Einordnung zum Thema

Weiner, Sonntag, 24.03.2019, 20:36 (vor 1831 Tagen) @ Oblomow4445 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 24.03.2019, 21:11

Guten Abend!

Man sollte die Zeiten, auch wenn bzw. gerade weil sie oft sehr lang sind, nicht durcheinander werfen.

Der moderne Mensch (Cro Magnon) kam nach Europa über den Nahen Osten sowie über Gibraltar und stieß hier auf den Neandertaler. Dabei hat eine Vermischung (vermutlich teilweise gewaltsam) stattgefunden, die dem künftigen europäischen Menschen etliche Vorteile brachte, weil der Neandertaler über Jahrhunderttausende sich körperlich besser an das damals sehr rauhe Klima und die Jagd allhier angepasst hatte. Der neue Mensch aus 'Afrika', der anfangs ganz sicher eine dunkle Hautfarbe und lockige schwarze Haare hatte ..., war dagegen lernfähiger und innovativer. Er hat sich vom Nahen Osten aus selbstverständlich auch in andere Regionen verbreitet (Eurasien und Asien). Wir reden hier von einem Zeitraum der 60.000 bis 40.000 Jahre zurück liegt.

Es ist richtig, dass ab 40.000 hier in Europa erstmals künstlerische Artefakte gefunden werden, die darauf schließen lassen, dass etwas grundsätzlich Neues in der Menschengeschichte entstanden ist (Bildung komplexer Kulturmuster, deren Weitergabe und fortlaufende Weiterentwicklung). Die ersten Zeugnisse dazu findet man auch bereits in früherer Zeit und an anderen Orten (Südafrika, Ostafrika, Australien). Jedoch ist die Dichte der Funde und ihre Qualität hier in Europa außerordentlich hoch. Dies ist wohl nicht nur der besseren achäologischen Erforschung geschuldet sondern dem Genius Loci (Klima und landschaftliche Gliederung in Europa).

Während der Eiszeiten, also bis etwa 10.000 v.Chr. findet gleichzeitig eine körperliche und auch 'geistig-kulturelle' Evolution im eurasiatischen Raum und mit dem modernen Menschen statt. Archäologisch ist sie am deutlichsten fassbar durch die Mikrolithik, d.h. die Steinwerkzeuge werden immer feiner und funktioneller, und es werden fortlaufend neue Materialien und Formen erprobt.

Der Ackerbau und die Viehzucht sind keine westeuropäischen Erfindungen sondern wurden, wiederum aus klimatischen Gründen, im Nahen Osten erarbeitet (von den Vettern der Westeuropäer). Von dort aus haben sie sich teils durch Migration, teils durch kulturelle Weitergabe nach Westeuropa und Nordeuropa verbreitet. Wir sind hier im Bereich 7.000 bis 5.000 v.Chr. Die frühen Ackerbauern in Westeuropa und auf dem Balkan hatte ein eigenes Gepräge und waren wiederum höchst innovativ (ich denke etwa an die ersten Textilien oder das Holzhandwerk). In der Grundstuktur hat sich das teils bis vor 500 Jahren erhalten (Dorfanlage, Alltagskultur etc.). Diese Kulturen wurden aber ab 5.000 v.Chr. ständig vom Osten her durch patriarchalische Viehzüchter, Krieger (Männerüberschuß) und Händlerkrieger überrollt - bis sich schließlich eine Stratifizierung ausbildete (königliche Anführer, adlige Leistungsträger, Handwerker und Bauern), die bei allem Wandel sich ebenfalls bis in unser eigenes Mittelalter erhalten hat.

Der Quellgrund dieser kriegerischen Kulturen aus dem Osten liegt im Bereich des Altai und der südrussischen Steppen. Es ist angemessen, diese Leute als Proto-Indoeuropäer oder Proto-Indogermanen zu bezeichnen. Sämtliche Hochkulturen der bisherigen Menschheitsgeschichte gehen auf sie als kreatives Ferment zurück, nicht nur die nahöstliche sondern auch chinesischen und indischen Kulturzyklen, selbst die nicht mehr voll ausgebildeten autochtonen Königreiche in Afrika sowie die großen Kulturzyklen in Amerika und in der Südsee (zu beiden letzteren Regionen: der besondere Drang zur Bewegung bei diesem Menschenschlag hat sich aufs Schiff verlegt, wenn das Pferd nicht mehr konnte; nach Japan konnte man die Pferde auf dem Schiff mitnehmen; bis ins frühe 20. Jahrhundert gab es in alten japanischen Adelsfamilien vereinzelt blonde Haare; Dschingis Khan soll gemäß chinesischen Quellen ebenfalls von sehr heller Haarfarbe gewesen sein; vgl. die hellhäutigen und rothaarigen Menschenfunde in der Gobi bzw. den Stamm der Tocharer).

