Leserzuschrift zu "halbmarxistischen Nationalsozialisten"

Phoenix5, Mittwoch, 28.11.2018, 15:23 (vor 1974 Tagen) @ Phoenix53751 Views

Leserzuschrift:

" Hallo Stefan,

ich habe gerade Ihren Kommentar zu Hitler gelesen:

Hitler stand ökonomisch so weit links wie keine einzige Partei in der Parteienlandschaft des Westens.<

Eine Anmerkung meinerseits: Ich hatte vor längerer Zeit ein Buch von Otto Meissner gelesen, der in der Weimarer Republik und im Dritten Reich als Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten tätig war und unter Ebert, Hindenburg und Hitler diente, also guten Einblick in wichtige politische Vorgänge und Entscheidungsfindungen der damaligen Zeit erhalten hatte. Meissner, der selbst nie der NSDAP beigetreten war, hatte anfang der 50er Jahre seine Lebenserinnerungen als Buch veröffentlicht, in dem er sich sehr um eine objektive und sachliche Beschreibung der Vorgänge jener Zeit bemühte. Dabei "stolperte" ich über eine interessante Textstelle, die Ihre Aussage recht gut belegt.

Die Stelle findet sich auf Seite 178f der Ausgabe von 1950 (Otto Meissner: Staatssekretär unter Ebert - Hindenburg - Hitler). Es geht um den von den rechten Parteien initiierten Volksentscheid gegen die Annahme des Young-Plans, der die noch ausstehenden Reparationsfragen (mal wieder) endgültig klären sollte. Der Volksentscheid wurde von einer großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, was eine schwere politische Niederlage für die Rechtsparteien bedeutete, die ihn organisiert hatten. Als Folge des Scheiterns des Volksentscheides traten 21 Abgeordnete aus der Fraktion der DNVP im Reichstag aus und schlossen sich in einer eigenen politischen Gruppierung zusammen, aus der später die Volkskonservative Partei hervorging. Interessant in diesem Zusammenhang ist nun die Begründung für ihren Parteiaustritt, der aus Protest gegen die Zusammenarbeit Hugenbergs mit den "halbmarxistischen Nationalsozialisten" erfolgte - eine erstaunliche politische Beschreibung für eine Partei, die doch als rechts schlechthin gilt. Bemerkenswert ist zudem, dass Meissner diese Worte ausdrücklich nicht in Anführungszeichen setzte, obwohl er als erfahrener Bürokrat und "Mann des Wortes" sich sehr wohl der scheinbaren Gegensätzlichkeit der Formulierung bewusst gewesen sein musste.

Mit freundlichen Grüßen"


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