliches Drängen aller Mitglieder auf bestimmte Sitten, Regeln und Gebräuche gekennzeichnet.
Mit Ch.Sigrist hätte ich mich auch gern mal ausgetauscht.[[top]]
Er und U.Wesel haben sehr gut dargestellt, wie komplex segmentäre Gemeinschaften überhaupt aufgebaut sind, welche komplizierten Mechanismen in ihnen gepflegt werden müssen, damit sie gut funktionieren und sich gegen kommende Herausforderungen verteidigen können.
Dieses soziale Vermögen muss zu jedem Zeitpunkt vorfinanziert werden (besser: die Vorfinanzierung dafür muss simuliert werden, da sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln im erforderlichen Zeitpunkt nicht darstellbar ist).

Um diese kulturellen Phänomene, die Interaktionen der Neocortexanteile und besonders des präfrontalen Cortex aller Mitglieder sich entfalten lassen zu können, damit die Gruppe so effektiv überlebt, wie es bei vielen indigenen Stämmen zu bestaunen ist, muss viel mehr aufgebaut und erhalten werden, als nur ein Optimum an Essen, Trinken, Wärme, Schutz und Schlaf.

Tiefe emotionale zwischenmenschliche Beteiligung, Entstehungs- und Welterklärungsmythen und deren Pflege und Ausbau mit daraus resultierenden Verpflichtungen kann ich mir gut vorstellen, wenn ich vor einer dieser unglaublichen Höhlenmalereien stehe und die Erschaffer förmlich spüre, oder wenn man sich an Orten wie Göbekli Tepe aufhält.
Ich sehe da gewaltige Verschuldung, weil viel Potential und Ressourcen für den Zusammenhalt der Gemeinschaft, für die Verteidigung ihrer Strukturen verwandt werden muss.
Entschieden wird in Gemeinschaften zwar im konsens und Macht wird von der Gruppe als Gesamtheit dargestellt und getragen und nur im stets besonderen Fall an Funktionsautoritäten verliehen, aber in summa ist die Gemeinschaft ständig hoch verschuldet: Sie muss "dieses" unbedingt machen und "jenes" tunlichst unterlassen, sonst geht sie zum Termin unter.
Es läuft aber alles mit viel mehr Selbstverständnis und Freiwilligkeit als in Gesellschaften.
Du beschreibst das als "Hingabe".
Ich behaupte, es ist nichts anderes als Abgaben an das System "Gemeinschaft".
Ich denke, wir meinen aber das gleiche (das, was ich z.B. bereit bin, für meine Kinder und Enkel zu tun).

Da kann
ich Mauss schon nachvollziehen, auch wenn ich da an seiner Stelle mehr
hinterfragt hätte statt gleich wie bei Tom & Jerry drauf zu hauen.

Wenn man in eine Diskussion mit einer "ich weiss es eh alles besser als ihr" -Haltung geht, obwohl man es eben nicht besser weiss, weil man nicht einmal ausreichendes Quellenstudium betrieben hat, ist das keine Diskussion, kein Austausch von Argumenten zwischen gleichrangigen und sich wertschätzenden Erwachsenen sondern nur eine nervige Standpunktverteidigung, wie du ja bei deiner Raketenforschung auch immer wieder feststellen musst - "die Simulationskraft ist erdrückend" und die Überheblichkeit von einigen Leuten hier auch.

In einer Gemeinschaft ist jedes Systemelement gezwungen, sein Potential
umfassend in das Fortbestehen der Gemeinschaft einzubringen.


Aber gezwungen durch wen oder was?

Stets durch die übergeordnete Gewalt - Termine, die durch Naturgewalten gesetzt werden.

Kann man von Zwängen bzw. Forderungen
sprechen, wenn es niemanden gibt, der diesen Zwang mangels Sanktionsgewalt
ausübt?

Es gibt nicht "niemanden", bloss weil keine Personen erkennbar sind.
Termine werden durch die Natur und ihre Gesetzmässigkeiten unerbittlich gesetzt und Sanktionen ohne Verhandlungsspielraum vollstreckt.
Wer z.B. nicht rechtzeitig genügend eigenes Potential zur Beherrschung des Umgangs mit dem Feuer zusammen gekratzt hat kann es einfach nicht und kann sich damit dann auch nicht mit diesem Alleinstellungsmerkmal gegen wirklich zu diesem Zeitpunkt jedes andere Raubtier auf der Welt sehr effektiv verteidigen.
Den Wärmespendeeffekt und die Nahrungsbearbeiten gibt es oben drauf.

War es nicht vielmehr die nackte "Ohnmacht" des Einzelnen im
Verhältnis zur Machtposition der Naturgewalten?

Es gab nie "Einzelne".
Es gab immer nur Gruppen, die nackte Ohnmacht oder eben Ermächtigungen durch entsprechende Potentialstrukturen darstellten.
Die Fluktuationen einzelner Gruppenmitglieder zwischen den Gruppen und Segmenten in Größenordnungen der Dunbar-Zahl waren überlebensnotwendige Mechanismen zur Optimierung der Selektions- und Adaptionsprozesse auf genetischer und memetischer Ebene und auch ein geeignetes Mittel zur Vermeidung von Ressourcenverschwendung durch unschlichtbare Streitigkeiten.
Diese "Einzelnen" darf man aber nicht als Einzelkämpfer verstehen sondern eher als Ausstülpungen von Gruppen, die wie Tentakel in die Umgebung hinaus reichten, um sich dann mit einer anderen Gruppe zu vereinigen (sie wurden mit all ihrem Wissen und Können von ihrer Gemeinschaft vorfinanziert).

Menschen entstanden als Gemeinschaften aus den Vorgängern der Primaten, die aber auch schon immer das Interagieren in Gruppen mit finanzieren mussten im Gegensatz zu den Lebewesen, die es evolutionär eher als hauptsächlich Einzelgänger mit zeitlich begrenztem Paarungsverhalten + Brutpflege versuchten wie z.B. Bären, Dachse usw..

Dazu mussten sich Hirnstrukturen entwickelt und Nahrungsressourcen aufgetan werden, die vorher nicht nutzbar waren.
Z.B. mussten sich die Vorgänger von heutigen Primaten vom Pflanzenfresser und Beutetier zum Aas- und Allesfresser und Raubtier entwickeln.
Das war nicht einfach so möglich, sondern auch wieder nur über Vorfinanzierungsmechanismen leistbar.

Die hohe Arbeitsteilung und Spezialisierungen von ganzen Gruppen und sogar von einzelnen Könnern setzten erst vergleichsweise spät in der menschlichen Evolution ein und waren Antreiber der immer grösseren Vermögensentfaltung die bei immer grösserer Komplexität und Kritikalität immer mehr Vorfinanzierung erforderlich machte.
Solche Meilensteine wie Zähmung des Feuers, Forcierung des Werkzeug-Waffen-Bau's, Symbiose mit "Haustieren" und die Entwicklung kultureller Phänomene bis hin zu Musik, Malerei, Tanz und Sprache sind Alleinstellungsmerkmale von Menschen und bedürfen enormer Vorfinanzierungsleistungen.

Niemand konnte allein
überleben.

Diese Option stand für Primaten nie zur Auswahl.

Die Natur als eine den Menschn in Ohnmacht stellende Machtposition stellt
im Gegensatz zum bewusst denkenden Menschen keine Forderungen.

Doch, doch.
Du musst dich als Mensch um dein Überleben kümmern, sobald du lebst, bzw. besser formuliert:
Die Gemeinschaft muss sich stets um das Überleben aller Mitglieder mit ihrer hohen Potentialität kümmern, weil jeder durch seine Verschiedenheit die Befähigung in sich trägt, heute nur ein einfaches Gruppenmitglied aber morgen unter dann geänderten äusseren Umständen der entscheidende Merkmalsträger zu sein, der der gesamten Gruppe durch ein entscheidendes Vermögen das Überleben sichern kann.

Die Urschuld
des Menschen, sie ist nach meinen Überlegungen ein ausschliesslich
mentales Phänomen, entsteht eben erst dadurch, dass sich der Mensch seiner
Schuld gegenüber sich selbst bewusst wird und durch die Vorstellung einer
Zuwiderhandlung den Tod zu fürchten lernt.

Ich vertrete eher die Auffassung, das Urschuldigkeit unabhängig vom Wissen und von Bewusstheit besteht und jedes Lebewesen betrifft.
Die Lebewesen, die das allerdings durch die Entwicklung von Konzepten des Zeitablaufes, durch die Befähigung zu durchdenkbaren Simulationen von Vergangenheit und Zukunft besser händeln können als die nicht dazu Befähigten haben einen enormen Überlebensvorteil.

