Der Schuldturm

Nico, Montag, 25.03.2019, 03:02 (vor 1849 Tagen)3061 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 25.03.2019, 03:43

Nicht selten bin ich der Auffassung begegnet, dass die deutsche Sprache von einer besonderen Güte gegenüber anderen Sprachen sei. Selbst habe ich da leider kaum Möglichkeiten des Vergleichs, aber ich schenke dieser Auffassung auch so gerne glauben. Um so unverständlicher ist nun aber der grobe Schnitzer, welchen sich unsere Muttersprache bis heute erlaubt, und über den wir nun ein wenig nachdenken wollen. Gemeint sind hier die Begriffe für Partner in einer Beziehung von rein monetärer Art. Diese nennen wir – und ich traue mich kaum es auszusprechen – Schuldner und Gläubiger. So greife ich mit meinem Hinweis, dass hier gleich eine Rangordnung der Wertigkeit implementiert wird, dem erst noch Folgendem ein wenig vor, aber ich möchte gleich zu Beginn auch auf die schon groteske Maßlosigkeit dieser Wertung Hinweis geben – und zwar auf beiden Seiten. Dass darauf nun erst hingewiesen werden muss, liegt eben daran, dass wir diese Bezeichnungen halt gewohnt sind, das aber bedeutet, dass damit dieses tödliche Sprachgift seine Wirkung auch schon lange entfaltet. Der geneigte Leser mag dabei schon erahnen, dass ich auch an keinen Zufall glaube, und im Heimatland des Schuldkultes schon erst recht nicht. Manch einer mag nun glauben, dass meine Agitation hauptsächlich auf den Begriff des Schuldners zielt, aber eigentlich kotzt mich der Begriff des Gläubigers noch viel mehr an. Soll wohl ein Heiliger sein, was! So mag mein Anliegen auch unrealistisch sein, aber ich glaube, dass wir diesen sprachlichen Irrweg verlassen müssen, und bemühe mich hier, eine Neuausrichtung auch tatsächlich zu bewirken. Warum das wirklich wichtig ist, soll dabei auch alles nun noch Folgende möglichst vor Augen führen.

Wir wollen aber erst einmal mit Vorschlägen beginnen, wie diese ungeeigneten Begriffe möglichst akkurat ersetzt werden können, um im Folgendem selbst nicht mehr auf deren Verwendung angewiesen zu sein. Unter des Wirtschaftswesens kundigen Leuten ist ja ohnehin das Begriffspaar von Forderungen und Verbindlichkeiten gebräuchlich. So liegt es also bereits nahe, nun doch einfach von „Forderern“ und (tja) von „Verbundenen“ (na ja) vielleicht von „Verpflichteten“ zu sprechen. Für bessere Vorschläge bin ich natürlich offen, aber im Folgendem bleibe ich erst einmal dabei.

Reden wir also mal ein wenig über das Thema, und lernen dabei auch ein bisschen über das Wesen des Geldes (Debitismus). Wenn vor langer prähistorischer Zeit einmal ein Jäger ein Mammut erlegt hatte, dann stellt sich ihm nämlich gleich das Problem, dass das meiste von dem Tier längst verwest sein wird, bevor sich der Jäger vom Rüssel an bis zu den Hinterläufen hat durch-futtern können. So bestand für den Jäger die Möglichkeit, den übergroßen Rest des Tieres ebenfalls zu verwerten, nur darin, es gegen ein Versprechen, anderen Artgenossen zur Nutzung zu überlassen. Ansonsten hätten sich sicher auch die Geier gefreut, aber eben ohne auch ein rechtsverbindliches Abkommen auf Gegenleistung einzugehen. Der Forderer hat also auf nichts verzichtet und nur ein Geschäft gemacht. So war es damals, und genau so ist es auch heute noch – zumeist. Es kann auch mal vorkommen, dass ein Forderer wirklich etwas aufgegeben hat, um es einem anderen zu überlassen, nur ist es beileibe nicht die Regel. Die absolute Regel ist die, dass es sich z. B. einfach nicht lohnt eine Maschine zu bauen, welche Schuhe herstellt, wenn man dann nur Schuhe für sich selbst produziert, sondern nur, wenn diese Maschine letztlich auch von anderen genutzt wird. Fühlt sich hier irgendjemand nun nicht angesprochen, weil er keine Schuhe haben will? Gibt der Mann mit der Maschine nun etwas weiter, was er dafür selbst entbehren muss? Wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, und nur arbeitsteilig kann die Gesellschaft auch Lebenskomfort für den einzelnen hervorbringen. Es ist nicht das Wesen des monetären Wirtschaftens, dass jemand etwas hergibt, was er auch sinnvollerweise hätte selbst gebrauchen können. Natürlich gilt das alles auch für das ansonsten kaum entbehrliche und höchst ehrbare Bankgeschäft. Es ist nämlich einfach so, dass sich Forderer und Verpflichteter (vormals Gläubiger und Schuldner) nur in der selben Sache engagiert haben. So sollen sie damit auch gerne gemeinsam reich werden, oder gemeinsam absaufen. Pardon für den Ausdruck, aber ich wollte hier nicht nur meiner Neigung zur Dramatik nachgeben, sondern auch gleich auf das nächste, sich unmittelbar anschließende Thema überleiten.

