Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man läßt.

Oblomow, Freitag, 22.03.2019, 15:12 (vor 1856 Tagen) @ Revoluzzer4835 Views

Hallo @Revo,

ich möchte Dir garnicht Deinen Erwachsenen/Kinderglauben nehmen und ich möchte auch garnicht dekonstruiren oder wie der Scheiß heißt. Es geht nur darum, dass Q sowenig gut ist wie NichtQ oder DoppelQ und solche Kategorien zwar für Scheinriesen ok sind, aber für Zwerge wie mich keinerlei Bedeutung haben. Ich verachte wie Du auch Verhaltensweisen, die verächtlich sind. Und nun? Interessant ist der Q-Mythos dennoch. Es geht wohl doch um Kohle.

Herzlich Oblomow
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Hier noch was Nettes aus der "Genealogie der Moral". Dieser Fritze aus Röcken mit Hirnerweichung denkt sich so seinen Teil. Gutes Buch, dass ich mal wieder lesen muss statt firlefanzig zu pittiplatschen.[[trost]]


"– Der Sklavenaufstand in der Moral beginnt damit, daß das Ressentiment selbst schöpferisch wird und Werte gebiert: das Ressentiment solcher Wesen, denen die eigentliche Reaktion, die der Tat, versagt ist, die sich nur durch eine imaginäre Rache schadlos halten. Während alle vornehme Moral aus einem triumphierenden Ja-sagen zu sich selber herauswächst, sagt die Sklaven-Moral von vornherein Nein zu einem »Außerhalb«, zu einem »Anders«, zu einem »Nicht- selbst«: und dies Nein ist ihre schöpferische Tat. Diese Umkehrung des werte-setzenden Blicks – diese notwendige Richtung nach außen statt zurück auf sich selber – gehört eben zum Ressentiment: die Sklaven-Moral bedarf, um zu entstehn, immer zuerst einer Gegen- und Außenwelt, sie bedarf, physiologisch gesprochen, äußerer Reize, um überhaupt zu agieren – ihre Aktion ist von Grund aus Reaktion. Das Umgekehrte ist bei der vornehmen Wertungsweise der Fall: sie agiert und wächst spontan, sie sucht ihren Gegensatz nur auf, um zu sich selber noch dankbarer, noch frohlockender ja zu sagen – ihr negativer Begriff »niedrig«, »gemein«, »schlecht« ist nur ein nachgebornes blasses Kontrastbild im Verhältnis zu ihrem positiven, durch und durch mit Leben und Leidenschaft durchtränkten Grundbegriff »wir Vornehmen, wir Guten,[782] wir Schönen, wir Glücklichen!« Wenn die vornehme Wertungsweise sich vergreift und an der Realität versündigt, so geschieht dies in bezug auf die Sphäre, welche ihr nicht genügend bekannt ist, ja gegen deren wirkliches Kennen sie sich spröde zur Wehr setzt: sie verkennt unter Umständen die von ihr verachtete Sphäre, die des gemeinen Mannes, des niedren Volks; andrerseits erwäge man, daß jedenfalls der Affekt der Verachtung, des Herabblickens, des Überlegen-Blickens, gesetzt daß er das Bild des Verachteten fälscht, bei weitem hinter der Fälschung zurückbleiben wird, mit der der zurückgetretene Haß, die Rache des Ohnmächtigen, sich an seinem Gegner – in effigie natürlich – vergreifen wird. In der Tat ist in der Verachtung zu viel Nachlässigkeit, zu viel Leicht-Nehmen, zu viel Wegblicken und Ungeduld mit eingemischt, selbst zu viel eignes Frohgefühl, als daß sie imstande wäre, ihr Objekt zum eigentlichen Zerrbild und Scheusal umzuwandeln. Man überhöre doch die beinahe wohlwollenden nuances nicht, welche zum Beispiel der griechische Adel in alle Worte legt, mit denen er das niedere Volk von sich abhebt; wie sich fortwährend eine Art Bedauern, Rücksicht, Nachsicht einmischt und anzuckert, bis zu dem Ende, daß fast alle Worte, die dem gemeinen Manne zukommen, schließlich als Ausdrücke für »unglücklich«, »bedauernswürdig« übriggeblieben sind (vergleiche deilos, deilaios, poneros, mochtheros letztere zwei eigentlich den gemeinen Mann als Arbeitssklaven und Lasttier kennzeichnend) – und wie andrerseits »schlecht«, »niedrig«, »unglücklich« nie wieder aufgehört haben, für das griechische Ohr in einen Ton auszuklingen, mit einer Klangfarbe, in der »unglücklich« überwiegt: dies als Erbstück der alten edleren aristokratischen Wertungsweise, die sich auch