entromantisiert :-)

Silke, Dienstag, 08.01.2019, 19:50 (vor 1927 Tagen) @ nemo8602 Views
bearbeitet von Silke, Dienstag, 08.01.2019, 20:16

Lieber nemo,

eine Urschuld existiert. Das erste Ziel aller Lebewesen ist das
Überleben. Jetzt stellt sich die Frage auf welche Weise.

Auf die möglichst effektivste Weise im jeweiligen Lebensraum.

Nehmen wir die Indianer Nordamerikas als Beispiel. Sie konnten ihr
Überleben in Gemeinschaften sichern.

Auf Kosten der Megafauna, die mit wachsen menschlicher Populationen und entwicklung ihrer Waffen überall auf der Welt ausgerottet wurde.
Dabei wurden diese Nachschuldnern so gezwungen, die Schulden so externalisiert, dass sie fallieren mussten - die Megafauna starb aus, weil sich die Arten wegen der ständigen Dezimierung nicht erhalten konnten.

Dabei
gab es bessere und schlechtere Jahre.

Darum geht es im Debitismus nicht (wechselnde äußere Umstände sind ja immer) sondern darum ob du Nachschuldner zwingen kannst (andere Spezies oder im Notfall die gleiche Art).

Darüber hinaus hatten sie aber
weiteres Potenzial zur Verfügung mit dem
sie sich spirituell und sozial weiter entwickelt haben. Immer in kleinen
Schritten.

Woher denn dieses? Göttliches Manna?
Ressourcen sind nur in begrenztem Maße aquirierbar, ohne dass sich die ganzen konkurrierenden und kooperierenden Systeme dabei massiv verändern.
Was wachsen kann wächst so lange und so heftig auf Kosten von anderen Systemen bis es nicht mehr wachsen kann.
Und das hat ja bekanntlich nichts mit gut und böse zu tun sondern nur mit Potentialstrukturen, die Möglichkeiten einräumen, Aktivitäten möglich machen oder nicht - mit Können oder nicht Können, Be- oder Entmächtigungen.

Das Abgaben-System dieser Völker beruhte auf Solidarität mit den anderen
Menschen der Gemeinschaft.

Gemeinschaften sind EIN System.
Sie funktionieren wie ich oder du.
Alles an mir will überleben, deshalb macht alles an mir mit bei der Urschuldbefriedigung, das Herz, die Lungen, die Muskel, die Nerven, das Gehirn.
Alles an mir will länger überleben. Deshalb habe ich mich vermehrt und kümmere mich um meine Nachkommen - sie sind ich.
Vieles von mir ist in die Welt verschmiert und umgedreht aus der Welt auf mich.
Deshalb kümmere ich mich nicht nur um mich und die Meinen sondern auch um die Welt, und die Welt kümmert sich um mich.
Deshalb empfinden viele hier Raub, Privatisierung, Vorteilnahme und Eigennützigkeit zwar als in Maßen geeignetes Vorgehen wissen aber tief in sich drin, dass sie sich selbst schädigen, wenn sie andere Menschen schädigen.

Wer zuviel
hatte, gab es an andere weiter. Dieser Brauch kam der Gemeinschaft als
Ganzes zugute, so dass die Frage des
Überlebens nicht der einzige Lebensinhalt war.

Im Letzten ist Überleben schon der einzige Lebensinhalt.
Alles was wir denken und tun hat im weitesten Sinne mit Überleben zu tun.

Die Gemeinschaft konnte
aufgrund dieses solidarischen Prinzips
das Problem der Urschuld lösen.

Aber nur bis sich die äußeren oder inneren Umstände so verschlechterten, dass das solidarische Prinzip (Konsenz und Subsidarität) nicht mehr zum Überleben ausreichte und einem hierarchischen zwingenden und konkurrierenden weichen musste um nicht in toto auszusterben so wie all die uralten Gemeinschaften, von denen wir nicht wirklich viel wissen.
Es scheint nur offensichtlich so zu sein, dass alle Versuche der Spezies Homo in friedlichen Gemeinschaften begannen und in kriegerischen Gesellschaften endeten, die zu artübergreifenden Zentralmachtsystemen mutierten (aktuell bestehend aus Elementen von Pflanzen/Tiere/Menschen/Maschienen).

Im Gegensatz zu unserer Gesellschaft, die dieses Problem bis zum heutigen
Tage nicht gelöst hat.

Unsere Gesellschaften sind leider die Lösung des Problems.
Ein System das funktioniert...

Da existiert ein
riesiger Schuldenberg, die permanente Ausbeutung der Natur und des
Menschen, sowie der debitistische Zwang,
immer so weiter zu machen bis zum Zusammenbruch.

Schuldenberg, Komplexität und Vermögen von Systemen finden sich immer in Korrelation, wobei wegen der Vorfinanzierungsproblematik die Verschuldung leider schneller steigt als die Komplexitätszunahme und die wiederum als die Vermögenszunahme. Das ist dann mehrfach schlecht (diminishing returns).

Ein System mit geringer Urschuld hat eine geringe Komplexität und ein geringes Vermögen wie z.B. eine Amöbe.

Ein komplexes System wie ein Artübergreifendes Zentralmachtsystem hat eine gewaltige Schuldenlast zu stemmen und so lange dies gelingt eine gewaltige Komplexität und ein gewaltiges Vermögen.

