Ich und Freiheit

Falkenauge, Donnerstag, 06.06.2019, 17:35 (vor 1784 Tagen) @ Taurec2293 Views

Dem ist auf grundlegender Ebene zu widersprechen. "Das Christentum" gibt
es ebensowenig, wie es "die Menschheit" als homogenen Block mit einer
Seele, einheitlichen Wollen und Instinkt gibt. Es gibt so viele
Christentümer wie es Kulturen und Völker gibt, die christlich geworden
sind.

Es gibt "das Christentum", insofern es den einen Jesus-Christus gibt, dem sich die Völker von verschiedenen Ausgangspunkten nähern.

Die abendländisch Fassung des Christentums ist innerhalb des
Kulturkreises wiederum gespalten, nämlich grob entlang derselben Linie,
die romanische (mehrheitlich katholische) und germanische (mehrheitlich
protestantische) Völker trennt. Die Linie verläuft durch Deutschland, wo
einst die Grenze des römischen Reiches und des Einflusses Roms verlief.

Hier liegt eine Verwechslung der christlichen Kirchen und ihrer Dogmen mit dem objektiven Christusgeschehen, dem Christentum, vor. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Die Auflehnung gegen Rom, die sich im religiösen Bereich als
Protestantismus aller germanischen Völker gegen den Katholizismus
äußerte, ist Folge des germanischen Freiheitsdranges, der nach rund einem
halben Jahrtausend als unbewußten seelischen Grundimpuls die Loslösung
vom Christentum anstrebte, sich dessen wegen der gekappten Traditionen
geistig aber nicht mehr völlig entwinden konnte, so daß die Loslösung
lediglich in Form selbständiger Kirchen kristallisierte.

Das war und ist nicht der germanische, sondern der deutsche und mitteleuropäische Freiheitsdrang, der sich der Seelenherrschaft des Papsttums entgegen stellte. Der hat ja nicht in germanischer, sondern in nachchristlicher Zeit stattgefunden, als im Zuge der Völkerwanderung durch die Vermischung der germanischen Stämme mit der jeweils einheimischen Bevölkerung allmählich etwas Neues, die europäischen Völker, entstanden. Dieser Freiheitsdrang war also bereits stark durch den Christus-Impuls bewirkt. Es war der Christ-durchdrungene Drang der "Freiheit eines Christenmenschen".

Was vermeintlich das Christentum zur (geistigen) Freiheit des Einzelnen
beitrug, ist nicht eigentlich christlich, sondern im Kern
faustisch-germanisch. Die christliche Herleitung und Begründung ist rein
oberflächlich. Sie stellt eine nachträgliche rationale und theologische
Begründung eines Freiheitsdranges dar, der eigentlich ein fundamentaler
Zug der germanischen Seele bzw. der faustischen Seele der abendländischen
Kultur ist und einer rationalen, theologischen und philosophischen
Begründung eigentlich nur noch zur eigenen Bewußtwerdung bedurfte, nicht
aber weil die Freiheit nicht seit jeher nach Möglichkeit gelebt oder
angestrebt worden wäre.

Genau anders herum. Richtig ist, dass die germanischen Stämme bereits eine starke Ich-Kraft hatten (Thor). Diese war aber noch in das Gruppenbewusstsein der Sippe und des Stammes eingebettet. Von innerer Freiheit kann da noch keine Rede sein. In der "faustischen" Seele, die in der nachchristlichen Zeit auftritt, wirkt bereits untergründig der Freiheitsimpuls Christi. Ohne ihn hätte die germanische Ich-Kraft nicht zur Freiheit kommen können. Das muss man unterscheiden.

Aus zeitlichen Gründen soweit meine Erwiderung.
Gruß
Falkenauge


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