Denn „Absaufen“ soll natürlich niemand. Wir verfügen über ein ganz wundervolles Instrument, zur Unterstützung einer behaglichen Verdauung eines fehlgeschlagenen Engagements – wir sprechen hier vom Konkurs. Hier soll also der Wohlklang dieses ansonsten ja auch fachlichen Begriffes angemessen vermittelt werden. Leider wurde uns Menschenkindern die Freude an einem solchen feierlichen Procedere aber gänzlich vergällt. Ja, die Menschen haben sogar große Angst vor diesem Vorgang, und dass bedauerlicherweise nicht ohne Grund. Der lediglich monetär Verpflichtete wird hier nämlich wahrlich SCHULDIG gesprochen, er wird stigmatisiert und nun bösartig verfolgt. Wie dumm und töricht und niederträchtig das ist! Sollten wir ihn nicht wie im Mittelalter gleich noch vierteilen, um unseren moralischen Werten Genüge zu leisten? Dafür dass er es gewagt hat, sich in der Gesellschaft möglichst nützlich machen zu wollen?! Der Konkurs könnte, sollte und müsste ein Verfahren sein, welches niemand fürchten muss. Im Großen und Ganzen bliebe übrigens auch alles beim Alten; die Konkursmasse wird verwertet, und der Ertrag nach Gesetz den verschiedenen Forderern zugewiesen. Anschließend noch offen gebliebene Forderungen werden nun ausgebucht, damit die Bilanz sauber bleibt. Was aber natürlich auch unmittelbar zu geschehen hätte ist, dass also auch die Verbindlichkeiten gelöscht werden. Es werden aber stattdessen nun Titel angefertigt, welche schlappe 30 Jahre gültig sind. Vielleicht soll uns das ja an den 30-jährigen Krieg erinnern, wer weiß? Nach Abschluss eines solchen Verfahrens soll der Pleitier aber gänzlich entlastet sein. Natürlich muss für die Dauer dieses Verfahrens sichergestellt sein, dass der Pleitier ordentlich leben kann, und natürlich steht auch für diese Notwendigkeit die Konkursmasse zur Disposition. Es bedarf nun noch wohlwollender gesetzlicher Regelungen darüber, was der Pleitier für seine Existenz immer behalten darf, sein Haus z.B..

Einige werden sich jetzt wohl sträuben und denken, ich sei ein Fantast. Schaut lieber ruhig einmal in euch selbst – schlummert da vielleicht nur Missgunst, wenn nicht gar Bosheit? Wie lange wollt ihr die Tyrannei noch nähren? Es sind Gesetze der Sklaverei – wer arbeitet heute nicht alles 90 Stunden die Woche, nur um dem Konkurs zu entgehen? Es wäre zum Wohle der Gesellschaft, wenn der einzelne schon von Beginn an ermutigt wäre, etwas Neues auszuprobieren. Die Volkswirtschaft könnte viel mehr prosperieren, wenn ein gestürzter Verpflichteter gleich wieder von vorne beginnen könnte. Trennt bitte die Vergehen vom Kreditbetrug und Betrügerischem Konkurs sorgfältig von dem hier gesagten ab, denn davon habe ich auch nicht gesprochen, und diese sollen auch weiterhin verfolgt werden können.

Kommen wir noch einmal kurz auf den Schuld-Begriff zurück. In der englischen Sprache wird das ganz anders geregelt, und man greift auf das Wort „debt“ zurück, wenn Verbindlichkeiten gemeint sind, und was mit „guilt“ nichts zu tun hat, aber die hauptsächliche Bedeutung des deutschen Schuld-Begriffes verkörpert. In England ist der Pleitier nach englischem Insolvenzrecht nach nur einem Jahr „schuldenfrei“. Zufall?

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... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...


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