Goldinflation, Inka, Gewürzhandel etc.

Phoenix5, Donnerstag, 14.02.2019, 02:34 (vor 1890 Tagen) @ nereus7208 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 14.02.2019, 03:05

Hallo Nereus!

Ob Gold nun, wie PCM behauptet, ursprünglich abgefordert wurde, weil
es Waffenmetall war (dann hätte es tatsächlich Wert, nämlich für den
Staat) ..

Die Waffenmetallschote fechte ich an, weil schon das Material als Waffe
nichts taugt.

Das musst du chronologisch sehen. So weit ich mich erinnere (will den Text jetzt nicht durchackern) argumentiert dottore, dass Gold das erste Metall gewesen sein muss, mit dem Menschen überhaupt in Berührung kamen, weil es an der Oberfläche nicht oxidiert, leicht erkennbar ist und extrem gut zu bearbeiten ist (dafür natürlich weich - aber man kannte ja noch keine anderen Metalle) usw. Es wurde erst mit der Entdeckung härtere Metalle als Waffenmetall abgelöst. Aber ich will mich bei diesem Punkt eh nicht aufhalten, weil er nicht DER Punkt ist.

Der Unsinn mit dem "intrinsischen Wert" lässt sich am besten
widerlegen, wenn du dir einmal die Frage stellst, warum es eigentlich in
staatenlosen Gemeinschaften anscheinend keine "Bedürfnisse" gibt (laut
deinen Ökonomie-Helden ja der Antrieb des Kapitalismus), die für eine
Mehrproduktion sorgen.

Lau meinen Ökonomie-Helden?
Selbstverständlich gibt es auch in staatenlosen Gemeinschaften
Bedürfnisse und Wertvorstellungen. Egal wie sich Menschen
„organisieren“, es gibt immer Nachfrage und Angebot.
Habe ich Hunger generiere ich Nachfrage, pflücke ich den Apfel vom Baum
nutze ich das Angebot.
Sozialistische Geldtheorien habe ich schon vor 40 Jahren in Frage
gestellt.

Klar gibt es Bedürfnisse und Nachfrage nach irgendetwas auch in staatenlosen Gemeinschaften, aber dort wird eben immer solidarisch auf Subsistenzbasis produziert, wie in einer Großfamilie. Welchen Sinn hätte es in einem System ohne Abgabenzwang sich zu individualisieren, spezialisieren, miteinander in Konkurrenz zu treten, Tauschmärkte zu etablieren und schließlich "universelle Tauschmittel" zu erfinden? Ich will jetzt gar nicht theoretisieren, warum so ein "universelles Tauschmittel" prinzipiell undenkbar ist (das habe ich oft genug). Im allerbesten Fall wäre nur etwas vorstellbar, das ich HABEN MUSS und da bleibt ohne Abgabenschuld nur die Bedienung der Urschuld, d.h.: haltbare Nahrung, Baumaterialien, Kleidung, aber niemals ein Metall, das keinen Nutzwert hat.

Unabhängig davon, dass sich weder historisch solche Tauschmittel oder Märkte nachweisen lassen, sind sie auch heute in isolierten Völkern ohne Zentralmacht nirgendwo auffindbar. Das sollte doch stutzig machen oder? Wann soll denn auch der Zeitpunkt kommen, wo eine Großfamilie beschließt in eine Konkurrenzsituation überzutreten, um Dinge auszutauschen? Das würde ja alle Synergie-Effekte die das gemeinschaftliche Produzieren mit sich bringt zerstören und das Leben für jeden Einzelnen ungemein schwierig machen. Ich glaube, dass man diesen Übergang von der Spezialisierung des Einzelnen, der sich den Rest mit anderen zusammentauscht, gar nicht erst überleben würde. So schnell kann man gar nicht tauschen, um als Einzelner alles zusammenzubekommen, um Überleben zu können.


Wie ist es möglich, dass Stämme Jahrtausende auf dem annähernd
gleichen Niveau verharren, ohne innovativ zu sein, ohne ständig
Mehrproduktion zu schaffen, um sie gegen irgendetwas tauschen zu können,
ohne eine Infrastruktur zu schaffen, ohne irgendetwas auf die Beine zu
stellen, während ein Staatssystem einer permanenten Dynamik unterliegt,
die sich - sobald mit Eigentum gewirtschaftet wird - in die Exponentielle
steigert (man schaue sich an, was der Kapitalismus im Westen seit seinen
Anfängen im 13. Jahrhundert (Fernhandel Italien, Portugal) bis zur
Industriellen Revolution und von da bis heute geleistet hat).

