Das Strukturmodell der Psyche wird eines der wenigen Dinge sein, die von Freud bleiben

Phoenix5, Mittwoch, 20.03.2019, 18:52 (vor 1856 Tagen) @ Oblomow1595 Views
bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 20.03.2019, 19:06

Sigmund Freud erfindet irgendwelches Personal, dass dann miteinander seine
Possen treibt. Wer es glaubt.

Das Theoriegebäude der Psychoanalyse ist keine Wissenschaft (ich halte es für eine Schnittstelle zwischen Esoterik und Wissenschaft, v.a. bei Jung), aber sie rationalisiert bzw. übersetzt für uns Erwachsene das, was in der kindlichen Psyche wortlos und unreflektiert vor sich geht. Das ist ungefähr das Gleiche wie die Wissenschaft, wenn sie versucht uns die Dinge während und kurz nach dem Urknall zu erklären. Da war auch niemand analytisch dabei und wir können nur versuchen die Vorgänge in Worte und Formeln zu packen. Ich halte gerade das Strukturmodell Freuds für genial und für das Wenige, das von ihm bleiben wird. Mit diesem Modell lässt sich, übertragen auf die Kultur, auch vieles besser begreifen, beispielsweise der Unterschied zwischen einem stark ES-verhafteten Stamm ohne Hierarchie und Befehlsgewalt, der auf einer unbewussten Gruppendynamik gründet und einer Kultur, die ein starkes Ich-Bewusstsein im Spannungsfeld zwischen oben (Gebote/Verbote) und unten (Triebbefriedigung) hervorbringt (mit Ich-Inflation am Ende, wenn die Normen immer laxer werden und anschließender Rückabwicklung des Ichs).

Ich würde dir empfehlen Erich Neumanns "Ursprungsgeschichte des Bewusstseins" zu lesen. Ein Werk, das für mich ein ähnlicher Augenöffner war, wie PCM in der Ökonomie. Vielleicht denkst du dann anders über die Psychoanalyse.

Das mit dem Peak-Bewusstsein, das finde ich interessant. Das kapiere ich
nicht so janz, wie Du das herleitest.

Ein starkes Ich-Bewusstsein entfaltet sich im Spannungsfeld zwischen Es und Über-Ich - zwischen "Was würde ich gern tun -> Meine Triebe befriedigen" vs. "Was darf ich innerhalb der kulturellen Normen tun?"

Ich glaube ja, Peak-Bewusstsein war
so um 600 vor Christus, danach ging's bergab, sieht man mal von
gelegentlichen Entzückungsspitzen ab. Kann mich aber ooch irren.

Da sagt Julian Jaynes in seinem hochinteressanten und gleichzeitig hochspekulativen Buch "Der Ursprung des Bewusstseins durch den Zusammenbruch der bikameralen Psyche" das exakte Gegenteil. Der meint, dass das Ich-Bewusstsein überhaupt erst 1000 v. Chr. entstand. Daniel Dennett fand seine Thesen sehr interessant und war einer der Wenigen, die ihn verteidigten.

Beste Grüße
Phoenix5


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