Faustischer Freiheitsdrang

Taurec ⌂, München, Donnerstag, 06.06.2019, 14:17 (vor 1779 Tagen) @ Falkenauge2961 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 06.06.2019, 14:22

Hallo!

Das Christentum ist größer und mehr als eine Religion. Es ist zentrales
Ereignis menschheitlicher Geistesentwicklung, ob man daran glaubt oder
nicht. Es übt eine Wirkung auf die gesamte Menschheit aus. Das lässt
sich geistesgeschichtlich aufzeigen. So steht das Pfingstgeschehen in einem
tiefen Zusammenhang mit der europäischen Entwicklung des Menschen zur
freien, sich selbst bestimmenden Individualität, die sich zunehmend dem
antichristlichen religiösen Totalitarismus des Islam ausgesetzt sieht.

Dem ist auf grundlegender Ebene zu widersprechen. "Das Christentum" gibt es ebensowenig, wie es "die Menschheit" als homogenen Block mit einer Seele, einheitlichen Wollen und Instinkt gibt. Es gibt so viele Christentümer wie es Kulturen und Völker gibt, die christlich geworden sind.
Die abendländisch Fassung des Christentums ist innerhalb des Kulturkreises wiederum gespalten, nämlich grob entlang derselben Linie, die romanische (mehrheitlich katholische) und germanische (mehrheitlich protestantische) Völker trennt. Die Linie verläuft durch Deutschland, wo einst die Grenze des römischen Reiches und des Einflusses Roms verlief. Die Auflehnung gegen Rom, die sich im religiösen Bereich als Protestantismus aller germanischen Völker gegen den Katholizismus äußerte, ist Folge des germanischen Freiheitsdranges, der nach rund einem halben Jahrtausend als unbewußten seelischen Grundimpuls die Loslösung vom Christentum anstrebte, sich dessen wegen der gekappten Traditionen geistig aber nicht mehr völlig entwinden konnte, so daß die Loslösung lediglich in Form selbständiger Kirchen kristallisierte.
Die Renaissance, die nicht nur zur Wiederentdeckung des antiken, heidnischen Roms, sondern auch der Germanen (wenngleich durch die Brille der römischen Überlieferung) führte, könnte in gewisser Hinsicht ebenso als eine geistige Gegenbewegung gegen das Christentum interpretiert werden.

Was vermeintlich das Christentum zur (geistigen) Freiheit des Einzelnen beitrug, ist nicht eigentlich christlich, sondern im Kern faustisch-germanisch. Die christliche Herleitung und Begründung ist rein oberflächlich. Sie stellt eine nachträgliche rationale und theologische Begründung eines Freiheitsdranges dar, der eigentlich ein fundamentaler Zug der germanischen Seele bzw. der faustischen Seele der abendländischen Kultur ist und einer rationalen, theologischen und philosophischen Begründung eigentlich nur noch zur eigenen Bewußtwerdung bedurfte, nicht aber weil die Freiheit nicht seit jeher nach Möglichkeit gelebt oder angestrebt worden wäre.
Ich vermute, wären die historischen Zufälle, die zur Christianisierung der Spätantike und in der Folge aus politischen Erwägungen zum Übertritte einzelner germanischer Stämme und sekundär der Zwangschristianisierung des Restes führten, nicht eingetreten, wäre Europa in der Spätantike und dem germanischen Frühmittelalter also gänzlich heidnisch geblieben, so wären mit dem Beginn des faustischen Kulturzyklus ebenso ein gewisser Wandel und eine gewisse Reifung der germanischen Religion eingetreten, auf deren Grundlage ähnlich, wie die antike Philosophie aus der indogermanisch-heidnischen Religion der Griechen entstand, eine hochentwickelte Philosophie der Freiheit und der Individualität erschaffen worden wäre, die auf anderem Wege zu den selben Ergebnissen gekommen wäre wie die vorliegende Philosophie des christlichen Abendlandes.

Das wesentliche Agens der kulturellen Entwicklung ist die Seele, die sich selbst verwirklicht und sich dabei der in der Außenwelt vorgefundenen Stoffe und Formen bedient – oder die Stoffe in Ermangelung einer vorgefundenen Grundlage selbst erdenkt und formt. Dieser Stoff war in Europa eher zufällig christlich. Hätte es nicht an der Schnittstelle Europas, Asiens und Afrikas den semitischen (arabisch-jüdischen) Kulturzyklus gegeben, der das Christentum hervorbrachte, hätte dies die Europäer natürlich nicht von der geistigen Entwicklung abgehalten. Sie hätten sich selbst von gewissen geistigen Fesseln und abergläubischen Elementen der germanischen Religion befreit und sie im Laufe eines Jahrtausends zu einer vollendeten faustischen Metaphysik weiterentwickelt, aus der sich auch ein von den tatsächlichen Gegebenheiten nicht grundsätzlich verschiedenes Rechts- und Ethiksystem ergeben hätte.
Nachdem unsere Vorfahren aber christlich geworden sind (und das Christentum in Europa dadurch germanisch), sind auch unsere geistigen Grundlagen mit allen Vor- und Nachteilen christlich geformt bzw. in eine christliche Formensprache gekleidet. Somit muß wohl zur Entdeckung und (Selbst-)Erforschung der abendländischen Seele zunächst der Weg über das abendländische Christentum genommen werden. Dies bedeutet aber nicht, daß das Abendland mit dem Christentum identisch wäre bzw. ohne es nicht existiert hätte. Das Christentum war mehr ein (zufälliges) Werkzeug zum Ausdrucke eines ohnehin instinktiv gefühlten seelischen Ideals.

Zufällig schrieb ich vor ein paar Tagen im Weltenwende etwas über die germanische Seelenstruktur, insbesondere das Ichbewußtsein und wie es das Christentum am Beispiel der Beichte & Buße der eigenen Seelen entsprechend anglich und umformte. ⇒ Hier entlang.

Gruß
Taurec

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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh’ zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Weltenwende


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