Finanzielles Waterboarding

Nico, Mittwoch, 08.05.2019, 07:59 (vor 1816 Tagen) @ Phoenix52229 Views

"Uns" könnte sich auf "uns Debitisten" beziehen.

Du sagst ganz richtig, „könnte“, steht da aber nicht, und wenn @Naclador mich darauf hingewiesen hätte, dass er das in der Eile nur vergessen hat zu schreiben, dann hätte ich diese Entschuldigung auch sofort mit Freude und ohne Rückhalt angenommen.

Zu denen gehörst du nämlich definitiv nicht

Du verwechselst nur den Debitismus mit dem Neo-Debitismus, welchen du vertrittst, mein Freund.

Abgesehen davon finde ich es seltsam, dass du zuerst höflich auf Nacladors
Posting reagierst

Na ja, zu dem Zeitpunkt konnte ich mir wohl denn noch vorstellen, dass @Naclador auch wirklich interessiert ist.

und deine - Machttheorie, Leistungszwang und Termin
völlig ignorierende - Sichtweise darstellst,

Wo ignoriere ich wohl einen Leistungszwang oder die Notwendigkeit für Termine (Zahlungsfristen)? Diese gelten aber nur für Individuen eines Staates, aber doch nicht für den Staat selbst. Von Anfang an beschreibe ich den Unterschied zwischen Staatsgeld und Kreditgeld, und habe meinem Einstieg auf das MMT-Thema (Modern Monetary Theory) auch genau so betitelt. Das Problem ist, dass hier alle glauben, dass es diesen Unterschied nicht gäbe, und sich Staatsgeld gefälligst an die Regeln des Kreditgeldes zu halten habe.

Noch einmal: Staatsgeld gibt es längst, es muss nicht neu erfunden werden und es funktioniert prächtig. Es spielt übrigens soweit überhaupt keine Rolle, ob die ZB Staatspapiere nun auf dem s.g. Sekundärmarkt aufnimmt, oder sich diese gleich vom Staat selbst zustellen lässt, denn so oder so finanziert die ZB in exakt diesem Umfang den Staat.¹ Die ZB steht nur dummerweise über dem Staat und betreibt mit ihm finanzielles Waterboarding – auf dass dieser sein Volk verrät.²

Offenbar wollen die meisten das nicht glauben, obwohl sie damit ihre eigenen Interessen verraten. Einmal hat @Kropotkin festgestellt: „Es spricht nichts dagegen ein Staatsgeld und Kreditgeld gleichzeitig einzusetzen.“ und hat freundlicherweise auf einen Beitrag von mir verlinkt. Wir hatten auch mal einen @Robert an Board, den ich seinerzeit auf den genannten Unterschied hingewiesen habe, und bei dem ich noch beobachten konnte, dass er es von mir etwas später übernommen hat, diesen auch selbst zu vollziehen. Ansonsten bin ich hier aber Einzelkämpfer geblieben, aber wie sagte ich doch schon: „was kümmert es den Mond, wenn ihn die Wölfe anheulen“.

Dass ich an der Machttheorie aber eher mäßig interessiert bin, habe ich übrigens schon gelegentlich eingeräumt. Für mich ist es eine auch eher müßige Frage, wie oder wann Geld entstanden ist, weil es nur nach und nach geschehen sein kann, und in seiner ureigensten Form wohl schon immer gegeben war. Es ist doch genau das wunderbare am Debitismus, dass wir uns diesen zunächst ganz ohne Geld vorstellen können, denn wir sprechen hier nur über Schulden, welche lediglich auf Geld lauten. Wir brauchen hier als Schuldner auch kein Geld, um zu bezahlen, sondern einen Nachschuldner. Diese Schulden verschwinden auch nicht durch Bezahlen, sondern im Konsum. Ich liebe diesen Gedanken, und ich liebe den Debitismus. Mit Verlaub, der einzige Debitist hier bin ich, und ihr seid Neo-Debitisten, denn an genau diesem Punkt hat sich @dottore nun leider verrant. Anstatt seinem ursprünglichen Gedanken treu zu bleiben, entwickelt er eine überflüssige „Machttheorie“, in welcher das Geld auf einmal ganz anders in die Welt kommt. Das Geld war aber schon da, bevor es Geld überhaupt gab, denn Geld ist ein Prinzip. Jetzt wird auch noch der Staat „vorfinanziert“ aber auch den Staat gab es schon, bevor es den Staat überhaupt gab, denn auch er ist ein Prinzip. Der Kapitalismus – die schönste Blume (copyright PCM) – hat sich nach und nach seine Wege gesucht, um aufzublühen. Niemand musste dafür unterworfen werden (Zwingherr-Märchen), denn Zwingherren haben diesen Prozess allenfalls gestört, aber zum glück nicht gänzlich unterbinden können. Einst muss es das Geld auch bereits gegeben haben, als die Doppelte Buchführung noch nicht erfunden war, womit dann aber ein epochaler Durchbruch gelang. Dann trat auch noch die Zentralbank hinzu und es eröffnen sich weitere Perspektiven, die zuvor noch undenkbar waren. Wir blicken aber nicht auf ein Ereignis, welches irgendwo an einem Punkt mit einem Zwingherren begann, sondern vielmehr auf die verschiedenen Wege, über welche die zahllosen Zivilisationsfragmente nun endlich über das debitistische Prinzip zusammenwachsen konnten.

