Ja und nein

helmut-1, Siebenbürgen, Dienstag, 16.04.2019, 23:10 (vor 1808 Tagen) @ CalBaer3193 Views

Dieses Feuer ist aufgrund Unachtsamkeit entstanden, - wer weiß das besser als ich, der sich mit derlei Dingen immer konfrontiert sieht. Erst kürzlich habe ich den Betreiber eines Parks, in dem sich zwei historische Gebäude befinden, darauf hingewiesen, dass einer der beiden Hydranten nicht funktioniert.

Das Interesse resp. seine Reaktion war fast Null. Als es kürzlich im Nahbereich gebrannt hat, ist er plötzlich aufgewacht und hat diese Dinger reparieren lassen. Franzosen unterscheiden sich kaum von Rumänen.

Aber zum eigentlichen Thema, zu sakralen Gebäuden. Die Obhut, die Vorsorge, die Unterhaltung eines solchen, usw., das ist immer mit dem Engagement der Gläubigen, die in entsprechender Zahl vorhanden sein müssen, verbunden. Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann gehen solche Bauwerke über den Jordan. Entweder durch Unglücke (Feuer, Erdbeben, Überschwemmung, Sturm, etc.) oder einfach durch Verfall.

Da gibts mehrere Kirchenburgen in Siebenbürgen, die schon völlig eingestürzt sind. Eine Schande, das anzusehen. Aber die Friedhöfe sehen ja auch nicht anders aus.

Eine generelle "Krankheit" der Christen? Mitnichten. Da gibts kleinere Glaubensgruppen, - egal, ob Pfingstler, Baptisten, Adventisten, usw., wo deren "Burgen" in perfektem Zustand präsentiert werden. Natürlich auch die Zeugen Jehovas.

Wie siehts bei den jüdischen Einrichtungen aus, bei den Moscheen, usw.?

In Siebenbürgen, resp. überhaupt in Rumänien, da habe ich einen Einblick. Da die Zahl der Muslime in RO rückläufig ist, stehen auch eine ganze Reihe von Moscheen leer. Die sind auf lange Sicht dem Verfall gewidmet. Ähnliches wird durch die emotionale Zunahme der Muslime in Deutschland und Österreich wohl kaum passieren.

Wie gehts den Synagogen? Schlecht, kann ich nur sagen. Ich habe mich lange mit dem Rabbi aus Hermannstadt darüber unterhalten, - und ich kann auch zwischen den Zeilen lesen. Die jüdischen Mitbürger wurden hier traditionell nicht besonders geliebt (meine Aussage bezieht sich auf die Rumänen), - die haben das gemerkt und sind überwiegend nach Israel ausgewandert. Schon irgendwie interessant: Der Exodus der Deutschstämmigen erfolgte parallel zum Exodus der Juden aus Rumänien.

Das Resultat: Es gibt hier kaum mehr jüdische Glaubensmitglieder. Das hat aber nur mittelbar etwas mit dem Erhalt der Synagogen zu tun, - da wären ja die Organisationen gefordert (Zentralrat der Juden, etc.). Und da habe ich eine interessante Entdeckung gemacht.

Zu der Zeit, als Herr Graumann noch in Amt und Würden war, habe ich bereits versucht, zu initiieren, dass man sich mit der im Verfall befindlichen Synagoge unserer Stadt befasst. Das Echo war Null. Nach vielen Gesprächen und geschichtlichen Nachforschungen bin ich auf folgendes draufgekommen:

In Siebenbürgen hats in der NS-Zeit kaum Judenprogrome gegeben, man hatte auch als Deutschstämmige da ein anderes Verhältnis zu diesem Volk. Das mag damit zusammenhängen, dass man seit Jahrhunderten gewohnt war, mit anderen Nationen Tür an Tür zu leben, mit Ungarn, Rumänen, auch Zigeunern, - und das in einer Form der Nachbarschaft, die jegliche Nachbarschaftshilfe zum Prinzip hat, - was in Deutschland schon lange verloren gegangen ist.

