Wirklichkeit

Falkenauge, Sonntag, 07.04.2019, 09:54 (vor 1808 Tagen) @ Tempranillo1692 Views

Und die Wirklichkeit ist unterdessen abhanden gekommen. Du hast soeben
eine sehr interessante Erklärung des deutschen Wahnsinns gegeben. Man
klammert sich an demokratischen Phrasen und Rechten fest wie an von der
Tatsachenwelt unabhängigen Ideen und Begriffen, aber die uns umgebende und
bestimmende Wirklichkeit ist mittlerweile völlig aus dem Blick geraten.

Der Deutsche früher: *Uns ist die Welt abhanden gekommen.* Der Deutsche
heute: *Wir sind heruntergekommen und wissen nicht, wie.*

Dieses Land leidet unter einer schweren Form des Wirklichkeitsverlusts,
wäre meine Diagnose.

Ideen und Begriffe sind, insofern sie sich auf die irdischen Dinge und Verhältnisse beziehen, nicht von der Tatsachenwelt unabhängig. Sie sind in sich objektiv real, ergeben aber erst mit den sinnlichen Wahrnehmungen zusammen, mit denen sie zur Synthese kommen müssen, die irdische Tatsachenwelt. Wahrnehmungen und Begriffe jeweils für sich stellen je nur die halbe Wirklichkeit dar. Erst in ihrer Synthese wachsen wir in die Wirklichkeit hinein. - Genauer mein Artikel: Erkenntnis der Erkenntnis. (Zum Verständnis notwendig, bitte halt mal lesen.)

Begriffe, die als subjektiv konstruiert gedacht werden, lassen gar nicht tief genug in die Wirklichkeit eindringen, weil sie den Ursprung der Begriffe in einer geistigen Ideenwelt ignorieren. Sie bleiben an der materiellen Wahrnehmungswelt kleben und halten diese bereits für die volle Wirklichkeit. Das ist aber eine Beschränktheit der Weltauffassung, eine Beschränkung auf die materielle Außenseite. Insofern sind sie es, die an einem Wirklichkeitsverlust leiden.

Der heutige politische Wirklichkeitsverlust der Deutschen liegt gerade am Verlust des wirklichkeitsgesättigten Denkens.

Im Elternhaus wird es nicht anders sein. Ich bin sehr skeptisch, ob es
nicht immer auf eine Reproduktion der privaten oder gesellschaftlichen
Verhältnisse hinauslaufen wird?

Skepsis ist immer gut. Aber man muss auch der eigenen Skepsis gegenüber skeptisch sein.

Möglicherweise unterschätzt Du die Möglichkeiten außerhalb des
Bildungssystems, die auf persönliches Interesse oder geniale Individuen
zurückgehen?

Die gehören im funktionalen Sinn auch zum Bildungssystem. Auch bei ihnen kommt alles auf die Freiheit an.

Ein von staatlicher Einflußnahme freies Bildungssystem wäre als
Privatunterricht vorstellbar, aber wer könnte sich so etwas leisten?

Ein freies Bildungssystem bestünde aus lauter Privatschulen, besser: aus Schulen mit privater, gemeinnütziger Trägerschaft (Vereine der Eltern und Lehrer z. B.). Sie müssen natürlich durch Spenden aus dem Wirtschaftsleben (in zentrale Töpfe) finanziert werden, was ja heute durch Zwangsschenkungen (Steuern) über den Staat auch geschieht, der aber dadurch als scheinbarer Geldgeber das Sagen hat.

Daß es nicht notwendigerweise zur Erstarrung und Unterordnung unter
ausschließlich wirtschaftliche d.h. liberalkapitalistische Interessen
führen muß, wäre dem Bildungswesen früherer deutscher und europäischer
Staaten zu entnehmen.


Da war es noch längst nicht so als staatliches Instrument ausgebaut und perfektioniert wie heute.

Gruß
Falkenauge


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