Wir müssen jetzt nicht die ganze Agenda abhandeln.
Wir bleiben einfach beim "intrinsischen Wert".

Das ist aber der wichtigste Punkt. Wenn ich mir heute vorstelle, dass ich mich mit 20 oder von mir aus auch 150 Leuten (Dunbar-Zahl) zusammentue, um eine Kommune zu gründen, die für ihre eigenen Bedürfnisse autark und fernab der Zivilisation produziert, dann würde ich Gold nur unter einer einzigen Bedingung eintauschen: Wenn ich es in der Zivilisation gegen etwas Besseres eintauschen kann (z.B. einen Pflug, Dünger, Brennholz, was auch immer). Ohne Zivilisation würde mich dieses Goldstück nicht die Bohne interessieren und die Realität sieht genauso aus. Stämme mit Kontakt zur Zivilisation nehmen alles an, dass für diese Zivilisation wert hat, ob das nun Papier-Dollar sind, oder ein glänzendes Metall, dem man gerade einen Preis von 1.300$ zugesteht.

Niemand produziert in staatenlosen Gemeinschaften mehr als er braucht,
um es danach auf einem Tauschmarkt (den es nie gab) einzutauschen - gar mit
einem "universellen Tauschmittel". Und wenn niemand mehr produziert, wird
er dir auch nichts von seinem Lebensnotwendigen abgeben für ein Metall,
das für ihn bestenfalls Schmuckwert hat und ein Schmuckwert ist ein
ideeller Wert. Eine Glasmurmel ist da - weil sie etwas neues, interessantes
ist - bei weitem mehr wert als Gold (siehe Columbus).

Interessante Darlegung.
Einerseits machst Du die Wertvorstellung bei den Eingeborenen fest, die
andererseits mit Geld aber nichts am Hut haben.

Natürlich gibt es Wertvorstellungen. 1 großer Fisch, der mich satt macht (Urschuld) ist mehr wert als ein funkelndes Metall, das mir einfach nur gefällt. Mit zweiterem kann ich mich ausgiebigst beschäftigen und Kunstgegenstände daraus fabrizieren, solange der Magen satt ist.

Das geht so nicht, denn Du kannst nicht verschiedene Bezugssysteme für
Deine Herleitung von Werten nehmen. Wert-/Geld- und Preisdefinition sind
untrennbar miteinander verbunden, wenn wir über deren Zusammenhänge
diskutieren.

"Ned ollas, wos an Wert hod, muaß a an Preis haum" sang Wolfgang Ambros.

Übrigens, so ganz wertlos war das Gold für die Inkas auch nicht, wie
ihre zahlreichen Schmuckstücke beweisen.

Achtung: Die Inkas hatten ein Abgabensystem. Die Ironie an der Sache: Es war nicht Gold ;)

Hab jetzt doch nochmal nachgesehen, was PCM dazu schreibt:

"Peru war überreich an Gold und Silber, kannten aber keinerlei Geld, ihre Knoten-Schnüre („quippu“) waren verwaltungstechnische Buchungen, namentlich von zu leistenden bzw. geleisteten Abgaben. Es war also bereits ein Tributsystem entstanden, aller-dings nicht wie in Mesopotamien durch die beschriebene Entwicklung (Big-Man-Chief-Problematik), sondern durch Eroberungen, eben durch die Inka-Kaste. Zu den Tributsystemen und die Formen ihrer Verbuchungen im Nahen Osten sei in diesem Zusammenhang verwiesen auf die Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung: Hans J. Nissen, Peter Damerow, Robert K. Englund:„Frühe Schrift und Techniken der Wirtschaftsverwaltung im alten Vorderen Orient. Informationsspeicherung und –verarbeitung vor 5000 Jahren“. 2. Aufl., Bad Salzdetfurth 1991. Darin vor allem 76 ff.: „Die Entwicklung der Buchhaltung im 3. Jahrtausend v. Chr.“ Selbst eine Generation nach Eroberung Perus durch die Spanier (1560) „there was nor regular money in the country“ (Vega, 28). Produktion und Distribution der Güter waren im Details geregelt, es gab weder ein Profitmotiv, noch so etwas wie persönliche Initiative. Ihnen war sogar verboten, ihre Kleider gegen irgend etwas anderes einzutauschen. Die Indianer Perus, so Vega, „knew nothing of buying or selling, having no money, they exchanged one article of food for another“ (123). Die zahleichen Bauten der Inka (Straßen, Brücken, Festungen) weisen sie als jedoch als hoch entwickelte Kultur aus."

