Nein, nicht Schauungen (nötige Richtigstellung)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 14.11.2018, 17:28 (vor 1961 Tagen) @ Mephistopheles5908 Views
bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 14.11.2018, 17:49

Hallo, Mephistopheles!

Leider wurden jedoch diese ganzen Schauungen vom Schauungsforum als
Fälschungen französischer Nonnen des 19. Jh. dekonstruiert. [[sauer]]

Das stimmt so leider nicht.
Wir haben festgestellt, daß es sich bei Prophezeiungen (!!!) überwiegend um einen Kanon ursprünglich religiös begründeter Motive handelt, die seit Jahrhunderten durch den Volksmund, gegenseitiges Plagiieren und schlichte Erfindung von (nicht "durch"!) Sehern weitergesponnen werden.

Prophezeiungen sind keine Schauungen, sondern im Grunde eine "Literaturgattung".

Schauungen/Visionen/Präkognition sind ein pa­ra­psy­chisches Phänomen.

Beides sollte man stringent auseinanderhalten, weil es sich bei Schauungen eben nicht um lauter Fälschungen handelt, sondern um Ergebnisse einer existierenden und funktionierenden menschlichen Fähigkeit.

Richtig müßte es heißen: "Es gibt Prophezeiungen, daß die Russen einmarschieren werden, aber von den Franzosen aus Deutschland zurückgeschlagen werden. Die Ami halten sich raus, weil zu sehr mit sich selbst beschäftigt."

Das hier wiedergegebene Motiv ist ein Ausfluß der christlichen Endzeitprophetie, die ursprünglich im Nahen Osten entstand. Grober Handlungsbogen ist:
♦ Herrschaft des Antichristen
♦ Überfall der Christen durch die antichristlichen Hilfsvölker "Gog und Magog"
♦ Endschlacht, in der "Gog und Magog" durch einen christlichen Monarchen (ursprünglich der byzantinische Kaiser) besiegt werden
♦ Göttliches Strafgericht und Wiederkunft Christi

Das sollte sich ursprünglich im Heiligen Land abspielen und ist im Wesentlichen auch Aussage der Prophezeiung des syrischen Pseudo-Methodius aus dem 7. Jahrhundert, der im mittelalterlichen Abendland immense Aufmerksamkeit erfuhr.
Mit dem Christentum wurden die endzeitprophetischen Motive nach Europa importiert. Die Handlungsorte wurden auf europäische Schauplätze angepaßt.

Die wahren Christen waren nun nicht mehr die nahöstlichen Christen, sondern die abendländischen Nationen.
Die Herrschaft des Antichristen in Jerusalem wurde zur Herrschaft des Antichristen in Rom (vgl. die Pseudo-Malachiasprophezeiung).
Die Endschlacht bei Armageddon wurde zur Endschlacht am Rhein umgedichtet.
Aus den mysteriösen Völkern "Gog und Magog", die aus dem Inneren Asiens bzw. von Hinter dem Kaukasus (von der Levante aus betrachtet) stammen sollten, wurden die Russen gemacht, die nun nicht mehr nach Süden marschieren, sondern nach Westen ins Abendland.
Der "große Monarch", der die antichristlichen Horden besiegen sollte, war wahlweise mal Franzose, mal Deutscher. Aus reinem Zufall paßte das während des Kalten Krieges auf die kommunistischen Russen. Heute paßt es überhaupt nicht mehr, nachdem Rußland mit einer erstarkenden Orthodoxie als Konterpart gegen den westlichen Verfall steht. Im engen Weltbild der Prophezeiungsgläubigen bleiben sie aber weiterhin die Bösen, weswegen irrsinnige Theorien wie die "bolschewistische Langzeitstrategie" bemüht werden.

Das ganze Szenario des "Dritten Weltkriegs" bzw. russischen Feldzuges in Europa, das heute Alois Irlmaier als eine tragende Säule hat, kann man vergessen. Es ist eine reine, auf den oben umrissenen Zusammenhängen beruhende Erfindung. Der Erschaffer der Marke "Irlmaier", der Verleger Conrad Adlmaier, hat dieses Szenario kurz vor 1950 auf Grundlage älterer Prophezeiungen (hauptsächlich Nonnen, Mönche, Priester des 19. Jahrhunderts) erfunden und dem Seher Alois Irlmaier angehängt.