Donald Hoffmann liegt IMHO schon sehr richtig, wenn er unsere mentalen Befähigungen als Simulationsinstrument versteht, das die Wirklichkeit vor uns verbergen soll, damit wir durch unsere Simulationsbefähigung überhaupt und besser überleben können als andere Lebewesen.
Wir sind in der Lage, zukünftige Szenarien zu durchdenken, um dadurch die im Moment geeignetste Lösungsstrategie zu wählen.
Andere Tiere können eher nur zwischen Flucht, Angriff und Starre wählen. Wir können zusätzlich viele Lösungsansätze erarbeiten die evolutionär überlebensnotwendige Mechanismen wie tricksen und täuschen erheblich betonen (z.B. Fallen stellen und brachiale Gewalt geschickt abwehren/umlenken wie beim heute noch zelebrierten Stierkampf, bei dem der viel stärkere Stier chancenlos durch einen blasierten Hampelmann zum Gespött der dumpfen Masse gemacht wird).

Dabei müssen Individuen ihre individuelle Existenz riskieren.
Ein Grosswild muss im Kollektiv erjagd werden, indem die Systemelemente
Kopf und Kragen riskieren und auch hier ihre individuelle

Existenz[/b]

riskieren.
Genau das ist u.A. die Abgabe an das System "Gemeinschaft".


Keine Abgabe, sondern eine Hingabe des Einzelnen.

Da müssen wir wirklich genau die richtigen Begriffe herausarbeiten, wie du es immer hier als würdiger Fackelträger versucht und auch sehr erfolgreich betrieben hast.
Dein Begriff der Hingabe ist für mich nur eine besondere Form der Abgabe deren Kern die Freiwilligkeit, hohe Einsatzbereitschaft und Übernahmebereitschaft von Verantwortung sind, weil alle verstehen und verinnerlicht haben, dass es sein muss um das wichtigste, das die Gruppe hat, zu verteidigen: Kinder als Garanten der Zukunft und das erworbene Wissen und Können der Gruppe als Schatz aus der Vergangenheit.

Es gab keinen
Zwingherren, sondern nur die aus der Ohnmacht gegenüber der Natur
gewonnenen Gewohnheiten.

Zwingherr ist die Natur mit all ihren ständig gesetzten Terminen.
Menschen sind Kinder der Natur und damit, wie alle anderen Lebewesen auch, ihren Schwankungen ausgeliefert.

Die Gemeinschaft basiert nicht auf einer
"wachsenden Verschuldung", die dann zu einer wachsenden
Besicherungsnotwendigkeit einer Zwingmacht durch Abgabenerhebung und
Sanktionen führt.

Doch, doch.
Das Wissen und Können muss beständig zuwachsen und lässt dabei zusätzliche Vorfinanzierungsnotwendigkeit, zusätzliche Verschuldung entstehen.
Ein Stamm der stagniert ist des Todes. Das ist nur eine Frage der Zeit.

Im Gegenteil, sie basiert aufgrund der mit dem
Alleinsein faktischen Ohnmacht gegenüber der Natur auf einer
natürlichen Hingabe.

Ein anderes Wort für die Abgabe unter ganz bestimmten und definierten Bedingungen (wie oben von mir beschrieben).

Ebenso ist es die Zeit, die die Mitglieder für die Belange der
Gemeinschaft aufwenden.


Hingeben, nicht aufwenden. Es ging nicht um Überschüsse durch
Zeitaufwand.

Das meiste ist sozusagen "Einsicht in die Notwendigkeit" und damit "Freiheit".[[zwinker]]

Die nichtnatürliche Person, das Konstrukt "Gemeinschaft" bedarf des
Aufwandes von Zeit, Energie, Kraft, Hirnschmalz, Emotionalität,
Kreativität und wasauchimmer durch seine Elemente.


Und kann diese nicht erzwingen, sondern sich darauf verlassen.

