Nord Stream 2 und die Interessen der USA

also, Samstag, 01.06.2019, 20:32 (vor 1763 Tagen)2549 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 01.06.2019, 20:35

Am 13. Mai 2019 um 14:15 US-Zeit legte der Senator Ted Cruz einen Gesetzesentwurf seinen Kollegen im US-Senat vor.
Der Titel lautet sinnigerweise: "Gesetz zum Schutz der europäischen Energiesicherheit 2019"
Dieser Gesetzesentwurf lehnt sich eng an das Gesetz, das schon die US-Sanktionen gegen den Iran rechtfertigen und es steht in
Beziehung mit dem US-Gesetz "International Emergency Economic Powers Act", das die US-Interessen international verteidigt. Da sich
die Sanktionen gegen den Iran als höchst effektiv erwiesen haben, ist die Ähnlichkeit in dieser Gesetzesformulierung wenig
überraschend. Bisher gibt sich die EU wehrlos, scheinbare Versuche der Umgehung dieser Sanktionen sind alle gescheitert. Doch mit
diesem neuen Gesetz soll nicht ein weiteres Land das Opfer von US-Sanktionen werden, sondern Firmen und Privatpersonen, die sich
mit der Nord Stream 2 beschäftigen.

Es betrifft die Verlegefirmen, die zur Zeit mit Spezialschiffen die Pipeline verlegen.
alle Versicherungen, die in diesem Zusammenhang tätig sind,
alle Banken, über die der Zahlungsverkehr abgewickelt wird und
Personen, die für den Bau und für den Betrieb der Nord Stream 2 in irgendeiner Weise Verantwortung tragen.

Im Gesetzesentwurf ist weiters zu lesen, dass die Beziehungen zwischen Europa und den USA sowie im speziellen die
Beziehung zwischen Deutschland und den USA als kritisch zu betrachten sind und damit eine Gefahr für die Interessen
der USA als auch für den global Frieden darstellen. Natürlich war dieses geplante Gesetz den deutschen Politikern schon
am 31. Mai bekannt, als der US-Außenminister Pompeo den deutschen Außenminister Maas und die Kanzlerin Merkel traf.
Hatte doch der US-Minister für Energie Rick Perry schon am 21.Mai in Kiew klipp und klar gesagt, dass dieses Gesetz
demnächst in Kraft treten wird und damit Unternehmen und Personen sanktioniert werden. Deshalb erscheint es mir seltsam,
dass Heiko Maas am Tag des Treffens mit Pompeo von einer "tief verwurzelte Freundschaft" zwischen USA und Deutschland sprach
und Merkel die "Partnerschaft und Freundschaft zwischen beiden Ländern" betonte. Solche Aussagen sind in Anbetracht der Absichten
der USA nicht mehr als Diplomatensprech zu erklären, sondern eher als hündische Unterwerfung. Wie auch immer ...

Im geplanten Gesetz stehen an den entscheidenden Stellen folgendes:
a list of all entities, including financial institutions, directly or indirectly providing goods,
services, information, or technology for the construction or repair of the Nord Stream 2 natural gas pipeline.

Sanktioniert werden soll also nicht nur der Bau dieser Pipeline, sondern auch alle beteiligten Personen und Unternehmen, die am
Betrieb beteiligt sein werden.

Und weiter:
BANKING TRANSACTIONS. The President may, pursuant to such regulations as the President may prescribe,
prohibit any transfers of credit or payments between financial institutions or by, through, or to any financial
institution, to the extent that such transfers or payments are subject to the jurisdiction of the United States
and involve any interest of the foreign person.

Damit werden, wie bereits bekannt von den Iran-Sanktionen, alle Finanzdienstleister und Banken ihre Leistungen einstellen
wenn auch nur der geringste Verdacht besteht, dass diese Leistungen mit Nord Stream 2 in Verbindung stehen. Für Personen und
Unternehmen, die auf der Sanktionsliste aufscheinen oder die für Nord Stream 2 tätig sind, werden auch innereuropäische
Geldüberweisungen nicht mehr möglich sein. Das betrifft alle Finanzierungen bis bin zu Lohnzahlungen.

Rainer Seele, der Chef des österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV (OMV ist an der Nord Stream 2 beteiligt), hat vor einigen
Tagen in der "Financial Times" einen Appell an die EU gerichtet. In einem fast schon verzweifelten Ton ruft er die EU auf,
europäische Unternehmen vor den kommenden US-Sanktionen zu schützen. Er will wissen, ob die EU die Unabhängigkeit seiner eigenen
Länder schützen wird oder nicht, wenn die USA Europa diktiert, welche Energiepolitik es betreiben darf.

Leider muß ich Herrn Seele enttäuschen. Die EU-Kommission und die USA arbeiten Hand in Hand. Die EU-Kommission könnte, wenn sie
nur wollte, diesen US-Sanktionen über Nacht den Zahn ziehen. Aber sie will nicht. Es kommen sehr schwere Zeiten auf Nord Stream 2 zu.

also


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