Leider ist der deutsche Michel hier total beratungsresistent

Plancius, Sonntag, 11.11.2018, 12:29 (vor 1994 Tagen) @ DT5347 Views

Du legst mit Deinen Hinweisen zur maroden Infrastruktur in DE immer den Finger in eine offene Wunde.

Ich bin nun im Beratungsgeschäft aktiv und wie meine Kollegen viel in DE unterwegs, sowohl mit Auto, Flugzeug und der Bahn. Meine Kollegen schimpfen natürlich auch über die vielen Staus auf deutschen Autobahnen. Bei der Bahn ist die Kritik schon verhaltener. Insbesondere der Dreck und Schmutz sowie die versifften Züge werden als normal angesehen. Sauberkeit und Pünktlichkeit gelten mittlerweile als spießig, typisch deutsch und damit voll naaatziiieh und ein bestimmtes Level an Dreck, Schmutz und Versifftheit ist bei ihnen ein Zeichen von Weltoffenheit und Abkehr vom verhassten deutschen Spießertum. Deshalb zieht es meine Kollegen, alle durchaus nett, gebildet und bürgerlich in solch versiffte Großstädte wie Köln, Hamburg oder Berlin.

Obwohl meine Kollegen weit in der Welt umher kommen und sehen, wie stark andere Länder gerade im Hinblick auf die Infrastruktur aufgeholt haben, sehen sie Deutschland nach wie vor als das beste aller Länder, insbesondere weil wir moralischer Weltmeister sind. Die Mängel in der Infrastruktur werden auch nicht der Politik angelastet, sondern als gottgegeben dem modernen Leben geschuldet angesehen. Gern wird hierbei auch auf das Verkehrschaos in Bangkok usw. verwiesen. Dass die Politik bewusst die Mittel zum Ausbau der Infrastruktur zurückhält ist für sie völlig undenkbar. Ein Verweis darauf wird sofort in das Reich der Verschwörungstheorien abgetan. Schließlich leben wir in einer funktionierenden Demokratie und die gewählten Politiker tun mehr oder weniger gut das Beste für die hier Lebenden.

Solange dieses Denken bei den Leuten dominiert, wird sich in diesem Lande auch nichts grundlegendes ändern.

Mich erinnern die Zustände in unserem Land an die DDR der 80er Jahre. Auch in der DDR gab es in den 80er Jahren punktuelle Verbesserungen im Straßenbau und beim Ausbau und der Elektrifizierung der Reichsbahn. Aber unter dem Strich war der flächenhafte Verfall der Infrastruktur nicht zu übersehen. Und auch damals haben sich noch sehr viele DDR-Bürger von der Staatspropaganda im Hinblick auf die zehntgrößten Industrienation der Welt und bestimmten Vorzeigeprojekten einlullen lassen. Die neuen Autobahnen Berlin-Rostock, Berlin-Hamburg, die Asphaltierung der Strecke Berlin-Helmstedt (die Finanzierung der Transitwegn durch den Westen wurde natürlich nicht erwähnt), der Bau von 4spurigen Zubringern in die Bezirksstädte, die vorbildliche Asphaltierung der Fernverkehrsstraßen in den 3 Nordbezirken waren ja auch nicht von der Hand zu weisen, aber den Verfall in der Fläche konnte dies nicht kompensieren. Aber durch geschickte Propaganda kann man die Wahrnehmung eines großen Teil des Volkes lenken. Das ist heute nicht anders als damals.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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