Der Zwang ist verpackt in "wunderschönes Geschenkpapier", wie beim verliebt sein auch - verliebt sein ist "gezwungen sein".[[zwinker]]

Sie bedarf des Vertrauens in ihre Mythen und ihre Chancen auf
Weiterbestehen.
Sie bedarf der Akzeptanz ihrer Regeln, Sitten und Gebräuche.
Sie bedarf der Legitimation von Sanktionsbefähigung und des Konsens

zur

Regelung.
Sie bedarf des vollen Engagement der Gemeinschaftsmitglieder.
Sie unterscheidet sich im Kern nicht wirklich von einer Gesellschaft.


Nur im Kern.

Das hast du missverstanden, was ich damit meinte.

Gemeinschaft = natürliches Kollektiv, der Ohnmachtpositionen des
Einzelnen im Verhältnis zur Naturgewalt wegen.

Richtig.

Keine Aufschuldung, kein
nichthaltbares bzw. nur durch externes/internes Mehrverlangen haltbares
Versprechen.

Doch.
Das Versprechen auch in der Gemeinschaft ist: "wir werden, so wie wir alle zusammen rackern ÜBERLEBEN".
Ein Versprechen, das aber auf Dauer nicht haltbar ist.
Das nächste Grossereignis führt zum Untergang der Gemeinschaft, oder sie mutiert in ein ZMS mit mehr Finanzierungsmöglichkeiten.

Gesellschaft = simuliertes Kollektiv, der Ohnmachtposition des Einzelnen
im Verhältnis zur Zwingmacht und der sich hinter dem Versprechen der
Zwingmacht (Ich verspreche euch eine goldene Zukunft solange ihr mir mehr
gebt) mit dem Ende der Aufschuldung nicht mehr erfüllbaren Verbindlichkeit
wegen.

Bei der Gemeinschaft ist die Zwingmacht die Natur selbst, bei der Gesellschaft eine zwischengeschaltete nichtnatürliche Person - der Herrscher.
Wo soll da der Unterschied sein.
Ohnmacht gegenüber der zwingenden Strukturen besteht für die Mitglieder beider Organisationsformen.
Das hatte schon der @dottore richtig formuliert:
"Dass es außerhalb der Macht noch eine andere Quelle gibt, die auf Menschen einer Gesellschaft/Gruppe Gewalt ausübt (Naturgewalt), das ist nicht wegzudiskutieren, diese Gewalt schränkt die Macht mit der Wirksamkeit ihrer Verfügung mittels ihrer drei Monopole über die Gesellschaft/Gruppe ein."
http://www.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=238866

Die Abgaben werden aber freiwillig gegeben, weil jeder sich als
Bestandteil der Gemeinschaft erlebt und zur Übernahme der

Verantwortung

bereit ist.


Und so komme ich nur zum Schluss, dass es sich um eine Hingabe handelt.

Eine Abgabe unter klar definierten Bedingungen und kein neues Phänomen - spezielle Abgabe, nicht Hingabe.

Selbst in Bonobogruppen übernehmen Mitglieder die Verantwortung für

die

Gruppe und agieren freiwillig zum Wohl und im Interesse der Gruppe.
In indigenen Gruppierungen wie den sogenannten "segmentären
Gesellschaften", Lineages, kindships, Clans, Stämmen usw. gilt

gleiches.

Die Machtstrukturen sind bei z.B. Kung! und Nuer nur eben nicht
institutionalisiert
auf Häuptling und Heiler sondern konsensual
verteilt auf alle befähigten Mitglieder.
Stehen wichtige Alleinentscheidungen an finden sich die sog.
Funktionsautoritäten, die sich ob ihrer Befähigungen anbieten

und

von den anderen durch Beipflichtung und Akzeptanz ihrer vorüber
gehenden
Machtposition legitimiert werden.
Ihre Macht endet automatisch mit Beendigung des Projektes, wie doch
@Ashitaka ausführlich auf Uwe Wesel, Christian Sigrist u.a. verwiesen
hat.


Diese natürliche Beendigung, die Sigrist sehr gut erklärt, darum geht es
im Kern.

Diese "natürliche Beendigung" wird nur willkürlich gesetzt.
Debitistische Phänomene beinhalten immer die gleichen Kernprozesse, die für Gemeinschaften und Gesellschaften gleichermassen gelten auch wenn sich beide in anderen sehr wichtigen Aspekten wesentlich unterscheiden, wie du immer wieder hier heraus gearbeitet hast.

Stämme sind urschuldig weil sie leben.


Stämme sind sich nichts bewusst, leben nicht.