Zum Thema KRIEG: Die sozial koordinierte Gewalt haben wir von unseren tierischen Vorfahren übernommen. Ich verweise auf den hervorragenden Arte-Film über die Kriegeraffen, der letztes Jahr hier auf dem Forum verlinkt wurde:

https://www.youtube.com/watch?v=tm5nsCKZxb4

https://de.wikipedia.org/wiki/Schimpansenkrieg_von_Gombe

Die Kritik damals von @Mephistopheles, dass bei den Aufnahmen menschliche Verhältnisse auf die Affen projiziert worden seien, ist nicht angemessen bzw. falsch. Es ist auch falsch, im Stadium von Jägern und Sammlern noch nicht von 'Eigentum' zu reden. Denn Jäger haben in der Regel (bei kritischer Populationsdichte) ein Revier, das sie als ihr eigen begreifen - wie in diesem Film ebenfalls sehr schön zu sehen ist (weiterer, sehr wichtiger Punkt: die innere soziale Dynamik unter den führenden Männchen).

Bei den oben erwähnten kriegerischen Nomaden, die aus der Steppe immer wieder nach Europa brandeten, befinden wir uns an der Grenze zwischen spontanem Raubzug oder landsuchender, raubender sowie unterwerfender Bevölkerungswanderung einerseits - und systematisch organisierter Gewalt andererseits. Letztere pflanzt sich systematisch fort, erneuert sich und generiert in allen Bereichen des kulturellen Lebens Innovation. Erst diese systematische und sich selbst fortpflanzende Art von Gewalt möchte ich selbst als den Krieg im eigentlichen Sinne bezeichnen. Wir alle leben in dieser geschichtlichen Epoche des fortwährenden Krieges, die vor etwa 6.000 Jahren begonnen hat. Und es wäre eigentlich unsere Aufgabe, sie zu beenden bzw. auf ihr Ende hinzuarbeiten.

Neben der so genannten "Energiefrage" ist (positiv ausgedrückt) die Frage nach dem Frieden die zentrale Herausforderung für den Menschen im gegenwärtigen Stadium seiner Geschichte. Bis das alles arrangiert ist, werden aber vermutlich noch 500 Jahre in die Welt gehen, mindestens, vielleicht auch 1500 - und somit weiteres Leid und fortgesetzte Zertörung. Ich habe zu dieser Sicht auf das Thema Krieg bereits einmal zwei Quellen eingestellt:

http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=414744

Obwohl die Genetik in der Geschichte eine gewisse Rolle spielt, sollte man sie nicht überschätzen bzw. richtig einordnen. Deutschland ist die am stärksten durchmischte Bevölkerung in Europa, und dieser Sachverhalt ist ganz sicher mit ein Grund der besonderen Leistungsfähigkeit mitteleuropäischer Menschen und Gesellschaften. Dennoch ist der Genpool bei uns hier an der Basis relativ konstant, wie die folgende Untersuchung deutlich zeigt (die ich ebenfalls schon mal hier zitiert hatte):

https://www.focus.de/wissen/videos/aeltester-dna-stammbaum-anthropologin-entdeckt-aelte...

https://www.cicero.de/kultur/3000-jahren-nicht-umgezogen/47627

zur Ergänzung evtl. auch noch das hier:

https://www.welt.de/welt_print/article1693136/Familie-Konfuzius-ist-die-aelteste-der-We...

Der eigentliche evolutionäre Fortschritt des Menschen gegenüber vergleichbaren höheren Säugetieren ist seine lange 'Kindheit' und Lernfähigkeit, die dann wiederum das Phänomen der Kultur hervorbringen. Diese schiebt sich zwischen den Körper (mitsamt dessen physiologisch fixierten Verhaltensweisen) und die äußere Wirklichkeit (die es zu bewältigen gilt). Ohne kulturelles Inventar kann der Mensch nicht überleben. Ich nenne es, in Analogie zum Genom, das Kulturom. Es wird von Generation zu Generation übermittelt, ist aber - das besondere an der ganzen Sache! - extrem wandelbar und für Innovationen offen.


Woher kommen diese Innovationen? Was eigentlich ist der 'kulturschaffende' menschliche ... Geist?

Fragt sich, freundlich grüßend, Weiner


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