im Verachten nicht verleugnet (– Philologen seien daran erinnert, in welchem Sinne oizyros, anolbos, tlemôn, dystychein, xymphora gebraucht werden). Die »Wohlgeborenen« fühlten sich eben als die »Glücklichen«; sie hatten ihr Glück nicht erst durch einen Blick auf ihre Feinde künstlich zu konstruieren, unter Umständen einzureden, einzulügen (wie es alle Menschen des Ressentiment zu tun pflegen); und ebenfalls wußten sie, als volle, mit Kraft überladene, folglich notwendig aktive Menschen, von dem Glück das Handeln nicht abzutrennen – das Tätigsein wird bei ihnen mit Notwendigkeit ins Glück hineingerechnet (woher eu prattein seine Herkunft[783] nimmt) – alles sehr im Gegensatz zu dem »Glück« auf der Stufe der Ohnmächtigen, Gedrückten, an giftigen und feindseligen Gefühlen Schwärenden, bei denen es wesentlich als Narkose, Betäubung, Ruhe, Frieden, »Sabbat«, Gemüts-Ausspannung und Gliederstrecken, kurz passivisch auftritt. Während der vornehme Mensch vor sich selbst mit Vertrauen und Offenheit lebt (gennaios »edelbürtig« unterstreicht die nuance »aufrichtig« und auch wohl »naiv«), so ist der Mensch des Ressentiment weder aufrichtig, noch naiv, noch mit sich selber ehrlich und geradezu. Seine Seele schielt; sein Geist liebt Schlupfwinkel, Schleichwege und Hintertüren, alles Versteckte mutet ihn an als seine Welt, seine Sicherheit, sein Labsal; er versteht sich auf das Schweigen, das Nicht-Vergessen, das Warten, das vorläufige Sich-verkleinern, Sich-demütigen. Eine Rasse solcher Menschen des Ressentiment wird not wendig endlich klüger sein als irgendeine vornehme Rasse, sie wird die Klugheit auch in ganz andrem Maße ehren: nämlich als eine Existenzbedingung ersten Ranges, während die Klugheit bei vornehmen Menschen leicht einen feinen Beigeschmack von Luxus und Raffinement an sich hat – sie ist eben hier lange nicht so wesentlich als die vollkommne Funktions-Sicherheit der regulierenden unbewußten Instinkte oder selbst eine gewisse Unklugheit, etwa das tapfre Drauflosgehn, sei es auf die Gefahr, sei es auf den Feind, oder jene schwärmerische Plötzlichkeit von Zorn, Liebe, Ehrfurcht, Dankbarkeit und Rache, an der sich zu allen Zeiten die vornehmen Seelen wiedererkannt haben. Das Ressentiment des vornehmen Menschen selbst, wenn es an ihm auftritt, vollzieht und erschöpft sich nämlich in einer sofortigen Reaktion, es vergiftet darum nicht: andrerseits tritt es in unzähligen Fällen gar nicht auf, wo es bei allen Schwachen und Ohnmächtigen unvermeidlich ist. Seine Feinde, seine Unfälle, seine Untaten selbst nicht lange ernst nehmen können – das ist das Zeichen starker voller Naturen, in denen ein Überschuß plastischer, nachbildender, ausheilender, auch vergessenmachender Kraft ist (ein gutes Beispiel dafür aus der modernen Welt ist Mirabeau, welcher kein Gedächtnis für Insulte und Niederträchtigkeiten hatte, die man an ihm beging, und der nur deshalb nicht vergeben konnte, weil er – vergaß). Ein solcher Mensch schüttelt eben viel Gewürm mit einem Ruck von sich, das sich bei anderen eingräbt; hier allein ist auch das möglich,[784] gesetzt daß es überhaupt auf Erden möglich ist – die eigentliche »Liebe zu seinen Feinden«. Wieviel Ehrfurcht vor seinen Feinden hat schon ein vornehmer Mensch! – und eine solche Ehrfurcht ist schon eine Brücke zur Liebe... Er verlangt ja seinen Feind für sich, als seine Auszeichnung, er hält ja keinen andren Feind aus, als einen solchen, an dem nichts zu verachten und sehr viel zu ehren ist! Dagegen stelle man sich »den Feind« vor, wie ihn der Mensch des Ressentiment konzipiert – und hier gerade ist seine Tat, seine Schöpfung: er hat »den bösen Feind« konzipiert, »den Bösen«, und zwar als Grundbegriff, von dem aus er sich als Nachbild und Gegenstück nun auch noch einen »Guten« ausdenkt – sich selbst!..."


http://www.zeno.org/Philosophie/M/Nietzsche,+Friedrich/Zur+Genealogie+der+Moral/Erste+A...


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