Die Frage aller Fragen

Tempranillo, Samstag, 06.04.2019, 19:10 (vor 1809 Tagen) @ Falkenauge2105 Views

Falkenauge,

das war eine mustergültige Antwort, so schön argumentiert und geschrieben, wie man das leider allzu selten erlebt.

Du hast mich korrigiert, aber so, daß ich die Richtigstellung akzeptiere und sogar etwas übernehme.

Von hassen kann keine Rede sein. Ich unterscheide immer zwischen Person
und Meinung. Aber auch diese Auffassung hasse ich nicht. Sie beruht darauf,
dass Du m.E. noch nicht richtig in das Denken der deutschen Philosophen
eingedrungen bist.

Akzeptiere ich sofort. Ich habe schon mal geschrieben, daß mir vieles Deutsche fremd ist.

Für Hegel z. B. trieb die Entwicklung der reinen Gedankenbewegung, wie er
sie versuchte, zu der Erkenntnis, dass man im Weben des Gedankens ein
inneres Leben erfasst: die Wahrheit des in der Welt wirkenden Geistes. Er
empfand: Wenn ich den reinen Gedanken in seinen Tiefen erfasse, erscheint
er nicht mehr nur als subjektives Gebilde, sondern in ihm offenbart sich
als lebendige Idee das Höchste und Tiefste, was in der Welt geistig
schafft und bildet.

Das krieg' ich nicht runter, suche den Fehler aber bei mir und meiner mangelnden Fähigkeit, Hegel zu verstehen. Mit Baudrillard und Bourdieu geht's mir genauso.

Nietzsche fasziniert mich auch. Ich habe in meiner Jugend "Also sprach
Zarathustra" geradezu verschlungen.
Aber Nietzsche war kein Philosoph in eigentlichen Sinne, der mit logischen
Argumenten nach der Wahrheit suchte. Nietzsche wirkt nicht durch die
logische Kraft seiner Argumente, sondern durch die suggestive Kraft seiner
dionysisch-poetischen Sprache.

Nietzsche hat kein philosophisches System errichtet. In meinen Augen war er eher ein für deutsche Verhältnisse unerhört scharfsichtiger Psychologe und einzigartiger Stilist. Nietzsches Polemiken gegen Richard Wagner und Ecce Homo sind von der ersten bis zur letzten Zeile ein Genuß.

Das habe ich schon so gesehen, als ich von Bewunderung für Richard Wagner durchdrungen gewesen bin, die sich inzwischen deutlich abgekühlt hat wie auch die für Thomas Mann.

Die Amerikanisierung mit ihrer Oberflächlichkeit hat mit zum Verfall des
Denkens beigetragen. Aber der eigentliche Grund ist die Abhängigkeit des
Bildungswesens von den Direktiven der Herrschenden.

Ich meine nach wie vor, daß es einen großen Unterschied macht, ob die Direktiven im Sinne Deutschlands und Europas oder Angloamerikas erfolgen.

Für mich ist die Frage, wer herrscht, dient er dem eigenen Volk oder fremden Interessen, wie wird seine Macht begrenzt, die alles entscheidende.

Sobald die wie auch immer beschaffene Regierung eines Landes der eigenen Nation dient und nicht City of London und Wall Street, klärt sich alles weitere von selbst.

Tempranillo

--
*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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