Ich finde toll, dass du das Thema Wörgl wieder einbringst.

Silke, Dienstag, 11.12.2018, 00:59 (vor 1935 Tagen) @ sensortimecom4153 Views
bearbeitet von Silke, Dienstag, 11.12.2018, 01:19

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und ja, bitte eine rege Diskussion darüber. Nur so lerne ich ja dazu.
Die inkompetente Verklärung und Verherrlichung der Thematik in den MSM kann ich aber so nicht teilen.

Lieber sensortimecom,

Das System "Freigeld" in der von Wörgl praktizierten Art ersetzte das
Neuverschulden ("Aufsetzen systemischer Aufschuldung") eben dadurch, dass
es durch die lfd. 2%-Entwertung der ausgegebenen "Arbeitswertscheine" einen
"quasi-debitischen" Druck erzeugte, der als Analogie dessen verstanden
werden kann, was wir unter "Schuldendruck" aus dem Debitismus kennen.

Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit per Entwertung des Schuldentilgungsmittels erhöht nicht die systemisch verwertbare Neuverschuldung per Leistungsversprechen und -erbringung, die aber zwingend nötig ist, dass das System nicht mangels kompetenter Leistung kollabiert wie der Ostblock.

Warum kann sich ein kapitalistisches System denn überhaupt entfalten und erhalte?
Weil es ständig eine ganz bestimmte Neuverschuldung erzwingt (nicht irgendeine!) = neue systemisch akzeptierte Leistungsversprechen mit persönlicher Haftung und damit mit Vollstreckbarkeit in persönliches Eigentum einschließlich der eigenen Person.
Nur dagegen gibt es die von der Macht autorisierten Leistungsscheine/Beurkundungen (heute bei uns Euro als Münze/Schein/EDV-Einheit über die ZB im WPPG), mit denen man BIP abfordern kann, da sie ja auch kommende BIP-Erzeugung vorab beurkunden, und mit denen auch die Macht sich erhalten kann (Söldner, Beamte und Hoflieferanten können nur mit diesen Urkunden bezahlt werde - die nehmen kein Freigeld) = aufgetragene Geldeinheiten.
Die neu gemachten Leistungsversprechen müssen erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden. Mit den "Leistungsscheinen" kann aber vor Versprecheneinlösung schon auf BIP aus der Erfüllung vorangegangener Leistungsversprechen zugegriffen werden - das System gewinnt dadurch Zeit, die es sonst nie hätte.
Zeitgewinn ist der einzige historisch nachweisbare Sinn und Zweck eines ZMS - Finanzierung seiner weiteren Existenz trotz von außen ständig neu herein kommender Termine, die systemisch immer nur zu spät bedient werden könnten.

Was sind das nun für Leistungsversprechen?
Bestimmt nicht irgendwelche, sondern nur solche, aus deren Leistungserbringung sich wieder Leistungsversprechen von weiteren Marktteilnehmern ergeben werden, da diese die versprochene Leistung zum Zeitpunkt ihrer Erbringung haben werden müssen und dafür bereit sind sich neu zu verschulden/zu versprechen selbst am Markt nachgefragte Leistung zu erbringen.

Dieses System kannst du nicht imitieren, indem du Leistungsscheine gegen irgendwelche nicht marktgängigen schwachen Leistungen heraus gibts und dann diese Leistungsscheine zur Tilgung von dir zustehenden Steuerforderungen akzeptierst = die stärksten Forderungen im System überhaupt!

Wieso nicht marktgängige/schwache Leistungen?
Weil jeder, der noch alle Tassen im Schrank und marktfähige Produkte und Leistungen hat, diese nur gegen harte Währung und nicht gegen die Regio's erbringt, sondern diese zum Entschulden gegen die Dorftrottel nimmt, sobald seine kompletten Steuerschulden getilgt sind.