Es ist anfällig für eine (noch nicht erfahrene) Simplifikation aber robuster gegen viele Umwelteinflüsse, die schon einmal "verdaut wurden" (sozusagen Immunität), gegen die einfachere Systeme keine Überlebenchance haben (Eintagsfliegen überleben keine 24 Stunden).

Eine Entwicklung kann erst stattfinden, wenn das Problem der Urschuld
gelöst ist.

Aber nemo, wir müssen es doch nur verstehen, damit wir uns ein bisschen entspannen können und uns nicht immer wieder gegenseitig an die Gurgel gehen.
Gelöst ist das Urschuldproblem doch schon immer.
Ein Faultier, ein Koala oder ein Elefant musste täglich dasunddas leisten um nicht zu fallieren (den ganzen Tag fressen) und du musst halt dafür dasunddas bringen (und ja nicht weniger).
Wer das nicht bringt verschwindet einfach - Fall gelöst.

Erst dadurch entsteht das
Potenzial sich mit dem Lebenssinn und höheren Zielen auseinanderzusetzen.

Selbst anorganische Systeme leben schon. Wir wissen nicht wie sie ihr Dasein reflektieren. Wir können aber ihre Überlebensbemühungen beobachten.

Der Lebensinn ist oder kann viel
mehr sein, als das Problem des Überlebens zu lösen.

Das kann ich mir nicht vorstellen. Überleben ist in meinen Augen der einzige Sinn von Leben.

Es ist jedoch das
erste Problem, das einer Lösung bedarf.

Überleben können.

Solange dieses Problem nicht gelöst wird – und es kann nur auf eine
solidarische, soziale Weise gelöst werden –
wird es im Leben immer nur darum gehen „irgendwie durchzukommen“.

Ohne Aufschuldung und dadurch Zunahme von Komplexität und Vermögen auf Kosten anderer Systeme hast du (über ausreichend lange Zeiträume betrachtet) eine schlechtere Überlebenschance als andere Systeme.

Es
ist ein schreckliches Armutszeugnis
des menschlichen Verstandes, das Leben ausschließlich mit der Arbeit um
sein Überleben zu verbringen,
aus Angst zu verhungern.

Das ist imho kein Armutszeugnis sondern leider der Kern jeden Lebens auch wenn es daneben immer auch die Gemeinsamkeitskomponente gibt wenn sogar manchmal eine Raubtiermutter den Nachwuchs eines Beutetieres verteidigt.
Kooperation ist halt ein evolutionärer Vorteil.

Wenn man einen tieferen Grund sucht, weshalb unsere Gesellschaft in einer
sinnlosen Arbeits- und Unterhaltungs-
kultur degeneriert und daran schließlich zugrunde geht, dann wird man
hier die Ursache finden. Unser
gesamtes Potenzial wird ausschließlich dafür verwendet, Geld zu
erwirtschaften oder die Konsequenzen dieses
Wirtschaftens zu reparieren. Mehr ist es nicht.

Es geht nicht um Geld sondern um Aufschulden und dadurch Komplexitäts- und Vermögenszunahme.
Geld ist nur ein Werkzeug, um den dafür nötigen Machtkrislauf am Laufen zu halten:
Verschulden-> Zunahme von Komplexität und Vermögen durch Einbindung von neuen Ressourcen und zusätzlichem Potential-> höheres Verschulden -> noch mehr Ressourcen und Potential aquirieren, Vermögenzuwachs, Komplexitätszunahme, Potentialzuwachs -> noch mehr Verschulden -> usw. bis zum Fallieren des Systems.

Daher simulieren wir nur eine Gesellschaft, eine Kultur, einen Lebenssinn
und eine Ethik.

Wir simulieren uns Gemeinschaft und Hoffnung und Gut und Böse, Ethik und Unethik und einen Lebenssinn.

Wir simulieren diese
Dinge, weil wir nicht das Potenzial besitzen, sie Wirklichkeit werden zu
lassen.

Sie sind real. Es ist Hyperrealität. Die Simulation ist unsere Realität.

Es gibt die Möglichkeit Dinge
in die Wirklichkeit zu bringen, wenn das Potenzial dafür zu Verfügung
steht.

Bei dir geraten die Begriffe durcheinander.
Ich verstehe die Wirklichkeit als das, was ist, unabhängig davon, ob wir damit kommunizieren oder nicht.
Sobald wir kommunizieren schaffen wir unsere Realität, die eine Simulation der Wirklichkeit ist.
@Ashitaka sieht das sogar noch radikaler.
Teil der Simulation
"...sind wir doch alle Teil des Systems und damit selbst Teil der Simulation."
Die Annahme einer außerhalb von uns befindlicher Wirklichkeit sei demnach falsch und alles nur in dir selbst.

Das Leben ist keine Simulation,
wie Du vermutest.

Natürlich nicht.
Unsere Realität ist unsere Simulation der Wirklichkeit (jedem seine ganz eigene).

Es ist Wirklichkeit, die noch nicht verwirklicht wurde
und daher nur als Möglichkeit in
unseren Köpfen existiert.

Realität, die noch nicht real wurde.

Die Idee ist eine Sache, die Verwirklichung
dieser Idee eine ganz andere.

Die Realisierung.

Inzwischen leben wir in einer Welt, die nur noch aus Ideen und
Vorstellungen besteht, aber keine Wirklichkeit
mehr hat. Das ist das, was Baudrillard zu sagen versucht.

Da bin ich mir nicht so sicher.

Liebe Grüße
Silke


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