Bewusstheit spielt keine Rolle bei dem Bestehen von Schuldigkeit.

Nur der Einzelne wird sich
seiner Urschuld bewusst.

Das ist ja völlig richtig, und das habe ich auch verstanden.
Ich behaupte aber, dass ein Stamm auch ein Lebewesen ist, auch wenn es stärker aus mentalen Phänomenen besteht als aus "dinglichen".

Nur der Einzelne lebt (vermag etwas) deshalb und
solange, wie er seine immer wieder anwachsende Urschuld tilgen kann.

Sie haben sich das Überlebensnotwendige zu verschaffen (das ist nun
einmal der Zins auf die Schuld "Leben müssen" - sich mit Körper,

Geist

und gesamter Gemeinschaft dauernd kümmern).
Sag jetzt nicht, dass auch du das Urschuldkonzept noch nicht

durchdrungen

hast, bei dem es darum geht, dass alles lebendige schuldig ist, um sein
Lebendigbleiben zu kämpfen indem es sich Potential und Ressourcen
verschaffen muss.
Das gilt für Stämme wie auch für Staaten.


Wer ist der Gläubiger und weshalb sollte von den Stammesmitgliedern etwas
gefordert werden?

Der Gläubiger ist wie beim Urschuldkonzept ausführlich dargestellt der gleiche wie der Schuldner - DER STAMM SELBST.
Er ist sich dies und jenes schuldig (Überleben), er muss es realisieren und in seine Potentialität vertrauen und diese ausbauen (Überleben).
Lebend bleiben ist der Kern der Urschuld.

Sobald der Stamm existiert muss er seine Existenz verteidigen (Gläubiger).
Das muss er mit aller Potentialität, die er aktivieren kann, leisten (Schuldner).

Dazu muss man sich halt mit dem Konzept des Zinnß beschäftigen.
Zins hat nichts mit Mathematik zu tun sondern ist die Abgabe, die
systemisch erhoben werden muss um den Systemelementen ein sie
beschützendes und gleichzeitig ausbeutendes System zu erhalten.
Die ersten Abgaben waren ja bekanntlich Tribut (extern) und Steuer
(intern) in Form von Naturalien.

Zinnß.

Aber doch nicht in nicht aufschuldbaren Stammesgemeinschaften.

Noch einmal:
Stammesgemeinschaften schulden auch auf, nur eben nicht so rasant wie ZMS.
Deshalb können sie auch nicht so gewaltige Vermögen darstellen wie diese.

Keine
Abgabe (Zinnß), sondern laufende Hingabe ohne Aufschuldungsorgie.

Und ob.
Alle wollen und müssen immer besser werden und dieses "besser werden" verteidigen.
So ist unser Gehirn nun einmal konstruiert.
Es kann nicht "nichts tun" und auf der faulen Haut liegen, es giert nach mehr, will Fortschritt und Zuwachs - es verschuldet uns in jedem Moment neu und zusätzlich.
Kaum habe ich etwas verstanden, will es schon wieder mehr wissen und zwingt mich, ihm alles dafür notwendige zur Verfügung zu stellen - um O2 und Zucker und um Datenmengen, die sensorischen Eindrücke und die Argumentationen von anderen Menschen damit ich damit klüger werden kann.

Schön, dass wir mal wieder solche Diskussionen führen. Hätte ich mehr
Zeit, würde ich weiter antworten.

Für tiefer greifende Diskussionen ist ein Konstrukt wie dieses Forum nicht mehr geeignet.
Die Bandbreite für den Informationsfluss ist einfach zu gering.
Die Einbindungsfähigkeit von passenden Quellen, Belegen und Eindrücken ist rudimentär, zu mühselig und völlig unzulänglich.
Deshalb hast du auch deine Prioritäten verschoben.
Die Kosten-Nutzen-Relation bei der Erarbeitung komplexerer Denkinhalte um das Debitismuskonzept herum ist durch die Beschränkungen der Forumssoftware extrem ungünstig.
Das ist schade, aber nicht zu ändern.
Wer den Debitismus immer tiefer durchdringt hört auf, hier darüber zu schreiben, so wie du es wiederholt angedeutet hast (siehe @Zandow, @pigbonds, @dottore, @weissgarnix, @Ostfriese und all die anderen).

Liebe Grüße
Silke


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