Wenns also keine Vernichtungen, Kristallnachten, Ausrottungen usw. gegeben hat, - warum also diese Synagogen finanziell am Leben erhalten? Bringt nichts zumindest keine Werbung. Zumindest nicht für die, die Unsummen für Auschwitz, Dachau, Mauthausen, usw. bereitstellen. Hier kann man nichts Spektakuläres manifestieren, also, - da gibts auch kein Geld dafür.

In unserer Stadt (aber vielleicht auch in anderen), gabs eine Besonderheit, die das Verhältnis der Deutschen zu den Juden in ein besonderes Licht stellt (was eben für den ZdJ uninteressant ist). Als im Jahre 1942 ein Gesetz herauskam, dass das gesamte Vermögen der Juden in Staatsbesitz kommen soll, da gabs ein historisches Vorkommnis:

In der Nacht davor begaben sich sämtliche jüdischen Geschäftsleute zusammen mit den deutschen Geschäftsleuten ins Rathaus, und unter der Leitung des damaligen Bürgermeisters und unter der Anwesenheit von zwei Notaren wurden Verträge gefertigt, nach denen das gesamte Eigentum der Juden in das Eigentum der Deutschen übertragen wurde.

Die Spielregeln in diesem Vertrag:
In dieser Zeit ist jeglicher Gewinn/Profit aus dieser Geschäftstätigkeit unbestrittenes Eigentum der Deutschen, - und nachdem sich die politische Lage wieder geändert hat, wird dieses Eigentum wieder in den Besitz der ehemals jüdischen Eigentümer zurückgeführt.

Dass es damals anders gekommen ist, - nach 1945 ist ja Rumänien kommunistisch geworden -, das steht auf einem anderen Blatt. Aber es ist ein Zeugnis, was die Juden damals an Vertrauen in ihre deutschen Mitbewohner gehabt haben und wie das zwischenmenschliche Verhältnis damals war. Klar, dass davon niemand berichtet, - weil das nicht "populär" ist. Aber ein Bewohner der Stadt, wo das vorgefallen ist und ders noch selbst erlebt hat, hat mirs gestern erzählt. Zum Glück gibts darüber noch schriftliche Aufzeichnungen.

Was bewirkt das bei mir: Da ich mich aus dem Betrieb, der sich mit der Ausführung der Bauarbeiten befasst, in diesem Jahr zurückziehe, verbleibt mir der Consultingbetrieb einschl. Planung, Bauaufsicht, Expertisen, usw. Deshalb habe ich zeitlich mehr Möglichkeiten, mich mit diesen Dingen zu befassen. Derzeit habe ich die Unterlagen über eine bereits erfolgte Schätzung der Renovierungsarbeiten zur Überprüfung angefordert, die m.E.n. viel zu hoch angesetzt waren.

Klar, da spielt die rumänische Krankheit mit, da wollte wieder einer so nebenbei bestimmte Summen dabei einstecken. Ich werde sehen, ob es mir gelingt, diese Synagoge zu restaurieren, um sie anderen kulturellen Zwecken zuzuführen. Mir gehts nicht so sehr um die Erhaltung einer jüdischen Gebetsmöglichkeit, sondern hauptsächlich um ein Symbol in unserer Stadt, das einfach zur Tradition unserer Stadt gehört und es mit Sicherheit eine Schande wäre, wenn so ein Gebäude, zentral in der Nähe des Bahnhofs gelegen, verfallen würde.

Hier kulturelle Veranstaltungen (Ausstellungen, Konzerte, etc.) durchzuführen, oder überhaupt einen Ort der Begegnung zu schaffen, - das wäre doch ein schönes Ziel. Mal sehen, ob es mir gelingt. Ich hoffe, es stört sich niemand dran, dass ich ein traditionell konservativer Mensch bin, dazu noch einer schlagenden Studentenverbindung angehörend, aber die Bewahrung sowie der Respekt vor Traditionen, auch wenn es nicht meine persönlichen sind, ist ein Teil meines Lebens.


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