Und die Debatte über Tauschmärkte ist auch schon reichlich alt.
Ich erinnere an @Diogenes und @Dimi, welche die PCM-Thesen hartnäckig
hinterfragten.
Selbstverständlich „produziert“ man mehr, wenn man „hungrig“ nach
anderen Dingen ist.
Wenn vor 700 Jahren exotische Gewürze und Stoffe GEHANDELT wurden, weil
sie in Europa nicht verfügbar waren, kümmerte sich kein Schwein um
Abgaben.

Warum sollen in einem Abgabensystem keine Gewürze oder Stoffe gehandelt werden? In einem Abgabensystem wird alles gehandelt, um das Abgabenmittel zu beschaffen. Der Witz ist ja gerade, dass Abgabensysteme Bedürfnisse wecken müssen, die zuvor noch nicht da waren. Vor der Erfindung des Internets habe ich es zumindest nicht vermisst. Das ist halt der Unterschied zu staatenlosen Gemeinschaften. Dort werden angeborene Bedürfnisse gestillt, aber keine neuen geweckt. Deshalb auch der mehrtausendjährige Stillstand in solchen Systemen.

Oder wurden diese Waren etwa nicht bezahlt?
Doch womit wurde bezahlt?
Den US-Dollar gab es noch nicht, da grasten noch die Büffel auf den
Weiden von Uncle Sam.

Handel betrieben nur Abgabensysteme miteinander. Dabei mussten beide Systeme nicht einmal dieselbe Abgabe haben. Ich hab zum Beispiel keine Ahnung ob Gold in Indien Abgabe war, aber wenn Vasco da Gama dort Gewürzhandel betrieb, dann nahmen die indischen Herrscher natürlich auch Gold als Zahlungsmittel an, weil sie ja damit umgekehrt in Portugal etwas erwerben konnten. Handel mit nichtstaatlichen Systemen gab es nicht. Die wurden unterworfen und versklavt.

Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig.
Die Königshäuser lebten von den Abgaben und unternahmen selbst Raubzüge
nach Übersee um an Gold zu gelangen. Das Könige sich selbst besteuert
hätten, wäre mir neu.

Ich bin kein Historiker, aber nehme an, dass damit Schulden bei anderen Herrscherfamilien getilgt wurden. Es also eher einer Notlage geschuldet war. Tatsache ist: Gibt man das Gold im eigenen Land aus, schafft man eine Inflation. Gibt man es im Ausland aus, kann diese Inflation wieder zurückschwappen, sobald die im Inland damit auf Einkaufstour gehen. Siehe auch Gold/Silber-Inflation in Spanien im 16. und 17. Jahrhundert:

https://diepresse.com/home/wirtschaft/hobbyoekonom/641144/Die-erste-Inflation-der-Weltg...

Daran sieht man auch wieder sehr schön: Gold, das zu keiner Leistung zwingt, ist "netto-Gold" und inflationiert bloß die vorhandene Goldmenge. Von einem intrinsischen Wert ist nichts zu sehen.

Ach, vertrauensbildende Maßnahme?!
Da gibt es wohl einen Unterschied zwischen dem Papier und dem Gold?
Worin liegt dieser denn?

Das war in der Tat ein Denkfehler von mir (wenn man es immer wieder liest, hinterfragt man es irgendwann nicht mehr). Papier transportiert entweder den Wert (die Leistung, die es erzwingt) oder eben irgendwann nicht mehr (Druckerpresse, Staatsbankrott) Also es bleibt bei: Diversifikation und Spekulation auf höhere Preise (oder gar potentielle Rückkehr zum Goldstandard nach Staatsbankrott. Im Westen für mich undenkbar).

