Ich kann mir zwar vorstellen, worauf Du hinauswillst,

helmut-1, Siebenbürgen, Montag, 03.06.2019, 21:00 (vor 1761 Tagen) @ Mandarin4230 Views

aber den link von Danisch als Diskussionsgrundlage zu verwenden, finde ich nicht besonders glücklich. Zumindestens finde ich da außer einigen sprunghaften Gedanken, die in sich wenig Zusammenhang haben, kaum etwas, was Substanz hat.Da ist der Kommentar von Fairlane wesentlich gehaltvoller. Darüber hinaus hat er den berühmten roten Faden, den er in seinem Kommentar erkennen lässt.

Deshalb geht mein Kommentar eher in seine Richtung, - bei ihm kann ich anknüpfen:

Es geht nicht darum, die Alten zu entsorgen, - weil wenn das z.B. bei mir der Fall wäre, dann würde sich schon zu meinen Lebzeiten irgendein Alpenverein über unerwartete Zuwendungen freuen, und die Erben dürften dem Herrgott danken, dass sie die Möglichkeit haben, das Erbe auszuschlagen, - weil außer Schulden ist dann nämlich nichts mehr da.

Aber man muss sich fragen, warum die frühere Großfamilie, wo eigentlich jeder seine Aufgabe und Funktion hatte, nicht mehr funktioniert. Die erste Nachkriegsgeneration, die aufgezogen wurde, die war noch nicht in Rosen gebettet. Da gabs noch den Verzicht und auch noch das "sich nach der Decke strecken".

Der Begriff "Dispokredit" war noch gar nicht geboren, und ich erinnere mich noch dunkel an meinen 4. Geburtstag, der eigentlich das am weitesten zurückliegende Ereignis ist, woran ich mich erinnere. Da kam die Oma, als die vier Kerzen auf dem Kuchen brannten, und legte mehrere paar Socken auf den Tisch. Sicher machte ich dazu ein saures Gesicht, weil ich mich noch daran erinnere, was ich mir dabei gedacht hatte, - warum sie nicht ein paar Tafeln Schokolade hinlegt.

Genauso erinnere mich als Schulkind, als sich bei uns in der Küche ein neuer Mitbewohner einstellte. Man nannte ihn Eiskasten, nicht Kühlschrank. Und ich höre noch das Gebimmel von der Straße, als das Pferdefuhrwerk vorm Haus stehen blieb, der Kutscher mit einer Messingglocke laut bimmelte, seinen Spruch rief, den Jutesack auf die Schulter legte und darauf einen Eisquader zu uns in die Küche brachte. Aber stolz war ich schon, - waren wir doch schon sehr fortschrittlich; - meiner Oma hat ja das Eckhaus mit 28 Mietwohnungen, in dem wir wohnten, gehört.

Das nur so als ein gemaltes Bild von der damaligen Situation. Fest steht, wir waren noch abenteuergeil, spielten überall dort, wo nach verlassene Schuppen oder Ruinen vom Krieg standen, und hatten unser eigenes Reich, das mit Sicherheit nicht aus der Steckdose kam.

Dann aber ging der Wohlstand los, es kamen die 70er Jahre, und diese Zeit gebar einen teuflischen Spruch: "Mein Kind solls mal besser haben als ich". Klar, Geld war damals da, man schaffte sich dieses und jenes an, meistens auch bereits den ersten TV Apparat. Was man dabei aber nicht beachtete: Auch die Kinder haben Augen, um zu sehen. Die Erwachsenen empfanden das damals nicht als eine Gefahr, sondern als einen angenehmen Nebeneffekt. Man braucht nicht mehr soviel Zeit, um mit den Kindern was zu besprechen, sie von etwas zu überzeugen, - die elektrische Oma wurde geboren.

Ich erinnere mich gut an eine Begebenheit in den 80er Jahren, als ich noch im Jugendverband tätig war. Sicher hab ich das schon mal erzählt, diese Geschichte, - zumindest erinnere ich mich daran, im Moment sitze ich auf dem alzheimerfreien Stuhl.[[freude]] Diese Begebenheit ist zum Vorgesagten völlig konträr, - und hat in mir einen nachhaltigen "Aha-Effekt" bewirkt.

Wir waren mit unserer Jugendgruppe bei einer Partnergruppe in Oberösterreich eingeladen, gerade über Ostern. Stinkkatholische Gegend, es war Karfreitag abend, im Gasthaus war auch tote Hose, es gab nichts Alkoholisches zu trinken, keine Fleischgerichte, und das Radio war auch aus. Wir trafen uns alle beim größten Bauern des Dorfes, - er hatte eine große Wohnküche mit einem riesigen Tisch mit Eckbank drumherum, wo wir alle Platz hatten.

Der alte Bauer erzählte, und die Jugendlichen hatten viel zu fragen. Es war eine interessante Diskussion. Plötzlich sagte einer der Jungen: Sagen Sie mal, wenn sich das Leben hier in der Küche am Tisch abspielt, wie Sie uns erklären, - warum haben Sie denn hier keinen Fernseher? Der alte Bauer antwortete: Klar haben wir einen Fernseher, - der steht dort in der Stube, - die übernächste Türe am Flur. Derjenige, der fernsehen möchte, geht dort hinein. Darauf der Jugendliche: Aber wenn Sie sich hier am meisten aufhalten, warum steht denn der Fernseher dann nicht hier?

Der Bauer gab darauf eine Antwort, die ich bis heute nicht vergessen habe: Wißt ihr, ich red halt viel mit meinen Kindern.......

Das hat auf mich persönlich so einen Eindruck gemacht, dass ich daraufhin den TV aus dem Wohnzimmer verbannt habe. Im Schlafzimmer steht er gut, und keiner von uns braucht eine Schlaftablette, wenn das Ding beim Einschlafen an ist. Meinen Kindern aber ist das zugute gekommen. Im großen Wohnzimmer steht das 300l-Aquarium, - das ist mein TV. Da gibts die Stereoanlage mit hunderten von CDs, teilweise sogar noch MCs und auch noch viele alte LPs. Natürlich auch das Klavier und alle anderen Musikinstrumente, usw.

Wenn mein Jüngster zu den Feiertagen die Jungs und die Mädels einlädt, dann ziehen wir und irgendwann zurück, und bei denen gehts im Wohnzimmer noch bis in die Morgenstunden mit High-Life. Kein TV oder PC stört da die Kommunikation.

Schön, wird sich nun mancher denken, das ist ja nichts Neues, das wissen wir alle. Die Frage stellt sich, ob wir uns auch dessen bewusst sind, dass hier der Hund begraben ist, wenn sich die Generationen innerhalb der Familie nichts mehr zu sagen haben. Es geht ja schon lange nicht mehr um den TV, - es ist längst der PC, und der hat mittlerweile den Taschendingern Platz gemacht, die man andauernd streicheln muss, - und die unsere Smombies großziehen.

....ich red halt viel mit meinen Kindern....... Sind wir uns dessen bewusst, welche Weisheit da drin steckt? Ja, auch ich hab da viel Sch. gebaut, mit den Großen aus der ersten Ehe, - ich lüge mir dabei nicht in die eigene Tasche. Auch meine Kinder wissen das, sie versuchen zwar, mir das nachzusehen, - und ich kann es einfach nicht mehr aufholen. Fest steht, dass sie darunter gelitten haben. Wenn man aber stur immer nur das Wohlergehen der Firma vor Augen hat, und fälschlicherweise glaubt, damit das Wohlergehen der Familie in trockene Tücher zu kriegen, - dann bekommt man die Bergsteigermentialität, - man lebt in der Gipfellüge.

Was ich damit meine: Man sagt sich, - nun gerade das oder das will ich noch hinkriegen, klar kostet das nun Zeit und Kraft, - aber, wenn das erledigt ist, dann gehts besser, dann nehme ich mir alle Zeit der Welt, dann fahren wir hierhin oder dorthin, usw. Wie der Bergsteiger, der den Gipfel vor sich sieht. Den muss er noch erreichen, dann ists geschafft. Er kommt gar nicht auf die Idee, dass er gar nicht den richtigen Gipfel sieht, - denn den kann er gar nicht sehen. Er sieht nur wieder einen anderen Gipfel vor sich, wenn er wieder einen erklommen hat, und dann den nächsten, und wieder einen, usw. Und immer wieder sagt er sich vor, - nur diesen Gipfel noch, dann bin ich am Ziel.

