Schade, das Du vom Thema "Nutzen" komplett abgekommen bist.

Naclador, Göttingen, Montag, 17.06.2019, 14:30 (vor 1746 Tagen) @ Silke3615 Views

Liebe Silke,

"Urschuld ist für mich eine Schuld, die meine Existenz beendet, wenn ich
nicht termingerecht tilge."

Das ist im Prinzip der Punkt, lieber Naclador,

lass mich noch ein bisschen daran herum nörgeln, aber Vorsicht, es wird
kompliziert.
Hier meine Gedanken dazu...

Ich denke, damit komme ich klar [[zwinker]]

Man könnte ja einfach definieren:
"Urschuld ist die Bedürfnisbefriedigung eines lebenden Systems" und
würde damit eine kurze und knackige Aussage haben,
die aber leider falsch ist.

"Urschuld ist für mich eine Schuld,


Ja.

die meine Existenz beendet,

Nein.

Schlechte Stelle für einen Einschub, weil die Aussage ohne das Konditional natürlich keinen Sinn ergibt.

wenn ich nicht termingerecht tilge."


Die Schuld "zu leben" kann ich nicht tilgen.
Wo ist der Termin?
Leben kommt von irgendwo, saust durch meinen Stammbaum, meine Grosseltern,
Eltern und ist in mir, um sich (trotz meines individuellen sterbens
irgendwann) über meine Kinder und Kindeskinder und im Prinzip über die
ganze zukünftige Menschheit fortzusetzen.

Ich kann nur finanzieren = Aufschub der Tilgung erwirken.
Genau das müssen wir von Geburt an machen: Aufschieben der
Tilgung
.
Die Schuld eines lebenden Systems ist sein Leben.
Der dazu gehörige Gläubiger ist mir nicht bekannt.
Ich weiss nicht wer oder was mich ins Leben geworfen hat.
Das werde ich vielleicht erst nach meinem Tod erfahren.

D'accord. Auch wenn es letztlich irrelevant ist, ob ich meine Urschuld als "für den Tag getilgt" betrachte, und für den nächsten Tag einen neuen Urschuldkontrakt annehme, oder ob ich von fortlaufender Finanzierung ausgehe. Es gibt in diesem Fall ja keinen expliziten Buchungsvorgang.

Diese Schuld "lebendig sein/existieren" ist IMHO nicht tilgbar sondern
endet nur für ein einzelnes Individuum, wenn sie nicht mehr bedienbar
gehalten werden kann = individueller Tod bei Weiterexistenz des
übergeordneten Systems (Familie, Stamm, Art).
Der Tod eines Individuums ist ein Verlust des "Zustandes
Leben/existieren/schuldig sein" und der Verfall seines biologischen Anteils
nach dem "Todeseintritt" der Verlust des individuellen Vehikels.
Ich weiss das im Detail noch nicht, das ist aber auch zu kompliziert zum
Urschuldverständnis für Jungdebitisten.

Was wir also ein Leben lang tun ist nicht Urschuldtilgung sondern:

Finanzieren = Aufschieben der Entschuldung indem wir Zins zahlen und damit
die Schuld bedienbar halten.
Dieses "Bedienbarhalten" ist das berühmte "essen, trinken, wärmen,
schlafen, schützen usw."
Es hält die Schuld (lebendig sein) nur in der Schwebe indem wir Vermögen
aufbauen und erhalten.
Mit sinkendem individuellem Vermögen kann ich den Zinszahlungen nicht
mehr ausreichend nachkommen.
Ich gerate in den Zustand der persönlichen Überschuldung
(Krankheit/Behinderung) bis zu dem Punkt, an dem die Schuld vollumfänglich
weitergegeben wurde oder ausgebucht wird - ich sterbe (das ist ein Prozess
und kein Ereignis).

Wie soll die Schuld denn vollumfänglich weiter gegeben werden? Kann jemand anders meine Urschuld übernehmen? Keinesfalls. Solange ich am Leben bin, schulde ich der Welt noch einen Tod.