Ich habe nie die Vorteile eines Goldstandards bestritten. Das hat aber
nichts damit zu tun, dass der "intrinsische Wert" von Gold so hoch ist.
Gold ist einfach ein Metall ohne Nutzen, das schön funkelt.

Uran ist ein sehr gefährliches Metall.
Nichtsdestoweniger besitzt es für Waffenhersteller und Energieerzeuger
einen hohen Wert.
Wenn Du keinen Nutzen in Gold erkennen kannst ist das Deine Sache.
Es macht sich aber nicht gut, daß als universelle These in den Raum zu
stellen, die überall Gültigkeit haben soll.

Du argumentierst immer vom Blickwinkel innerhalb eines Abgabensystems. Da kann alles bepreist werde. Gerade Uran ist ein schlechtes Beispiel, weil es Energie liefert, während Gold nur Energie verbraucht beim Abbau.

Ein Goldstandard ist sinnvoll, weil er die Zyklen aus Boom und Bust
verkürzt (Goldlimitierung) und damit die Fallhöhe beim Crash. Dennoch ist
das Gold nur der Wertträger (so wie Papier heute) und nicht selbst der
Wert.

Aaah, jetzt kommen wir der Sache näher.
Wertträger – schönes Wort.
Du solltest jetzt erklären, warum Papierwährungen immer wieder
verschwanden, das Gold als Wertträger aber blieb.
Warum ist das so?

Wie mehrmals gesagt, gibt es keinen Unterschied zwischen Gold und Papier. Der einzige Unterschied ist, dass man Papier bis zur völligen Zerstörung inflationieren kann. Das ist ja nichts, das irgendein Debitist leugnen würde. Es hat nur absolut nichts mit all dem hier Gesagten zu tun. Mit Gold wurden genauso Schulden bezahlt, wie man mit Papier heute Schulden bezahlt. Der einzige Unterschied ist der Träger und das eine ZB in einem Goldstandard automatisch die Zinsen erhöhen muss, wenn sie zuviel Gold (als Schuld gegen Pfand) ausgibt und die Deckung unter das rechtlich geregelte Maß fallen würde.

Besuche doch mal einen von der Zivilisation isolierten Stamm (ja, die
gibt es noch) und versuche dort Gold gegen irgendetwas (das nicht Schmuck
ist) einzutauschen. Viel Glück!

Ich hatte es schon vorher gesagt.
Wenn wir von Geld reden – als Wertträger – und Du dann den Bezugsraum
wechselt, in dem Du in die Südsee oder den Amazonas-Regenwald
entschwindest, dann ist das nicht ganz fair.

Wie gesagt: Exakt das ist aber der wichtigste Punkt überhaupt, um zu verstehen, was Abgabensysteme von akephalen Systemen unterscheidet und warum Gold nur in Ersteren überhaupt von Interesse sein kann.

Übrigens eine tolle "Währung", dieses Gold: Schwankt zwischen 250$
und 1900$.
Stell dir doch mal die Frage, warum es diese extremen Schwankungen
(gemessen in Kaufkraft) im Goldstandard nicht gab.

Diese Frage stellt Du mir ernsthaft, wo z.B. Roland Leuschel schon 1995
erklärte, daß 98 % aller Finanztransaktionen nur spekulative Geschäfte
sind?
Wie ist es heute? 99,5 %?

Jetzt weichst du aber aus. Wenn du die Frage verstehst, warum Gold heute derart gravierend schwankt, während es in einem Goldstandard stabil bleibt, dann hast du verdammt viel gewonnen, wenn nicht sogar alles verstanden. Papiergeld mag in den letzten Jahrzehnten inflationiert haben (hauptsächlich durch Staatsverschuldung, die leistungsloses Geld ist), aber eine "Währung", die innerhalb von nicht einmal einem Jahrzehnt eine Deflationsrate von fast 800% hinlegt um danach um 40-50% zu inflationieren. Das sollte doch nachdenklich stimmen. Schau dir mal die Infla/Defla-Raten von Gold im Goldstandard über einen Zeitraum von 140 Jahren an:

http://socialdemocracy21stcentury.blogspot.com/2012/10/the-gold-standard-did-not-preven...

So etwas gab es da nie und darüber solltest du mal nachdenken.

Dabei belasse ich es mal.

Gute Nacht!
Beste Grüße
Phoenix5


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