Schöner Text - wir brauchen eine neue Story für die Zukunft

el_mar, Dienstag, 09.07.2019, 10:07 (vor 1743 Tagen) @ Naclador2772 Views

mit "artgerechter Menschenhaltung" und Verbindung zu unserer "Natur":
the price we pay for progress

Vor mehr als 60 Jahren geschrieben:

Sowohl unsere Seele wie der Körper bestehen aus Einzelheiten, die alle
schon in der Ahnenreihe vorhanden gewesen sind. Das «Neue» in der
individuellen Seele ist eine endlos variierte Rekombination uralter
Bestandteile, Körper wie Seele haben daher einen eminent historischen
Charakter und finden im Neuen, eben erst Entstandenen keine richtige
Unterkunft, d. h. die anzestralen Züge sind darin nur zum Teil zu Hause. Wir
sind mit Mittelalter und Antike und Primitivität noch längst nicht so fertig
geworden, wie es unsere Psyche erfordert. Wir sind statt dessen in ein en
Katarakt des Fortschritts hineingestürzt, der mit umso wilderer Gewalt vorwärts in die Zukunft drängt, je mehr er uns von unseren Wurzeln abreißt. Ist
aber das Alte einmal durchbrochen, dann ist es meist

auch vernichtet, und es gibt überhaupt kein halten mehr. Es ist eben gerade
der Verlust dieses Zusammenhangs, die Wurzellosig -keit, die ein derartiges
«Unbehagen in der Kultur» und eine solche Hast erzeugen, daß man mehr in
der Zukunft und ihren chimärischen Versprechen eines goldenen Zeitalters
lebt, anstatt in der Gegenwart, bei welcher unser ganzer
entwicklungsgeschichtlicher Hintergrund überhaupt noch nicht einmal
angelangt ist. Man stürzt sich hemmungslos ins Neue, getrieben von einem
zunehmenden Gefühl des Ungenügens, der Unzufriedenheit und
Rastlosigkeit. Man lebt nicht mehr aus Besitz, sondern aus Versprechen, nicht
mehr im Lichte des gegenwärtigen Tages, sondern im Dunkel der Zukunft,
wo man den richtigen Sonnenaufgang erwartet. Man will es nicht wahrhaben,
daß alles Bessere durch ein Schlechteres erkauft wird. Die Hoffnung auf
größere Freiheit wird durch vermehrte Staatssklaverei zunichte gemacht
, nichtzu sprechen von den fürchterlichen Gefahren, denen uns die glänzendsten
Entdeckungen der Wissenschaft aussetzen. Je weniger wir verstehen, wonach
unsere Vater und "Vorväter gesucht haben, desto weniger verstehen wir uns
selbst, und helfen mit allen Kräften, die Instinkt - und Wurzellosigkeit des
Einzelmenschen zu vermehren, so daß er als Massenpartikel nur noch dem
«Geist der Schwere» folgt.
Verbesserungen nach vorne, d. h. durch neue Methoden oder «gadgets»
sind zwar unmittelbar überzeugend, aber auf die Dauer zweifelhaft und auf
alle Fälle teuer bezahlt. Keinesfalls erhöhen sie das Behagen, die
Zufriedenheit oder das Glück im großeii und ganzen. Sie sind meist hinfällige
Versüßungen des Daseins, wie z. BTzei (verkürzende Maßnahmen, die
unangenehmerweise bloß das Tempo beschleunigen und uns somit^ weniger
Zeit lassen als je zuvor. Omnis festinatio ex parte diaboli est - alle Eile ist des
Teufels - pflegten die alten Meister zu sagen.
Verbesserungen nach rückwärts indessen sind in der Regel weniger
kostspielig und dazu dauerhaft, denn sie kehren zu den einfacheren und
bewährten Wegen der Vergangenheit zurück und machen den sparsamsten
Gebrauch von Zeitungen, Radio, T. V. und allen quasi zeitsparenden
Neuerungen.

Aus Erinnerungen- Träume - Gedanken von CG. Jung

Saludos
elmar


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