Irlmaier war präkognitiv hochbegabt, aber nur im privaten Bereich, d. h. zum Lebenslauf der Individuen in seiner Umgebung. Zum Weltgeschehen hatte er keine Schauungen.

Danach werden Deutschland und Frankreich vereinigt, selbstverständlich unter französischer Vormundschaft und die Schweiz wird heimgeholt ins Reich. Damit wäre auch die Schweizer Frage gelöst und das Reich Karls des Großen kann von einem Chiren oder Henry wiederhergestellt werden.

Leider nein. Das ist eine blanke Erfindung vor dem Hintergrund der Endzeitprophetie, die ein christliches Weltreich fordert, wenn das Böse erst besiegt ist.

Davon unabhängig gibt es durchaus echte Schauungen zum Weltgeschehen, die auf der gegenwärtigen Informationsbasis aber kein geschlossenes Szenario bilden. Es ist ein diffuses Konglomerat aus Katastrophen und politischen Ereignissen, die u. a. eine Wirtschaftskrise, massiven Einbruch des Wohlstandes, Ausländerausweisung und ein pauschales Erstarken Rußlands als Großmacht enthalten. Die Russen dürften in diesem Sinne ihren Einflußbereich nach Europa ausdehnen, wenn die Weltmacht USA untergehen. Es wird aber keinen russischen Eroberungsfeldzug in Europa geben, keine epische Endschlacht am Rhein, kein europäisches Reich, das die Schweiz eingemeindet (jedenfalls auf Grundlage der Schauungen).

Davon unabhängig wäre ein europäisches Großreich, dessen geistige Grundlage eine Renaissance des Abendlandes und seiner Traditionen wäre, der nächste logische Schritt im historischen Zyklus. Die Herrschaftsform wäre dem spengler'schen Cäsarismus zuzuordnen, die Weltanschauung ein synkretistisch und eklektisch reformiertes Christentum, das von oben herab verordnet wird und den formlosen Bevölkerungsmassen, soweit sie die kommenden Verwerfungen überstehen, einen künstlichen Lebensrahmen gibt. Die Frage, die zu lösen wäre, betrifft die Entscheidung, ob dieses europäische Reich, dessen Führungsmacht schon aufgrund der Mittellage sowie aus geistig-spirituellen Gründen zwingend Deutschland sein muß, eine eigenständige Macht darstellen oder von Rußland als Schutzmacht abhängig sein wird. Das ähnelt der Entscheidung, vor der auch die antike Welt stand, nämlich ob die Endform ihrer Zivilisation durch Verfestigung des alexandrinischen Reiches griechisch dominiert oder (wie es schließlich kam) Griechenland als politisch abhängige Provinz, aber kultureller Impulsgeber von Rom abhängig wäre.
In dieses erst zu formende Reich, das aus den rauchenden Trümmern der EU und der unsäglichen Bundesrepublik entstehen muß, würde logischerweise auch die Schweiz aufgehen, wobei sich die Frage stellt, inwieweit das Schweizertum als regionale Identität der dortigen Bevölkerung im Sinne eines "Europas der Vaterländer" (das regionale Selbstverwaltung kennt, aber einen Imperator als ideelle Klammer im Inneren und machtpolitisches Agens nach außen hat) erhalten bleibt. Möglicherweise empfinden sich Deutsch-Schweizer, Welsche, Rätoromanen und Italienisch-Schweizer ohne politische Klammer als eigenständige Ethnien oder schließen sich als Subidentitäten ihren großen Brüdern an.
Das hat mit Schauungen und Prophezeiungen aber nichts zu tun, denn Schauungen hierzu haben wir derzeit nicht und die Prophezeiungen sind religiöse Erfindungen ohne reale Grundlage.

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh’ zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Weltenwende


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung