Sarkasmus ist wohl notwendig, aber nicht hinreichend

Vanitas, Dienstag, 25.12.2018, 13:32 (vor 1920 Tagen) @ n0by5900 Views
bearbeitet von Vanitas, Dienstag, 25.12.2018, 14:21

Hallo n0by,

keine Frage – der Claas R. hat geliefert wie bestellt. Der Mann hat gelogen, aber nicht betrogen. Er hat das zusammenfabuliert, was alle in der Echokammer an der Ericusspitze 1 im Westen der Hamburger Hafencity haben und sehen wollten, wofür ihm dann Ehrungen, Preise und Würdigungen verliehen wurden – für Haltung, Gesinnung, moralischen Impetus.

Er hat den Gesinnungs-und Gefühligkeitsjournalismus als Motor der Umerziehung zum besseren Menschen zu ungeahnten Höhen befördert und ist dann leider, leider der Sonne der objektiven Wahrheit zu nahe gekommen und grandios abgestürzt. Aber das kann man ihm ja nicht allein anlasten, er hat es doch nur gut gemeint, hatte leider die Schlechtigkeit und Dummheit der Welt in der falschen Ecke verortet, jedenfalls nicht in der ideologisch bornierten Dr.Feelgood-Community der moralisch Übervortrefflichen.

Oder war es doch ganz anders? War er nur ein aalglatter Karrierist, der sich mit seinen beachtlichen Stilmitteln subversiv in die Herzen der Human-Touch-Story-Rezipienten im SPIEGEL-Haus und bei seinen Lesern geschrieben hat, um Kohle und Ansehen abzugreifen und das ganz große Rad zu drehen? Wer weiß? Immerhin wird er ja von seinem Enttarner, dem freien Mitarbeiter Juan Moreno, als der absolut liebenswerte Mitarbeiter beschrieben:
Claas Relotius ist ein Mensch, den man ins Herz schloss, wenn man ihn kennenlernte.

Der Spiegelverlag hat ja eben eine kostenfreie Internet-Sonderausgabe zu seinem Versagen herausgebracht, wo man einiges nachlesen und werten kann:

http://www.spiegel.de/media/media-43950.pdf

Allerdings bleibt das 'mea culpa' doch etwas schal am Gaumen hängen, denn die Devise heißt eben nur: mehr interne Kontrolle, besserer Faktenscheck, akribischere Recherche, aber weniger, Änderung der redaktionellen Vorgaben in Sachen Storyboard und Ausschmückung durch einerseits gefühlige und andererseits abfällig wertende Umschreibungen objektiver Tatbestände, d.h. strikte Trennung von Bericht und Kommentar.

Schön auch dazu das Resumee von J. Moreno auf Seite 14 der Sonderausgabe in Form eines inkompletten Syllogismus:
Können wir daraus etwas lernen? Ja, Journalisten sind Menschen. Menschen lügen.

Die Konklusio kann ja wohl jeder selber finden ...


Gruß Vanitas


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