Worauf Winkler und die Deutschen hereinfallen

Tempranillo, Samstag, 19.01.2019, 18:04 (vor 1917 Tagen) @ Tempranillo3720 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 19.01.2019, 18:07

Winkler suggeriert, es gäbe Demokraten und Volldemokraten. Doch die gibt
es so wenig wie Kommunisten und Vollkommunisten, Nazis und Vollnazis,
Moslems und Vollmoslems, Talmudisten und Volltalmudisten.

Weshalb dem hochintelligenten Winkler diese Fehleinschätzung unterläuft,
liegt daran, daß ihm, dem kundigen Lateiner und Anglophonen, die
entscheidenden Quellen verschlossen bleiben, die, man mag sich dagegen
sträuben wie man will, nun mal französisch sind.

Aus meiner Sicht ist Winkler auf seine Franz-Josef-Strauß-affine und anglophile Lebensorientierung hereingefallen.

So lange man diesen Weg beibehält, wird man, egal, ob der Schwerpunkt auf dem rechten oder linken Fuß liegt, zwangsläufig in den Untergang marschieren, egal, wie viele lateinische oder altgriechische Sentenzen in Rucksack oder Tornister liegen.

Diesen Marche infernal bin ich seit spätestens 1998 nicht mehr bereit, mitzumachen und schlage stattdessen eine grundlegende Umorientierung zugunsten unseres alten und viel zu wenig geschätzen Europa vor, bei dem sich der äußere Aufwand nicht selten umgekehrt proportional zur gedanklichen und seelischen Substanz verhält.

Die preußische Devise vom *mehr Sein als Schein* faßt die Essenz Europas hervorragend zusammen und grenzt uns zugleich gegenüber der hohlen und verlogenen amerikanischen Showmanship ab.

Als Beispiel für Europas Einzigartigkeit habe ich wieder ein Klavierkonzert Mozarts ausgesucht, KV 453, das man, wäre es nicht auf seine sehr individuelle Weise vollkommen, als verschroben bezeichnen könnte.

Wenn mir ein Klavierkonzert angekündigt wird, erwarte ich volles Orchester und einen Pianisten, der in die Tasten haut, daß die Finger knacken.

Nichts von alledem bei Mozart. Der erste Satz beginnt, daß man nicht weiß, ist das ein Streichquartett, -quintett oder Kammerorchester

In dem Stil, changierend zwischen klanglicher Reduktion und konzerthaften, bläsergestützen Exkursionen, geht es weiter bis zum Ende, und man weiß nicht, bin ich jetzt in einem Konzertsaal oder größeren Wohnzimmer?

Die Balance zwischen Privatem und Öffentlichen macht den Reiz dieses Konzerts aus, natürlich auch seine Ausflüge in seelisch weit entfernte Regionen.

Allegro: https://www.youtube.com/watch?v=qoJeHjXVKZE
Beginnt zuversichtlich, aufgeräumt, im vertrauten Tonfall der Wiener Klassik, aber schon nach etwa eineinhalb Minuten wird die frühsommerlich unbeschwerte Stimmung eingetrübt.

Andante: https://www.youtube.com/watch?v=6wfWbYBlvIo
Was soll das sein? Eine melancholische, fast depressive Bläsersenade mit Einsprengseln des Klaviers?

Allegretto: https://www.youtube.com/watch?v=dE86kc27jnw
Mozarts Vogel konnte das Hauptthema nachpfeifen. Doch das vogelhaft Pfeifende ist nur der Anfang. Danach nimmt der Satz einen deutlich anderen Verlauf und endet in einer Verbindung aus Jagd und Opera buffa.

Wie schwer es ist, Mozart gerecht zu werden, kann jeder selbst herausfinden, indem er nach brauchbaren Aufnahmen dieses Konzerts sucht.

Mir ging's so, daß vieles zu romantisch d.h. zu klebrig und langsam gewesen ist, oder die historischen Aufnahmen verwendeten ein zu dünn klingendes Hammerklavier, einmal waren im Mittelsatz die Holzbläser schmerzhaft unsauber, wie bei der Interpretation mit Viviana Sofronizky, die ich gerne verlinkt hätte, wäre sie nicht vom Orchester so im Stich gelassen worden.

Deshalb habe ich mich für die 59 Jahre alte Einspielung Friedrich Guldas entschieden, die das das gigantische Verdienst hat, uns ein Konzert nahezubringen, das zu den vielen stratosphärisch hoch angesiedelten europäischen Kunstwerken gehört.

Tempranillo

--
*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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