Das Problem war zu keiner Zeit das von mir beschriebene Staatsgeld, denn ohne dieses war das Aufblühen der Blume undenkbar. Das Problem ist nach wie vor das über die Staaten emittierte Kreditgeld (Staatsanleihen) denn diese verstoßen gegen die Natur des Staates (infallibler Schuldner a la PCM), und nur diese sind ihr Gift.

Tatsächlich könnten aber auch Banknoten (Staatsgeld) toxisch wirken, wenn sich die Preisentwicklung in die Nähe zur Deflation entwickelt (Deflationsspirale). Das beste Mittel sollte ein einzuhaltender hinreichender Abstand zum Gefrierpunkt (Preisstabilität) sein, was durch eine beständige kontrollierte Neuemission von Banknoten leicht zu gewährleisten ist. Das wollen die Neo-Debitisten zwar nicht hören, aber sie leugnen ja auch, dass das zuvor bereits bestehende ZB-Geld bereits Staatsgeld ist, und nur auf genau die selbe und beschriebene Weise erst emittiert wurde.
Natürlich wird hier also das Gift als Heilmittel verstanden, und das Heilmittel als Gift (Idealisierung der Preisstabilität). Das berühmte Fallbeispiel des „Wirtschaftswunders“ beweist zwar das Gegenteil, aber was interessiert sich ein Ideologe auch schon für die Realität? Das kommt halt dabei raus, wenn Halbwissen am Werk ist, und das Sägen am Ast auf dem man sitzt opportun erscheint. Die ideale Gesellschaft ist aber nun mal nur zur Hälfte marktwirtschaftlich und zur anderen Hälfte sozialistisch, denn während reine Sozialisten die Privatsphäre des Individuums verleugnen, so verleugnen Kapitalisten die kollektive Sphäre der Gesellschaft. Anarchos sind also mindestens genauso blöd wie Kommunisten, und das beweist sich auch in jeder einzelnen intakten Familie, weil auch dort die gemeinschaftlichen und die individuellen Bedürfnisse sich gleichberechtigt gegenüber stehen – und zwar ohne dass es den Menschen zuvor noch beigebracht werden müsste. Übrigens bedeuten auch die Firmen in sich selbst rein sozialistische Konstrukte, mit einem Chef als König und Angestellten als Untertanen, während sie von den Anarchos aber ernsthaft als Ausdruck des Individualismus betrachtet werden. Dabei finden sich häufig sogar Firmen-Uniformen vor, und es gibt feste Arbeitszeiten mit Stundenlohn – soll aber kein Sozialismus sein, nein nein! Das Individuelle und das Kollektive sind Sphären, welche immer wieder wechseln und auseinander hervorgehen. Das zu begreifen, ist ein fundamentaler Aspekt um Wirtschaft zu begreifen.

nur um nach seiner Antwort,
auf dasselbe (!) Posting beleidigt zu reagieren.

Na ja, wie du siehst, werter Phoenix5, schreibe ich schon mal ganz gerne ein wenig, aber ich lasse mir diese Arbeit nicht gerne abnötigen. Ich bin mir schon einigermaßen bewusst darüber, dass das, was ich in Sachen Debitismus schreibe, auch ernst zu nehmen ist, und genau das erwarte ich auch vom Leser. Ich verspüre kein Verlangen, jemanden vor den Kopf zu stoßen, und ich habe nur nach einem pragmatischen Weg Ausschau gehalten, auf @Naclador‘s Posting zu reagieren – und glaube nach wie vor, auch einen geeigneten gewählt zu haben. Naclador möge das doch gerne schnell verschmerzen, und es auch ruhig noch einmal probieren – dann aber vielleicht ein wenig anders. <img src=" />

Schöne Grüße an alle

¹
Nur nebenbei: wenn die nationale ZB die Papiere einer anderen Nation aktiviert (was ja gang und gäbe ist), dann druckt sie halt dem entsprechenden Fremdstaat ein wenig Taschengeld – was auch niemanden weiter stört, am wenigsten die damit beglückte Nation.

²
Die ZB hält den Staat auf Dauer am Rande der Deflation, wie es @ politicaleconomy sehr richtig formuliert hat. Im Übrigen soll noch angemerkt sein, dass hier der Staat nur der Einfachheit halber personifiziert dargestellt wird.

Gruß
Phoenix5

Schöne Grüße an alle

--
... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...


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