Ob man das Sterben nun als Ereignis oder Prozess betrachtet, halte ich für relativ gleichgültig. "Media vita in morte sumus", sagt der Lateiner, mitten im Leben sterben wir. So gesehen beginnt das Sterben mit dem Tag unserer Geburt. Aber wir sind zu jedem Zeitpunkt entweder tot oder lebendig, und nichts dazwischen.

Wird die Schuld wirklich ausgebucht.
Nein.
Meine Kinder und deren Kinder (mit allem um sie herum) sind meine
Nachschuldner.

Doch, wird sie. Deine Kinder machen ihr eigenes Konto auf. Sie haften nicht für Deine Restschulden dem Universum gegenüber. Du fallierst, und damit bist Du raus aus der Bilanz.

Zur Vereinfachung sprechen wir hier im Forum von Urschuldtilgung
wenn wir uns Essen, Trinken, Wärme usw. verschaffen, obwohl es nur eine
Bedienbarhaltung der Schuld, also eine Finanzierung ist (wir tilgen
diese Schuld nie).

Da gehören meine sonstigen Beschaffungsimpulse nicht dazu.


Ein lebendes System richtet alle Anstrengungen darauf, zu leben, ob es ihm
passt oder nicht, es muss.

Dieses Phänomen können nur wir Menschen aus tricksen, indem wir unsere
Bewusstheit verändern.

Genau, und diesen Trick werde ich mir doch nicht verderben lassen [[top]]

Eine interessante Lehre für mich aus Deinem Austausch mit Ashitaka:
Es gibt zwei Wege, reich zu werden: Man maximiert seinen Besitz, oder

man

minimiert seine Bedürfnisse.


Eigentum, nicht Besitz...

Ja, das verwechsle ich immer wieder.

Andererseits: Ohne Staat kein Eigentum. Aber durchaus Leben und Besitz. Und Urschuld.

Wahrscheinlich geht es aber eher um Kapital und Vermögen, Passive und
Aktive.
Je mehr ich mich verschulden kann, desto vermögender werde ich.
Rückzug ist der falsche Weg.
Deshalb bin ich gegen die Mauerbauerei.
Ein Teil von mir sind Kinder und Kindeskinder.
Helfe ich beim Mauerbauen mit verbaue ich diesem Teil von mir alle Chancen
auf Entfaltung und Überleben.
Früher dachte ich Rückzug ist der richtige Weg, heute weiss ich aber...
...es ist Angriff.
Das zeigt dir jede überlebende Struktur in der Evolution.
Ungesunde Urschuldminimierung und -maximierung sind problematisch
und führen zum Aussterben des Systems (der Art).

Hmm. Und was wäre denn "gesunde" Urschuldminimierung und -maximierung?

Ein lebendes System wie "die Menschheit" mit seinen Subsystemen wie
"meiner Familie" und darin dem Subsystem "Silke" entfaltet sich jeweils bis
zur Kritikalität und kann in diesem Zustand finanzieren und finanzieren
und finanzieren bis es das nicht mehr kann.

Bei diesem Prozess "Leben" werden im Subsystem "Silke" die Körperzellen
ununterbrochen erneuert und im Subsystem "Familie" die Individuen (Alte
gehen und Junge kommen nach) und im Subsystem "Menschheit" eben auch und im
System "Leben" erst recht.

Ohne Kritikalität keine Befähigung zur weiteren Finanzierung.
Wer sich in der Komfortzone verbarrikadiert ist schon verloren.
Wer sie verlässt, der verschiebt das "verlieren" auf bestimmte oder sogar
unbestimmte Zeit.

Die Buddhisten kennen einen Weg raus aus dem Debitismus: Ihre Großen konnten aus der Urschuld entkommen, in dem sie dem eigenen Überleben keine Bedeutung mehr beimaßen. Wer nicht überleben will, der ist auch nichts schuldig. Der löst einfach sein Konto auf. Nirvana.

Liebe Grüße
Silke

Liebe Grüße,
Naclador

--
"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson


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