eine kleine Prise 'deutsche Geschichte'

Weiner, Donnerstag, 04.10.2018, 20:41 (vor 2002 Tagen) @ nereus3057 Views

Hallo Nereus,

es ist alles lieb und schön und gut, was Du schreibst, und es schimmert ein Traum von Nation durch Deine Zeilen.

Ich erlaube mir aber zu sagen, dass es wirklich nur ein Traum war. Dies nicht, weil er nun zu Ende geht, sondern weil er von Anfang gezielt als Illusion erschaffen wurde, um Menschenpopulationen politisch zu steuern und wirtschaftlich auszubeuten.

Die Worte "Volk" und "Nation" hat vor 300 Jahren - außer ein paar wenigen aufgeklärten (!) Gelehrten - niemand in den Mund genommen, am allerwenigsten Menschen auf der Straße oder gar auf dem flachen Land. Die Unterschichten waren damals in ihrer sozialen bzw. politisch-rechtlichen Identität die Angehörigen einer HERRSCHAFT, sie waren regional gebundene Untertanen. Erst mit der amerikanischen und französichen Revolution wurde diesen Menschen auf die Nase gebunden, dass sie einem 'großen Volk' bzw. einer noch größeren 'Nation' angehörten - womit man sie offensichtlich mobilisieren konnte: die ersten Massenheere der Geschichte sind damals entstanden und feierten unter Napoleon ihr Schlachtfest. Voller Begeisterung haben sich auf der Gegenseite dann sogar Studenten (!!), und zwar mit goldenen Knöpfen und rotem Band am schwarzen Frack, zur Verteidigung des Vaterlands(!!) gemeldet - das gab es vorher noch nie in der ganzen Menschenheitsgeschichte ...

Seit 1770/1780 also wurde ARTIFIZIELL das Paradigma von der 'Nation' kultiviert, und zwar von den gleichen Kreisen, die heute dieses Paradigma offensichtlich wechseln wollen. Die extremsten Blüten trieb dieser Nationalismus in den beiden letzten Weltkriegen, die sich um Deutschland drehten. Es ist daher naheliegend, wenn man das Paradigma wieder wenden will, dass man ganz besonders uns hier Aufmerksamkeit schenkt - mal abgesehen von geopolitischen und wirtschaftlichen Gründen.

Der Mainstream-Deutsche hat den Nationalismus nicht wirklich begriffen (d.h. nicht begriffen, wie er mit dessen Hilfe hereingelegt und manipuliert wurde). Es ist also davon auszugehen, dass er den Sinn hinter dem neuen Paradigma ebenso wenig begreift. Er wird in die 'offene Gesellschaft' (die in Wirklichkeit eine ganz dicht geschlossene sein wird) genauso blind hineinrennen und darin erneut sterben, wie er in die Nation geschlittert und dort auf die Schnauze gefallen war.

Dieses Verhalten ist eine allgemeine (Geistes-) Krankheit, eine Art neurotische Schwäche des 'Deutschen', die aber durch viele andere Vorzüge bei weitem ausgeglichen wird und deshalb insgesamt erträglich ist - auch wenn sie weh tut und eigentlich so überflüssig ist wie ein Kropf. Ich verweise hierzu auf weitere Beispiele wie etwa, um in der allgemein bekannten Geschichte zu bleiben, auf die Ideologien des Protestantismus (in allen seinen Schattierungen, vom Täuferreich in Münster bis zum Calvinismus in Nordamerika) oder auf die Ideologie des Kommunismus, von deren Art wir uns regelmäßig faszinieren lassen und unter denen wir (und von hier aus die ganze Welt) gelitten haben und immer wieder von neuem leiden werden. Auch die 'grüne Bewegung' wurde wohl nirgendwo so verinnerlicht wie hier in D.

Es gibt kleine Handlungsspielräume in der Geschichte, die Optionen zum Mitwirken bieten, besonders wenn ein solcher Paradigmenwechsel ansteht. Um solche Chancen zu nutzen, muss man aber aufgeweckt sein und darf nicht hinter dem Ofen schlafen. Sonst nutzen andere diese Spielräume, um jenes neue Paradigma durchzusetzen, das sie für richtig und gewinnbringend halten.

Yascha Mounk ist nur ein kleiner 'Speaker'. Aber viel Kleinvieh macht auch ordentlich Mist. Die Gärtner da oben wissen, wie man mit Dünger umgeht ...

MfG, Weiner


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