Hab über alles nochmal nachgedacht

helmut-1, Siebenbürgen, Samstag, 06.10.2018, 10:58 (vor 2022 Tagen) @ BerndBorchert1400 Views

Das mit der Bezeichnung des "ehrlichen Menschen" ist wohl etwas zu weit hergeholt. Hab mich intensiver mit der Person des Herrn Aznavour beschäftigt und dabei einiges festgestellt, das man im Allgemeinen nicht so mitbekommt.

Es trifft durchaus zu, dass er die Zuwanderung in Frankreich positiv propagiert hat. Damit sind ja vornehmlich die Muslims gemeint, aus den afrikanischen resp. asiatischen oder arabischen Ländern. Natürlich sind Leute wie er, die ja auf einem gewissen Niveau leben, nur schwer in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen. Damit meine ich, zu unterscheiden, was Wirtschaftsprofiteur und was echter Verfolgter ist.

Und um letztere Gruppe geht es dem Sänger in erster Linie, zumal er die Geschichte seiner Eltern nicht vergessen hat. Auch meine Vorfahren wurden nach dem 2. WK vertrieben, es liegt auf der Hand, dass auch ich mich für die Interessen der Vertriebenen eingesetzt habe, allerdings für die der deutschen Vertriebenen.

Ich möchte die Dinge, für die ich mich in die Brust werfen kann, hier nicht aufzählen, das überlasse ich anderen. Aber in der Stadt, in der ich mich zwei Jahrzehnte lang der ehrenamtlichen Jugendarbeit gewidmet habe, kennt man meinen Namen auch heute noch, obwohl schon Jahrzehnte vergangen sind.

Deshalb bin ich aber noch lange kein Typ aus dem Neckermann-Katalog. So manches Negative habe ich vollbracht, das ich auf keine weiße Seite meiner Annalen schreiben möchte. Mein Elefantengedächtnis hindert mich daran, über Dinge einfach hinwegzugehen, und da reagiere ich oftmals übertrieben. Nur eine Episode will ich erwähnen, als ich mal einen Kerl krankenhausreif geprügelt habe, der mir die Freundin ausgespannt hat. Allerdings ein Jahr danach, und er weiß bis heute nicht, dass er dieses Geschenk von mir bekam. Alles verjährt, 50 Jahre ist das nun her.

Bin ich nun ein schlechter Mensch, oder gar ein A.loch? Warum frage ich das: Es gibt keinen Menschen mit absolut weißer Weste, - weder Du noch ich oder sonst einen Kommentator hier im Gelben.

Zurück zu Aznavour: Nun meinst Du, dass das Prädikat "ehrlicher Mensch" nicht mehr angebracht ist. Die Frage stellt sich gar nicht nach dieser Bezeichnung. Man soll die Gesamtheit sehen, bei der Beurteilung eines Menschen. Die künstlerische Leistung ist unbestritten. O.k., da gibts noch die persönliche Weltanschauung.

Ich persönlich schreibe niemanden vor, wie er zu denken oder zu sprechen hat. Wenn mir im Leben etwas heilig ist, dann der Voltaire unterstellte Ausspruch:

Ich mag verdammen was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzten, dass du es sagen darfst.

Aznavour hat sich für die Zuwanderung in Frankreich ausgesprochen, betreff Muslime. Allerdings war er vor einem Jahr auch in Israel und hat sich auch für den Brückenschlag mit den Palästinensern eingesetzt. Die Jüdische Allgemeine hat das elegant umschrieben.

https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/29976

Wenn in Frankreich die Juden bereits beginnen, wegen den Muslimen auszuwandern, dann stellt sich die Frage, wie man das in Israel sieht, wo er auch wg. des Engagementes seiner Eltern geehrt wurde. Einerseits Muselbefürworter, andererseits Judenfreund? Das beißt sich irgendwie, oberflächlich betrachtet. Stellt sich die Frage, ob er in Israel auch die Situation der in Israel befindlichen Immigranten angesprochen hat, die man ausweisen will. Darüber habe ich nichts gelesen.

Daneben gibts aber auch noch viele andere Beispiele, wo er sich humanitär und finanziell engagiert hat. Nicht nur beim großen Erdbeben in Armenien, sondern auch für die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern, genauso die Hilfsprojekte für die Kinder, u.a.m.

Nein, ich verdamme diesen Mann wg. dieser ausgesprochenen Einstellung betreff Immigration nicht, ich sehe das Gesamte. Keiner von uns ist "nur" schwarz oder weiß bei seinem Tun und Lassen auf seinem Lebensweg, - wir haben alle nur erdenklichen Graustufen. Und das ist auch gut so.


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