Gegenargumente

Naclador, Göttingen, Donnerstag, 27.09.2018, 12:45 (vor 2038 Tagen) @ Phoenix53130 Views

1) Ob der Mensch wirklich mitspielt, wenn ihn der Staat dazu zwingt, in
einer Simulation zu arbeiten, d.h. dort nicht zu spielen, sondern zu
schuften, wage ich stark zu bezweifeln, vor allem wenn er im Hinterkopf
hat, dass all dieses Schuften eigentlich völlig sinnfrei ist, da es durch
Programmierung umgangen werden könnte.

Das tut er heute schon, ohne dass man ihn zwingt und ohne dass er daraus ein reales Einkommen generieren könnte. Schon mal ein MMORPG wie World of Warcraft oder ähnliches gespielt? Die Leute rennen sinnlos hierhin oder dahin und erledigen Botengänge und Hiwi-Jobs für virtuelle Personen, bloß für Erfahrungspunkte, die außerhalb des Spiels nicht den geringsten Wert besitzen.

Gib Ihnen die Möglichkeit, das gegen Bezahlung zu tun, und sie werden freiwillig in Scharen angelaufen kommen. Zumal es in der virtuellen Realität sehr viel hübscher sein wird als in der Wirklichkeit. Keine Umweltverschmutzung, keine Kriminalität, keine Krankheit, keine Hässlichkeit. Und die Regeln sind für alle Spieler gleich.

Außerdem: Wie viele Menschen arbeiten heute schon in völlig sinnfreien Berufen? Und das an wesentlich weniger attraktiven Arbeitsplätzen.

2) Der Hang des Staates in dieser Simulation nicht Geld, sondern
Vermögenswerte durch die Programmierung von Grund und Boden, Immobilien,
etc. zu inflationieren, wäre noch stärker ausgeprägt, als eine direkt
dem Staat unterstehende Notenbank in der realen Welt.

Das ist keineswegs zwangsläufig so. Es muss sich ja betriebswirtschaftlich lohnen. Wenn man mit dem "Endless Planes"-Update die Grundstückspreise im Spiel ruiniert und anschließend 15 Petabytes an zusätzlichem Festplattenplatz für die ganzen neuen Immobilien vorhalten muss, hätte er ja nichts gewonnen.

3) Alle Leute die ich in die Simulation zwinge, fehlen mir in der realen
Wirtschaft. Dein Gedankenspiel hat also meines Erachtens nur dann Sinn,
wenn wir die Künstliche Intelligenz, Robotik und Automatisierung so weit
entwickelt haben, dass diese im realen Leben für die Bedienung der
Urschuld (Nahrung, Wohnung, Kleidung, etc.) sorgen. Wenn also alle
Grundbedürfnisse nicht mehr von Menschen erwirtschaftet werden, sondern
von Maschinen.

Kurzer Realitätsabgleich: Haben wir einen Mangel an Arbeitskraft, oder einen Mangel an Arbeit? Wenn mich nicht alles täuscht, dann haben wir eine erhebliche Arbeitslosigkeit, und allen Prognosen nach wird das durch weitere Automatisierung eher schlimmer als besser werden.

4) Und da sind wir beim Punkt, der mich schon länger fasziniert, weil ich
ihn für die entscheidende Wende im gesamten patriarchalischen Systems
halte - vergleichbar nur mehr mit der Entdeckung des Feuers oder der
Entstehung des Staates:

Wenn die Automatisierung, die Robotik und die KI so weit fortgeschritten
sind, d.h. der Zeitpunkt der
Technologischen
Singularität
erreicht ist, die eine
Superintelligenz
hervorbringt, verliert der Staat jede Existenzberechtigung.

Das Ding heißt nicht umsonst Singularität. Es ist müßig, zu spekulieren, wie es dann weitergeht. Eine superintelligente KI wäre... eine Art Gott. Es wird auf die Details der Software ankommen, was dann mit der Menschheit geschieht.

Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg (und einer, den ich lieber nicht gehen würde). Bis dahin brauchen wir Nachschuldner.

--
"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson


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