Und so gehts auch dem Familienvater, der die Dinge mit den Kindern immer wieder aufschiebt, - und plötzlich erschrickt er, wenn sie groß sind und ihr eigenes Leben beginnen. Klar stellt sich dann die Frage, was er denn an Gemeinsamkeiten mitgegeben hat, wo ist denn dann die Bande, die ein Leben lang halten soll?

O.k., ich hab draus gelernt, der Jüngste hat davon profitiert. Er hatte noch das Glück, einen Vater zu haben, der ihm zwar nicht den Himmel auf Erden geboten, aber ihm Himmel und Erde erklärt hat. Der ihm die Sterne und den Wolkenzug gezeigt hat, und wie man das Wetter an den Vögeln vorhersagen kann, und mit ihm zusammen die Schönheit einer fetten Kreuzspinne bewundert hat, zusammen mit dem kunstvollen Netz. Und trotzdem sage ich mir, dass ich hätte noch viel mehr machen können.

Auf jeden Fall habe ich ihm Eines beigebracht: Werfe niemals eine Ansicht eines Älteren ungeprüft in den Mülleimer. Wenn dir ein älterer Mensch, den Du als jemanden kennst, der dir gut will, irgendeinen Rat gibt, der dir vielleicht nicht gefällt, oder den du als antiquiert abtust, - mach folgendes: Denk ausgiebig und lange darüber nach, bis du draufkommst, was der Ältere dir damit eigentlich sagen will. Dann erst sollst du entscheiden, ob das für dich zutrifft oder ob du diesen Rat nicht befolgst.

Natürlich konnte ich ihm das mit selbstgemachten Erfahrungen belegen, schließlich habe ich in früherer Zeit mal einen Rat eines Älteren als junger besserwissender Selbständiger als nicht zeitgemäß abgetan, - und dabei eine Viertelmillion DM in den Sand gesetzt. Egal, - für mich was eine Lehre fürs Leben.

Anhand dieser vielen Beispiele kann man sich nun vorstellen, wo ich das Defizit sehe, warum sich da eine Kluft zwischen den Generationen aufgebaut hat. Nicht bei allen, aber bei vielen.

....ich red halt viel mit meinen Kindern.......

Wer hier seine Prioritäten falsch setzt, - der hat seine eigene Zukunft verspielt, als zunehmend älter werdender Mensch. Manche werfen sogar ihren eigenen Kindern - oder der jüngeren Generation im Allgemeinen - den "Fehler" der Jugend vor. Vergessen aber dabei, dass dieser "Fehler" auf ganz natürliche Weise von Tag zu Tag kleiner wird......

Was ich noch als äußerst wichtig empfinde: Das Vorleben, denn der jüngere Nachkomme orientiert sich zum überwiegenden Teil an dem, was er von den Eltern sieht. Meine Eltern, auch, wenn sie getrennt gelebt haben, sind alle in ihrem eigenen Bett gestorben, - zuhause und behütet. Und diejenigen aus der Familie der Ehefrauen, die mit schwerer Krankheit im Spital lagen, habe ich bis zum Ende begleitet und ihnen die Augen zugedrückt. Es würde unserm Jüngsten niemals einfallen, uns in irgendein Heim zu stecken, - es sei denn, dass wir das ausdrücklich wünschen.

Da werden bereits frühzeitig die Anforderungen drauf abgestellt, - auch baulich. Denn es wird auch soweit gedacht, dass man im Auge behält, - wenn es mal nicht mehr so geht, mit dem Treppensteigen, dann gehen wir ins Erdgeschoß, das ist zwar kleiner, aber genügt für uns, usw. usw. Wen wunderts wirklich, dass er als älterer Mensch in die Abschiebehaft gesteckt wird, wenn er es mit seinen Vorfahren selber so gemacht hat?

Wieder mal ein XXL- Kommentar, - aber ich dachte mir, nachdem Fairlane diese Anregung gegeben hat, dass ich da mal ins Detail gehen sollte. Vielleicht hilfts dem einen oder anderen beim Nachdenken.....


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