Hatten wir denn nicht irgendwie in Wörgl eine aufblühende und sich selbst dadurch tragende Wirtschaft per "umlaufbesicherter" (was für ein Irrwitz) Währung?
Nein, dort wurde ein Potentialverbrauch zelebriert, da durch das Freigeldsystem nicht finanziert sondern Forderungen vernichtet wurden.
Am Ende des Tages stand die Gemeinde trotz heftiger Wuselei des Publikums höher verschuldet da als beim Start des Experimentes, da ihre Steuerforderungen futsch waren, aber die harten Verbindlichkeiten von außen weiter bestanden.
Die Gemeinde hat ihre auf konvertierbare Währung (staatlich verteidigtes Geld) lautenden Steuerforderungen mit Spielgeld-Jetons pulverisiert.
Da greift jeder Insasse dankbar zu um sich zu entschulden und verklärt die Geschichte gern nach Abbruch des Experiment's mit.
Wäre das Experiment fertig durchgelaufen hätte die Gemeinde Bankrott gemacht.

Aber die Wirtschaft ist doch floriert. Die Gemeindesteuern sind doch flugs beglichen worden.
Ja, in Ostereiern, weil die juristische Person "Gemeinde" ab Zeitpunkt X Ostereier gegen Herumgehopse an das Publikum heraus gereicht und als Steuerzahlung von diesem akzeptiert hat - eine nicht konvertierbare "Währung" zur Begleichung harter Steuerschulden, deren Einnahmen aber doch zum Systemerhalt nach außen in harter Währung unentbehrlich waren.
Sämtliche wirtschaftlichen Beziehungen nach außen wurden nur in konvertierbarer Währung Schilling bilanziert.

Im Klartext. Der Wörgler musste intensiv "leisten" und "liefern", wollte
er in diesem System auf Dauer bestehen.

Wer Marktfähiges hatte, der leistete und lieferte gegen echtes Geld und nicht mehr gegen das Regiogeld, sobald er seine kompletten Steuerschulden getilgt hatte.

Wenn der gesagt hätte: so, jetzt
genug, jetzt mache ich mir mit den erwirtschafteten Arbeitswertscheinen
einen schönen Urlaub, und danach lange nix mehr, wäre der schneller(!)
pleite gewesen, wie wenn er sich mit einem Kredit im obligaten
Notenbankgeld im damaligen Österreich "neu verschuldet" hätte, und auf
das Erbringen von Leistungen verzichtet hätte, um Zinsen und Tilgungen zu
zahlen...

Richtig. Werthaltig war für jeden nur der Umstand, dass die schönen harten Steuerforderung mit dem wertfreien Freigeld vergleichsweise anstrengungsarm getilgt werden konnten.
Nix Steuerschuld mehr = nix Wert.
In einem ZMS leitet sich jeder Wert im weiteren Sinn letztlich aus der Abgabeforderung in toto ab.

Eines ist klar. Das System funktioniert nur

a) wenn bzw. solange Waren und Dienstleistungen ausschliesslich regional
im Geltungsbereich des Freigeldes bezogen werden, und auf Umtausch in
externer "stabiler" Währung weitgehend verzichtet wird

b) solange es sich um P rodukte bzw. Waren handelt, deren Wertverfall
GERINGER ist als die zeitliche Entwertung der ausgegebenen Wertscheine (des
Freigeldes). Also es darf keine Obsoleszenz, keine Sättigung und keine
"Wegwerfgesellschaft" geben. Von Billigprodukten etwa aus Fernost in einer
globalisierten Welt gar nicht zu reden....

c) wenn geringe Vermögensakkumulation in stabilen, von Schwundgeld
unabhängigen Assets stattfindet, also zb. Gold, Immobilien etc. Von
Veranlagungen in externem stabilen Geld ohnehin nicht zu reden... Ansonsten
entsteht rasch eine Schere zwischen arm und reich. Wie das zb. in Wörgl je
gemanaged hätte werden können, ist ohnehin schleierhaft.

Mir ist nur eines klar: Das System funktionierte nicht und wird auch nicht funktionieren (globale Kryptos), weil es, wie ich oben versucht habe zu beschreiben, gar nicht funktionieren konnte und kann.

Ein ZMS mit seinen komplizierten aber genialen Prinzipien der Finanzierung ist über Jahrtausende evolutionär gewachsen und heute eben noch existent weil es so genial und unangreifbar geworden ist.

Es fehlt nur noch der letzte Schritt der Evolution, dass von einer Ist-Besteuerung zu einer Soll-Besteuerung mit automatisierter Sanktion übergegangen wird.
Wer zum Steuertermin keine Leistung erbracht hat wird dann ohne Widerspruchsrecht...
...abgeschaltet.

Liebe Grüße
Silke


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