Don Quijote muss man einfach gelesen haben; auf die Bibel kann man verzichten.

Mephistopheles, Dienstag, 16.04.2019, 00:03 (vor 1809 Tagen) @ stokk2435 Views
bearbeitet von Mephistopheles, Dienstag, 16.04.2019, 00:18

Der Don Quijote ist ein wahrer Jahrtausendroman, der wie kein anderer das Wesen der westlichen Kultur auf den Punkt bringt: Immer nach etwas streben, mit aller energie und wenn es alle anderen auch noch so lächerlich finden, dem man nie nahe kommen darf, ja, wo es sogar der absolute Tabubruch ist, wenn man dieses Ideal aus der Phantasie in die Realtität überführen möchte: Es zerfällt sofort, und, das ist das Wesentliche, der Sucher mit ihm.

Parzival, Faust, der Mann ohne Eigenschaften, Ulysses, es geht bei allen diesen Kulturromanen um nichts anderes: Sein Leben lang danach streben, es darf aber niemals wahr werden, weil das die Selbstzerstörung ist. Die Allerwenigsten halten durch.
Ich finde, man sollte nicht sterben, ohne den Don Quijote gelesen zu haben.

Lozana die Andalusierin ist sehr anrührend, evtl.aber nur für mich. Es ist die Leensbeschreibung einer Prostituierten ohne eine einzigeSexszene. Ich kannte mal eine Frau (leider ist sie verstorben), wo ich keine bessere Beschreibung hätte abgeben können. Der Roman ist knapp 500 Jahre alt.

Das Bildnis des Dorian Gray ist eine Pflichtlektüre für jeden, der beim small talk als gebildet gelten möchte. Er beschreibt die Auferhaltung der Illusion gegen die Zeit auf Kosten des ICH. Das ICH wird zerstört, so lange die Illusion aufrechterhalten wird, lässt sie sich nicht mehr erhalten, stellt sich heraus, dass gar kein ICH vorhanden war.

Die Moll Flanders ist ein Sittengemälde Englands im 17. Jh., damals als für die Welt die Dominanz Europas begann die jetzt zu Ende geht.

Marivaux ist eine Parodie, fällt aber nicht auf. Es ist das beste Sittengemälde Europas im 17. Jh., das ich kenne. So haben die damals gelebt, so haben sich sich gefühlt. Das Ganze sehr kurzweilig beschrieben.

"Was geschah mit Slocum" ist eine bösartige Beschreibung des sinnlosen Lebens eines Angestellten im mittleren Management, also der Meisten von uns. Die Sinnlosigkeit wird durch Geldverdienen vertrieen, d.h., im Subtext wird deutlich, dass Geldverdienen nur den Zweck hat, die Sinnlosigkeit zu vertreiben bzw. wegzuschieben. die Leute sind nur deswegen geldgeil, weil ihr Leben sinnlos ist und nicht umgekehrt.
Nochmal: Nicht die Geldgeilheit macht das Leben sinnlos, sondern das sinnlose Leben hat Geldgeilheit zur Folge. Das halte ich für einen wichtigen Ansatzpunkt.

Das ist übrigens "historisch" völlig neu. Der Aspekt der Sinnlosigkeit, der bei Slocum so augenfällig ist, auch bei Anselm Kristlein (wenn auch bei ihm nicht so bösartig), fehlt bei Don Quijote, Moll Flanders, Brideron, Lozana die Andalusierin vollständig. Alles, was sie tun hat einen Sinn.

Dorian Gray und der Mann ohne Eigenschaften sind grandiose Versuche, nochmal unter Aufbietung aller Kräfte gegen den Nihilismus anzugehen. Noch haben sie nicht aufgegeben.
Andre Heller hat bereits aufgegeben.

Gruß Mephistopheles


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